Auch mit Karl Büttner hatte er seine besonderen Ab¬ sichten. Zunächst ließ er es zu, daß der junge kräftige Mann dem Vater bei der Frühjahrsbestellung half. Sobald diese be¬ sorgt war, erklärte der Händler dem Bauernsohne, daß er seine Dienste nunmehr entbehren könne, und daß er mit samt seiner Familie auszuziehen habe.
Karl war also vom väterlichen Hause und Hofe ver¬ trieben ! Was nun beginnen? Karl Büttner stand der Zukunft ratlos gegenüber. Er hatte nichts gelernt; nur in der Soldaten¬ zeit war er von der Heimat weggekommen. Einen anderen Be¬ ruf als den bäuerlichen zu betreiben, daran hatte er, als des Büttnerbauern Ältester, nie gedacht.
Der Ärmste hatte es schwer. Er war um das väter¬ liche Erbe gekommen, er wußte nicht wie! Seine Frau machte ihm das Leben auch nicht leichter, seit er ein Bettler geworden war. Täglich bekam er jetzt von ihr zu hören, daß sie be¬ trogen sei mit ihm. Daß er ein "dummer Karle" sei, das habe sie freilich immer gewußt, aber sie habe doch wenigstens geglaubt, einmal Bäuerin zu werden durch ihn. Nun mußte der Unglückliche ihr für diese Enttäuschung herhalten.
Karl suchte eine Zeitlang nach einer Thätigkeit. Sein Suchen bestand darin, daß er ratlos umherlief und sich als Kutscher anbot. Aber man stieß sich meist an seiner starken Familie, und sein ungeschicktes Auftreten hatte auch wenig Bestechendes. Bald gab er das jedoch auf und saß nur noch, unter dem Vorgeben in den Blättern zu suchen, in den Schenken umher. Therese, die ihm alsbald anmerkte, daß er Bier und Schnaps genieße, wurde durch diese Entdeckung auch nicht freundlicher gestimmt.
In dieser Not trat wiederum Sam als Helfer auf. Er wolle ihm eine von seinen Wirtschaften in Wörmsbach ver¬ pachten, sagte er zu Karl.
Karl Büttner ging nach Wörmsbach, um sich die Stelle anzusehen. Es war ein kleines Anwesen, ein elendes Über¬ bleibsel von einem Bauerngute, welches Harrassowitz bis auf diesen Rest vereinzelt hatte. Die Gebäude waren gänzlich ver¬
Auch mit Karl Büttner hatte er ſeine beſonderen Ab¬ ſichten. Zunächſt ließ er es zu, daß der junge kräftige Mann dem Vater bei der Frühjahrsbeſtellung half. Sobald dieſe be¬ ſorgt war, erklärte der Händler dem Bauernſohne, daß er ſeine Dienſte nunmehr entbehren könne, und daß er mit ſamt ſeiner Familie auszuziehen habe.
Karl war alſo vom väterlichen Hauſe und Hofe ver¬ trieben ! Was nun beginnen? Karl Büttner ſtand der Zukunft ratlos gegenüber. Er hatte nichts gelernt; nur in der Soldaten¬ zeit war er von der Heimat weggekommen. Einen anderen Be¬ ruf als den bäuerlichen zu betreiben, daran hatte er, als des Büttnerbauern Älteſter, nie gedacht.
Der Ärmſte hatte es ſchwer. Er war um das väter¬ liche Erbe gekommen, er wußte nicht wie! Seine Frau machte ihm das Leben auch nicht leichter, ſeit er ein Bettler geworden war. Täglich bekam er jetzt von ihr zu hören, daß ſie be¬ trogen ſei mit ihm. Daß er ein „dummer Karle“ ſei, das habe ſie freilich immer gewußt, aber ſie habe doch wenigſtens geglaubt, einmal Bäuerin zu werden durch ihn. Nun mußte der Unglückliche ihr für dieſe Enttäuſchung herhalten.
