Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

löste Gustavs Zunge. Mit größerem Wortreichtum, als man
sonst an ihm gewohnt war, stellte er den Fremdling als einen
ehemaligen Kameraden und Freund vor, dem man Obdach ge¬
währen müsse.

Die Frauen blickten verdutzt auf den bärtigen Wander¬
burschen, der in der trüben Beleuchtung des schwachen Öl¬
lämpchens nicht grade vertrauenerweckend sich ausnahm. Der
alte Bauer sagte nichts; ihn brachte jetzt nicht so leicht mehr
etwas aus seiner verstockten Gelassenheit. In früheren Zeiten
würde er dem schön gekommen sein, der ihm solch' einen Strolch
in's Haus gebracht hätte. Aber, jetzt nahm er auch das mit
in den Kauf zu dem übrigen. Die Bäuerin war gewiß nicht
erbaut über den Gast; doch wagte sie nichts zu äußern, aus
Furcht, Gustav zu reizen. Therese war die erste, welche Worte
fand. Als Gustav fragte, wo ein Lager für den Fremden zu
finden sei, meinte sie trocken, drüben bei den Schweinen stehe
noch ein Koben leer. Eine Bemerkung, welche ihr Gatte Karl,
nachdem er den Sinn erst begriffen, so ausgezeichnet fand,
daß er in ein Gelächter ausbrach, welches an diesem Abende
nicht mehr enden zu wollen schien.

Gustav erbleichte vor Zorn. "Dann wird Häschke eben
in meinem Bette schlafen!" sagte er. "Mir soll keiner nach¬
sagen, daß ich einen Kameraden auf der Straße hätte liegen
lassen. Komm, mei Häschke!"

"Und wu wirst Du denne schlafen alsdann, Gustav?"
fragte die Mutter besorgt, da sie sah, daß der Sohn ernst
machen wollte mit seinem Vorhaben.

"Mutter, ich weeß schon an Fleck für mich!" sagte Gustav.

Und in der That, es gab in Halbenau einen Platz für
ihn, wo er freudige Aufnahme fand, zu Tages- und Nachtzeit.


löſte Guſtavs Zunge. Mit größerem Wortreichtum, als man
ſonſt an ihm gewohnt war, ſtellte er den Fremdling als einen
ehemaligen Kameraden und Freund vor, dem man Obdach ge¬
währen müſſe.

Die Frauen blickten verdutzt auf den bärtigen Wander¬
burſchen, der in der trüben Beleuchtung des ſchwachen Öl¬
lämpchens nicht grade vertrauenerweckend ſich ausnahm. Der
alte Bauer ſagte nichts; ihn brachte jetzt nicht ſo leicht mehr
etwas aus ſeiner verſtockten Gelaſſenheit. In früheren Zeiten
würde er dem ſchön gekommen ſein, der ihm ſolch' einen Strolch
in's Haus gebracht hätte. Aber, jetzt nahm er auch das mit
in den Kauf zu dem übrigen. Die Bäuerin war gewiß nicht
erbaut über den Gaſt; doch wagte ſie nichts zu äußern, aus
Furcht, Guſtav zu reizen. Thereſe war die erſte, welche Worte
fand. Als Guſtav fragte, wo ein Lager für den Fremden zu
finden ſei, meinte ſie trocken, drüben bei den Schweinen ſtehe
noch ein Koben leer. Eine Bemerkung, welche ihr Gatte Karl,
nachdem er den Sinn erſt begriffen, ſo ausgezeichnet fand,
daß er in ein Gelächter ausbrach, welches an dieſem Abende
nicht mehr enden zu wollen ſchien.

Guſtav erbleichte vor Zorn. „Dann wird Häſchke eben
in meinem Bette ſchlafen!“ ſagte er. „Mir ſoll keiner nach¬
ſagen, daß ich einen Kameraden auf der Straße hätte liegen
laſſen. Komm, mei Häſchke!“

„Und wu wirſt Du denne ſchlafen alsdann, Guſtav?“
fragte die Mutter beſorgt, da ſie ſah, daß der Sohn ernſt
machen wollte mit ſeinem Vorhaben.

„Mutter, ich weeß ſchon an Fleck für mich!“ ſagte Guſtav.

