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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Acker, der einstmals sein gewesen. Wenn man Grimm und
höllische Schmerzen aussäen könnte, was wäre da für eine
Saat aufgegangen auf diesen Fluren! --

Im Obstgarten, der das Haus umgab, ließ Sam tüchtig
aufräumen. Die alten Krüppel von Apfelbäumen machten zu
viel Schatten, und trügen ja doch nur saures Zeug, das man
nicht los würde, hieß es. Die Bäume hatte der Großvater
zu Anfang des Jahrhunderts gepflanzt, er war ein Obstheger
gewesen, und die späteren Generationen hatten den Segen
seiner Fürsorge geerntet. Jahr ein Jahr aus pflegten die
,alten Krüppel' zu tragen, ihre harten kernigen Sorten, wie
sie dem Klima angepaßt waren. Die Bäuerin hatte davon
abzubacken gepflegt; Weihnachtsäpfel hatte man gehabt, und
mancher späte Apfel hielt sich bis tief in's Frühjahr hinein,
als angenehme Beigabe zur Alltagskost.

Nun sollten die alten treuen Stämme dran glauben.
Der Bauer und Karl mußten selbst Hand anlegen, die Bäume
umzusägen und die Stöcke zu roden. Der Büttnerbauer ver¬
richtete auch dieses Werk schweigend, aber in seiner Hand die
Säge schien zu knirschen, als sie sich in das spröde Holz
einfraß.

Toni hatte inzwischen das väterliche Haus verlassen müssen,
denn Sam erklärte: soviel Mäuler dürften auf seine Kosten
nicht gefüttert werden. Zudem paßte es jetzt mit der Ammen¬
stelle. Frau Achenheim, seine Tochter in Berlin, hatte Sam
zum Großvater gemacht. Toni sollte den Sprößling ernähren,
und wurde zu diesem Behufe eines Tages nach Berlin be¬
fördert. Und diesmal war kein Gustav zur Stelle, die
Schwester zu schützen. Tonis eigenes Kind wurde Theresen
übergeben, welche diesen Familienzuwachs mit geringer Freude
begrüßte.

Man mußte es Sam lassen, es hatte alles Art, was er
unternahm. Er verstand es, im großen Stile zu verfügen.
Das Kleinste, was er anordnete, schien von langer Hand vor¬
bereitet und ordnete sich vortrefflich in das Gefüge seiner
Operationen ein.

Acker, der einſtmals ſein geweſen. Wenn man Grimm und
hölliſche Schmerzen ausſäen könnte, was wäre da für eine
Saat aufgegangen auf dieſen Fluren! —

Im Obſtgarten, der das Haus umgab, ließ Sam tüchtig
aufräumen. Die alten Krüppel von Apfelbäumen machten zu
viel Schatten, und trügen ja doch nur ſaures Zeug, das man
nicht los würde, hieß es. Die Bäume hatte der Großvater
zu Anfang des Jahrhunderts gepflanzt, er war ein Obſtheger
geweſen, und die ſpäteren Generationen hatten den Segen
ſeiner Fürſorge geerntet. Jahr ein Jahr aus pflegten die
,alten Krüppel‘ zu tragen, ihre harten kernigen Sorten, wie
ſie dem Klima angepaßt waren. Die Bäuerin hatte davon
abzubacken gepflegt; Weihnachtsäpfel hatte man gehabt, und
mancher ſpäte Apfel hielt ſich bis tief in's Frühjahr hinein,
als angenehme Beigabe zur Alltagskoſt.

Nun ſollten die alten treuen Stämme dran glauben.
Der Bauer und Karl mußten ſelbſt Hand anlegen, die Bäume
umzuſägen und die Stöcke zu roden. Der Büttnerbauer ver¬
richtete auch dieſes Werk ſchweigend, aber in ſeiner Hand die
Säge ſchien zu knirſchen, als ſie ſich in das ſpröde Holz
einfraß.

Toni hatte inzwiſchen das väterliche Haus verlaſſen müſſen,
denn Sam erklärte: ſoviel Mäuler dürften auf ſeine Koſten
nicht gefüttert werden. Zudem paßte es jetzt mit der Ammen¬
ſtelle. Frau Achenheim, ſeine Tochter in Berlin, hatte Sam
zum Großvater gemacht. Toni ſollte den Sprößling ernähren,
und wurde zu dieſem Behufe eines Tages nach Berlin be¬
fördert. Und diesmal war kein Guſtav zur Stelle, die
Schweſter zu ſchützen. Tonis eigenes Kind wurde Thereſen
übergeben, welche dieſen Familienzuwachs mit geringer Freude
begrüßte.

Man mußte es Sam laſſen, es hatte alles Art, was er
unternahm. Er verſtand es, im großen Stile zu verfügen.
Das Kleinſte, was er anordnete, ſchien von langer Hand vor¬
bereitet und ordnete ſich vortrefflich in das Gefüge ſeiner
Operationen ein.

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[294/0308] Acker, der einſtmals ſein geweſen. Wenn man Grimm und hölliſche Schmerzen ausſäen könnte, was wäre da für eine Saat aufgegangen auf dieſen Fluren! — Im Obſtgarten, der das Haus umgab, ließ Sam tüchtig aufräumen. Die alten Krüppel von Apfelbäumen machten zu viel Schatten, und trügen ja doch nur ſaures Zeug, das man nicht los würde, hieß es. Die Bäume hatte der Großvater zu Anfang des Jahrhunderts gepflanzt, er war ein Obſtheger geweſen, und die ſpäteren Generationen hatten den Segen ſeiner Fürſorge geerntet. Jahr ein Jahr aus pflegten die ,alten Krüppel‘ zu tragen, ihre harten kernigen Sorten, wie ſie dem Klima angepaßt waren. Die Bäuerin hatte davon abzubacken gepflegt; Weihnachtsäpfel hatte man gehabt, und mancher ſpäte Apfel hielt ſich bis tief in's Frühjahr hinein, als angenehme Beigabe zur Alltagskoſt. Nun ſollten die alten treuen Stämme dran glauben. Der Bauer und Karl mußten ſelbſt Hand anlegen, die Bäume umzuſägen und die Stöcke zu roden. Der Büttnerbauer ver¬ richtete auch dieſes Werk ſchweigend, aber in ſeiner Hand die Säge ſchien zu knirſchen, als ſie ſich in das ſpröde Holz einfraß. Toni hatte inzwiſchen das väterliche Haus verlaſſen müſſen, denn Sam erklärte: ſoviel Mäuler dürften auf ſeine Koſten nicht gefüttert werden. Zudem paßte es jetzt mit der Ammen¬ ſtelle. Frau Achenheim, ſeine Tochter in Berlin, hatte Sam zum Großvater gemacht. Toni ſollte den Sprößling ernähren, und wurde zu dieſem Behufe eines Tages nach Berlin be¬ fördert. Und diesmal war kein Guſtav zur Stelle, die Schweſter zu ſchützen. Tonis eigenes Kind wurde Thereſen übergeben, welche dieſen Familienzuwachs mit geringer Freude begrüßte. Man mußte es Sam laſſen, es hatte alles Art, was er unternahm. Er verſtand es, im großen Stile zu verfügen. Das Kleinſte, was er anordnete, ſchien von langer Hand vor¬ bereitet und ordnete ſich vortrefflich in das Gefüge ſeiner Operationen ein.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/308>, abgerufen am 21.11.2024.