Eine der Töchter wollte ihr behülflich sein, aber sie ließ es sich nicht nehmen, den Sohn selbst zu bedienen. Der Unteroffizier war ihr Lieblingskind. Sie setzte die Schüssel, die noch verdeckt war, vor Gustav hin und stützte die Hände auf die Hüften. "Nu paß aber mal uf Gust!" rief sie, und sah ihm schmunzelnd zu, wie er den schützenden Teller abhob. Es war Schweinefleisch mit Speckklößen und Birnen im Grunde des Topfes zu erblicken. "Gelt, Dei Leibfrassen Gust!" sagte sie und lachte den Sohn an. Sie ließ die Blicke nicht von ihm, während er zulangte und einhieb. Jeden Bissen schien die liebevolle Mutter für ihn mitzuschmecken. Gesprochen wurde nichts. Man hörte das Klappern des Blechlöffels gegen die irdene Schüssel; denn der Unteroffizier ersparte sich den Teller. -- In der Ecke schnarchte der alte Bauer, sein Ältester war auf dem besten Wege ihm nachzufolgen, trotz der Pfeife. Am Ofen, der eine ganze Ecke des Zimmers einnahm, mit seiner Hölle und der breiten Bank, hantierten die jüngeren Frauen an dem dampfenden Aufwaschfaß mit Tellern, Schüsseln und Tüchern.
Der Büttnerbauer besaß zwei Töchter. Die dritte Frauens¬ person war Karls, des ältesten Sohnes, Frau.
Die Büttnerschen Töchter zeigten sich sehr verschieden in der Erscheinung. Man würde sie kaum für Schwestern an¬ gesprochen haben. Toni, die Ältere war ein mittelgroßes starkes Frauenzimmer, mit breitem Rücken. Das runde Gesicht, mit roten Lippen und Wangen, erschien wohl hauptsächlich durch seine Gesundheit und Frische hübsch. Sie stellte mit ihrem drallen Busen und kräftigen Gliedmaßen das Urbild einer Bauernschönheit dar.
Ernestine, die jüngere Schwester, war erst vor kurzem konfirmiert worden. Sie stand noch kaum im Anfange weib¬ licher Entwickelung. Sie war schlank gewachsen und ihre Glieder zeigten eine bei der ländlichen Bevölkerung seltene Fein¬ heit. Dabei war sie sehnig und keineswegs kraftlos. Ihren geschmeidigen, flinken Bewegungen nach zu schließen mußte sie äußerst geschickt sein. Die Arbeit flog ihr weit schneller von der Hand, als der älteren Schwester.
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 2
Eine der Töchter wollte ihr behülflich ſein, aber ſie ließ es ſich nicht nehmen, den Sohn ſelbſt zu bedienen. Der Unteroffizier war ihr Lieblingskind. Sie ſetzte die Schüſſel, die noch verdeckt war, vor Guſtav hin und ſtützte die Hände auf die Hüften. „Nu paß aber mal uf Guſt!“ rief ſie, und ſah ihm ſchmunzelnd zu, wie er den ſchützenden Teller abhob. Es war Schweinefleiſch mit Speckklößen und Birnen im Grunde des Topfes zu erblicken. „Gelt, Dei Leibfraſſen Guſt!“ ſagte ſie und lachte den Sohn an. Sie ließ die Blicke nicht von ihm, während er zulangte und einhieb. Jeden Biſſen ſchien die liebevolle Mutter für ihn mitzuſchmecken. Geſprochen wurde nichts. Man hörte das Klappern des Blechlöffels gegen die irdene Schüſſel; denn der Unteroffizier erſparte ſich den Teller. — In der Ecke ſchnarchte der alte Bauer, ſein Älteſter war auf dem beſten Wege ihm nachzufolgen, trotz der Pfeife. Am Ofen, der eine ganze Ecke des Zimmers einnahm, mit ſeiner Hölle und der breiten Bank, hantierten die jüngeren Frauen an dem dampfenden Aufwaſchfaß mit Tellern, Schüſſeln und Tüchern.
Der Büttnerbauer beſaß zwei Töchter. Die dritte Frauens¬ perſon war Karls, des älteſten Sohnes, Frau.