Karl ſuchte eine Zeitlang nach einer Thätigkeit. Sein Suchen beſtand darin, daß er ratlos umherlief und ſich als Kutſcher anbot. Aber man ſtieß ſich meiſt an ſeiner ſtarken Familie, und ſein ungeſchicktes Auftreten hatte auch wenig Beſtechendes. Bald gab er das jedoch auf und ſaß nur noch, unter dem Vorgeben in den Blättern zu ſuchen, in den Schenken umher. Thereſe, die ihm alsbald anmerkte, daß er Bier und Schnaps genieße, wurde durch dieſe Entdeckung auch nicht freundlicher geſtimmt.
In dieſer Not trat wiederum Sam als Helfer auf. Er wolle ihm eine von ſeinen Wirtſchaften in Wörmsbach ver¬ pachten, ſagte er zu Karl.
Karl Büttner ging nach Wörmsbach, um ſich die Stelle anzuſehen. Es war ein kleines Anweſen, ein elendes Über¬ bleibſel von einem Bauerngute, welches Harraſſowitz bis auf dieſen Reſt vereinzelt hatte. Die Gebäude waren gänzlich ver¬
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Auch mit Karl Büttner hatte er ſeine beſonderen Ab¬
ſichten. Zunächſt ließ er es zu, daß der junge kräftige Mann
dem Vater bei der Frühjahrsbeſtellung half. Sobald dieſe be¬
ſorgt war, erklärte der Händler dem Bauernſohne, daß er ſeine
Dienſte nunmehr entbehren könne, und daß er mit ſamt ſeiner
Familie auszuziehen habe.
Karl war alſo vom väterlichen Hauſe und Hofe ver¬
trieben ! Was nun beginnen? Karl Büttner ſtand der Zukunft
ratlos gegenüber. Er hatte nichts gelernt; nur in der Soldaten¬
zeit war er von der Heimat weggekommen. Einen anderen Be¬
ruf als den bäuerlichen zu betreiben, daran hatte er, als des
Büttnerbauern Älteſter, nie gedacht.
Der Ärmſte hatte es ſchwer. Er war um das väter¬
liche Erbe gekommen, er wußte nicht wie! Seine Frau machte
ihm das Leben auch nicht leichter, ſeit er ein Bettler geworden
war. Täglich bekam er jetzt von ihr zu hören, daß ſie be¬
trogen ſei mit ihm. Daß er ein „dummer Karle“ ſei, das
habe ſie freilich immer gewußt, aber ſie habe doch wenigſtens
geglaubt, einmal Bäuerin zu werden durch ihn. Nun mußte
der Unglückliche ihr für dieſe Enttäuſchung herhalten.
Karl ſuchte eine Zeitlang nach einer Thätigkeit. Sein
Suchen beſtand darin, daß er ratlos umherlief und ſich als
Kutſcher anbot. Aber man ſtieß ſich meiſt an ſeiner ſtarken
Familie, und ſein ungeſchicktes Auftreten hatte auch wenig
Beſtechendes. Bald gab er das jedoch auf und ſaß nur noch,
unter dem Vorgeben in den Blättern zu ſuchen, in den
Schenken umher. Thereſe, die ihm alsbald anmerkte, daß er
Bier und Schnaps genieße, wurde durch dieſe Entdeckung
auch nicht freundlicher geſtimmt.
In dieſer Not trat wiederum Sam als Helfer auf. Er
wolle ihm eine von ſeinen Wirtſchaften in Wörmsbach ver¬
pachten, ſagte er zu Karl.
Karl Büttner ging nach Wörmsbach, um ſich die Stelle
anzuſehen. Es war ein kleines Anweſen, ein elendes Über¬
bleibſel von einem Bauerngute, welches Harraſſowitz bis auf
dieſen Reſt vereinzelt hatte. Die Gebäude waren gänzlich ver¬
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/309>, abgerufen am 21.11.2024.
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