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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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ihrer entwickelten Gestalt. Und doch war es eine Freude,
dieses Paar zu sehen. Gesund waren sie und schlicht; echte
Bauernkinder!

Pauline trug keinen Brautkranz im Haar. Der alte
Pfarrer hielt streng darauf, daß kein Mädchen, der es
nicht zukam, mit dieser Auszeichnung vor den Altar trete. Die
kranzlosen Bräute waren nicht selten in Halbenau, denn der
Leichtsinn der jungen Leute war groß. Der Pastor pflegte an
die Paare, welche die Freuden der ehelichen Verbindung
vorausgenossen hatten, ernste Worte des Tadels zu richten.
Aber heute unterließ er das; zur Verwunderung vieler, denen
diese Art der öffentlichen Vermahnung immer einen angenehmen
Kitzel bereitete. Der Geistliche kannte Pauline gut. Sie war
einst sein Liebling gewesen unter den Konfirmanden. Er
wußte, daß sie nicht leichtfertig war. Auch kannte er ihre
Verschämtheit und ersparte ihr darum die öffentliche Blos¬
stellung ihres Fehltritts.

Frau Katschner hatte auf ihre Erscheinung so viel Putz
verwendet, als es ihr bei ihren ärmlichen Verhältnissen
möglich war. Sie hatte heute ganz besonderen Grund, stolz
und voll Befriedigung dreinzublicken. Befand sich doch in der
Hochzeitsgesellschaft niemand Geringeres, als Fräulein Bumille,
die Wirtschaftsmamsell vom Schloß.

Die Bumille glich mit ihrem hochgeröteten Gesicht, dem
bauschigen Seidenkleide und dem hängenden Unterkinn einem
aufgeblähten Puter. Bei jeder ihrer schwerfälligen Bewegungen
krachte und knitterte die umfangreiche Maschine ihrer Toi¬
lette. Auf dem wogenden Felde ihres Busens hatte eine
Goldbroche in Form eines Rades Platz gefunden. Zwischen
den hellen Handschuhen und den allzu eng anschließenden
Ärmeln drängte sich eine Wulst rosalichen, gepreßten Fleisches
hervor. So saß diese prächtige Dame, als ein rechtes Reno¬
mierstück, unter den einfachen Dorfleuten. Durch Blicke, Hal¬
tung und jene eigenartigen Geräusche, die von ihr ausgingen,
schien sie jedermann einschärfen zu wollen, daß sie Fräulein
Bumille, die Mamsell vom Schlosse sei, und daß der ganzen

ihrer entwickelten Geſtalt. Und doch war es eine Freude,
dieſes Paar zu ſehen. Geſund waren ſie und ſchlicht; echte
Bauernkinder!

Pauline trug keinen Brautkranz im Haar. Der alte
Pfarrer hielt ſtreng darauf, daß kein Mädchen, der es
nicht zukam, mit dieſer Auszeichnung vor den Altar trete. Die
kranzloſen Bräute waren nicht ſelten in Halbenau, denn der
Leichtſinn der jungen Leute war groß. Der Paſtor pflegte an
die Paare, welche die Freuden der ehelichen Verbindung
vorausgenoſſen hatten, ernſte Worte des Tadels zu richten.
Aber heute unterließ er das; zur Verwunderung vieler, denen
dieſe Art der öffentlichen Vermahnung immer einen angenehmen
Kitzel bereitete. Der Geiſtliche kannte Pauline gut. Sie war
einſt ſein Liebling geweſen unter den Konfirmanden. Er
wußte, daß ſie nicht leichtfertig war. Auch kannte er ihre
Verſchämtheit und erſparte ihr darum die öffentliche Blos¬
ſtellung ihres Fehltritts.