Die Büttnerſchen Töchter zeigten ſich ſehr verſchieden in der Erſcheinung. Man würde ſie kaum für Schweſtern an¬ geſprochen haben. Toni, die Ältere war ein mittelgroßes ſtarkes Frauenzimmer, mit breitem Rücken. Das runde Geſicht, mit roten Lippen und Wangen, erſchien wohl hauptſächlich durch ſeine Geſundheit und Friſche hübſch. Sie ſtellte mit ihrem drallen Buſen und kräftigen Gliedmaßen das Urbild einer Bauernſchönheit dar.
Erneſtine, die jüngere Schweſter, war erſt vor kurzem konfirmiert worden. Sie ſtand noch kaum im Anfange weib¬ licher Entwickelung. Sie war ſchlank gewachſen und ihre Glieder zeigten eine bei der ländlichen Bevölkerung ſeltene Fein¬ heit. Dabei war ſie ſehnig und keineswegs kraftlos. Ihren geſchmeidigen, flinken Bewegungen nach zu ſchließen mußte ſie äußerſt geſchickt ſein. Die Arbeit flog ihr weit ſchneller von der Hand, als der älteren Schweſter.
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 2
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Eine der Töchter wollte ihr behülflich ſein, aber ſie ließ
es ſich nicht nehmen, den Sohn ſelbſt zu bedienen. Der
Unteroffizier war ihr Lieblingskind. Sie ſetzte die Schüſſel,
die noch verdeckt war, vor Guſtav hin und ſtützte die Hände
auf die Hüften. „Nu paß aber mal uf Guſt!“ rief ſie, und
ſah ihm ſchmunzelnd zu, wie er den ſchützenden Teller abhob.
Es war Schweinefleiſch mit Speckklößen und Birnen im Grunde
des Topfes zu erblicken. „Gelt, Dei Leibfraſſen Guſt!“ ſagte
ſie und lachte den Sohn an. Sie ließ die Blicke nicht von
ihm, während er zulangte und einhieb. Jeden Biſſen ſchien
die liebevolle Mutter für ihn mitzuſchmecken. Geſprochen
wurde nichts. Man hörte das Klappern des Blechlöffels gegen
die irdene Schüſſel; denn der Unteroffizier erſparte ſich den
Teller. — In der Ecke ſchnarchte der alte Bauer, ſein Älteſter
war auf dem beſten Wege ihm nachzufolgen, trotz der Pfeife. Am
Ofen, der eine ganze Ecke des Zimmers einnahm, mit ſeiner Hölle
und der breiten Bank, hantierten die jüngeren Frauen an dem
dampfenden Aufwaſchfaß mit Tellern, Schüſſeln und Tüchern.
Der Büttnerbauer beſaß zwei Töchter. Die dritte Frauens¬
perſon war Karls, des älteſten Sohnes, Frau.
Die Büttnerſchen Töchter zeigten ſich ſehr verſchieden in
der Erſcheinung. Man würde ſie kaum für Schweſtern an¬
geſprochen haben. Toni, die Ältere war ein mittelgroßes
ſtarkes Frauenzimmer, mit breitem Rücken. Das runde Geſicht,
mit roten Lippen und Wangen, erſchien wohl hauptſächlich
durch ſeine Geſundheit und Friſche hübſch. Sie ſtellte mit
ihrem drallen Buſen und kräftigen Gliedmaßen das Urbild
einer Bauernſchönheit dar.
Erneſtine, die jüngere Schweſter, war erſt vor kurzem
konfirmiert worden. Sie ſtand noch kaum im Anfange weib¬
licher Entwickelung. Sie war ſchlank gewachſen und ihre
Glieder zeigten eine bei der ländlichen Bevölkerung ſeltene Fein¬
heit. Dabei war ſie ſehnig und keineswegs kraftlos. Ihren
geſchmeidigen, flinken Bewegungen nach zu ſchließen mußte ſie
äußerſt geſchickt ſein. Die Arbeit flog ihr weit ſchneller von
der Hand, als der älteren Schweſter.
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 2
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/31>, abgerufen am 21.11.2024.
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