Und in der That, es gab in Halbenau einen Platz für
ihn, wo er freudige Aufnahme fand, zu Tages- und Nachtzeit.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0247" n="233"/>&#x017F;te Gu&#x017F;tavs Zunge. Mit größerem Wortreichtum, als man<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t an ihm gewohnt war, &#x017F;tellte er den Fremdling als einen<lb/>
ehemaligen Kameraden und Freund vor, dem man Obdach ge¬<lb/>
währen mü&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Die Frauen blickten verdutzt auf den bärtigen Wander¬<lb/>
bur&#x017F;chen, der in der trüben Beleuchtung des &#x017F;chwachen Öl¬<lb/>
lämpchens nicht grade vertrauenerweckend &#x017F;ich ausnahm. Der<lb/>
alte Bauer &#x017F;agte nichts; ihn brachte jetzt nicht &#x017F;o leicht mehr<lb/>
etwas aus &#x017F;einer ver&#x017F;tockten Gela&#x017F;&#x017F;enheit. In früheren Zeiten<lb/>
würde er dem &#x017F;chön gekommen &#x017F;ein, der ihm &#x017F;olch' einen Strolch<lb/>
in's Haus gebracht hätte. Aber, jetzt nahm er auch das mit<lb/>
in den Kauf zu dem übrigen. Die Bäuerin war gewiß nicht<lb/>
erbaut über den Ga&#x017F;t; doch wagte &#x017F;ie nichts zu äußern, aus<lb/>
Furcht, Gu&#x017F;tav zu reizen. There&#x017F;e war die er&#x017F;te, welche Worte<lb/>
fand. Als Gu&#x017F;tav fragte, wo ein Lager für den Fremden zu<lb/>
finden &#x017F;ei, meinte &#x017F;ie trocken, drüben bei den Schweinen &#x017F;tehe<lb/>
noch ein Koben leer. Eine Bemerkung, welche ihr Gatte Karl,<lb/>
nachdem er den Sinn er&#x017F;t begriffen, &#x017F;o ausgezeichnet fand,<lb/>
daß er in ein Gelächter ausbrach, welches an die&#x017F;em Abende<lb/>
nicht mehr enden zu wollen &#x017F;chien.</p><lb/>
          <p>Gu&#x017F;tav erbleichte vor Zorn. &#x201E;Dann wird Hä&#x017F;chke eben<lb/>
in meinem Bette &#x017F;chlafen!&#x201C; &#x017F;agte er. &#x201E;Mir &#x017F;oll keiner nach¬<lb/>
&#x017F;agen, daß ich einen Kameraden auf der Straße hätte liegen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Komm, mei Hä&#x017F;chke!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und wu wir&#x017F;t Du denne &#x017F;chlafen alsdann, Gu&#x017F;tav?&#x201C;<lb/>
fragte die Mutter be&#x017F;orgt, da &#x017F;ie &#x017F;ah, daß der Sohn ern&#x017F;t<lb/>
machen wollte mit &#x017F;einem Vorhaben.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Mutter, ich weeß &#x017F;chon an Fleck für mich!&#x201C; &#x017F;agte Gu&#x017F;tav.</p><lb/>
          <p>Und in der That, es gab in Halbenau einen Platz für<lb/>
ihn, wo er freudige Aufnahme fand, zu Tages- und Nachtzeit.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0247] löſte Guſtavs Zunge. Mit größerem Wortreichtum, als man ſonſt an ihm gewohnt war, ſtellte er den Fremdling als einen ehemaligen Kameraden und Freund vor, dem man Obdach ge¬ währen müſſe. Die Frauen blickten verdutzt auf den bärtigen Wander¬ burſchen, der in der trüben Beleuchtung des ſchwachen Öl¬ lämpchens nicht grade vertrauenerweckend ſich ausnahm. Der alte Bauer ſagte nichts; ihn brachte jetzt nicht ſo leicht mehr etwas aus ſeiner verſtockten Gelaſſenheit. In früheren Zeiten würde er dem ſchön gekommen ſein, der ihm ſolch' einen Strolch in's Haus gebracht hätte. Aber, jetzt nahm er auch das mit in den Kauf zu dem übrigen. Die Bäuerin war gewiß nicht erbaut über den Gaſt; doch wagte ſie nichts zu äußern, aus Furcht, Guſtav zu reizen. Thereſe war die erſte, welche Worte fand. Als Guſtav fragte, wo ein Lager für den Fremden zu finden ſei, meinte ſie trocken, drüben bei den Schweinen ſtehe noch ein Koben leer. Eine Bemerkung, welche ihr Gatte Karl, nachdem er den Sinn erſt begriffen, ſo ausgezeichnet fand, daß er in ein Gelächter ausbrach, welches an dieſem Abende nicht mehr enden zu wollen ſchien. Guſtav erbleichte vor Zorn. „Dann wird Häſchke eben in meinem Bette ſchlafen!“ ſagte er. „Mir ſoll keiner nach¬ ſagen, daß ich einen Kameraden auf der Straße hätte liegen laſſen. Komm, mei Häſchke!“ „Und wu wirſt Du denne ſchlafen alsdann, Guſtav?“ fragte die Mutter beſorgt, da ſie ſah, daß der Sohn ernſt machen wollte mit ſeinem Vorhaben. „Mutter, ich weeß ſchon an Fleck für mich!“ ſagte Guſtav. Und in der That, es gab in Halbenau einen Platz für ihn, wo er freudige Aufnahme fand, zu Tages- und Nachtzeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/247
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/247>, abgerufen am 24.11.2024.