Frau Katſchner hatte auf ihre Erſcheinung ſo viel Putz
verwendet, als es ihr bei ihren ärmlichen Verhältniſſen
möglich war. Sie hatte heute ganz beſonderen Grund, ſtolz
und voll Befriedigung dreinzublicken. Befand ſich doch in der
Hochzeitsgeſellſchaft niemand Geringeres, als Fräulein Bumille,
die Wirtſchaftsmamſell vom Schloß.

Die Bumille glich mit ihrem hochgeröteten Geſicht, dem
bauſchigen Seidenkleide und dem hängenden Unterkinn einem
aufgeblähten Puter. Bei jeder ihrer ſchwerfälligen Bewegungen
krachte und knitterte die umfangreiche Maſchine ihrer Toi¬
lette. Auf dem wogenden Felde ihres Buſens hatte eine
Goldbroche in Form eines Rades Platz gefunden. Zwiſchen
den hellen Handſchuhen und den allzu eng anſchließenden
Ärmeln drängte ſich eine Wulſt roſalichen, gepreßten Fleiſches
hervor. So ſaß dieſe prächtige Dame, als ein rechtes Reno¬
mierſtück, unter den einfachen Dorfleuten. Durch Blicke, Hal¬
tung und jene eigenartigen Geräuſche, die von ihr ausgingen,
ſchien ſie jedermann einſchärfen zu wollen, daß ſie Fräulein
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[256/0270] ihrer entwickelten Geſtalt. Und doch war es eine Freude, dieſes Paar zu ſehen. Geſund waren ſie und ſchlicht; echte Bauernkinder! Pauline trug keinen Brautkranz im Haar. Der alte Pfarrer hielt ſtreng darauf, daß kein Mädchen, der es nicht zukam, mit dieſer Auszeichnung vor den Altar trete. Die kranzloſen Bräute waren nicht ſelten in Halbenau, denn der Leichtſinn der jungen Leute war groß. Der Paſtor pflegte an die Paare, welche die Freuden der ehelichen Verbindung vorausgenoſſen hatten, ernſte Worte des Tadels zu richten. Aber heute unterließ er das; zur Verwunderung vieler, denen dieſe Art der öffentlichen Vermahnung immer einen angenehmen Kitzel bereitete. Der Geiſtliche kannte Pauline gut. Sie war einſt ſein Liebling geweſen unter den Konfirmanden. Er wußte, daß ſie nicht leichtfertig war. Auch kannte er ihre Verſchämtheit und erſparte ihr darum die öffentliche Blos¬ ſtellung ihres Fehltritts. Frau Katſchner hatte auf ihre Erſcheinung ſo viel Putz verwendet, als es ihr bei ihren ärmlichen Verhältniſſen möglich war. Sie hatte heute ganz beſonderen Grund, ſtolz und voll Befriedigung dreinzublicken. Befand ſich doch in der Hochzeitsgeſellſchaft niemand Geringeres, als Fräulein Bumille, die Wirtſchaftsmamſell vom Schloß. Die Bumille glich mit ihrem hochgeröteten Geſicht, dem bauſchigen Seidenkleide und dem hängenden Unterkinn einem aufgeblähten Puter. Bei jeder ihrer ſchwerfälligen Bewegungen krachte und knitterte die umfangreiche Maſchine ihrer Toi¬ lette. Auf dem wogenden Felde ihres Buſens hatte eine Goldbroche in Form eines Rades Platz gefunden. Zwiſchen den hellen Handſchuhen und den allzu eng anſchließenden Ärmeln drängte ſich eine Wulſt roſalichen, gepreßten Fleiſches hervor. So ſaß dieſe prächtige Dame, als ein rechtes Reno¬ mierſtück, unter den einfachen Dorfleuten. Durch Blicke, Hal¬ tung und jene eigenartigen Geräuſche, die von ihr ausgingen, ſchien ſie jedermann einſchärfen zu wollen, daß ſie Fräulein Bumille, die Mamſell vom Schloſſe ſei, und daß der ganzen

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/270>, abgerufen am 24.11.2024.