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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Der Schlummer des Vaters wurde respektiert; man ver¬
mied das allzulaute Klappern mit dem Geschirr. Am wenigsten
besorgt um den Schlaf des Alten schien Therese, die Schwieger¬
tochter, zu sein. Sie sprach mit tiefer, rauher, etwas gurgelnder
Stimme, wie sie Leuten eigen ist, die Kropfansatz haben.
Therese war eine große, hagere Person, mit langer spitzer Nase,
ziemlich blaß, aber von knochig derbem Wuchse, mit starkem
Halse.

Sie ging jetzt daran, die abgewaschenen Teller in das
Tellerbrett zu stellen. Als sie an ihrem Gatten vorbeikam,
dem der Kopf bereits tief auf die Brust herabgesunken war,
während ihm die Tabakspfeife zwischen den Schenkeln lag, stieß
sie ihn unsanft an. "Ihr Mannsen braucht o ne en halben
Tog zu verschlofa; weil mir Weibsen uns abrackern missen.
Das wär' ane verkehrte Welt. Wach uf, Karle! --"

Karl fuhr auf, sah sich verdutzt um, nahm seine Pfeife
auf, die er langsam wieder in Brand setzte, und blinzelte bald
wieder von neuem mit den Augenlidern. Seine Ehehälfte ging
inzwischen brummend und murrend auf und ab.

Theresens Wut wurde gar nicht durch die Schlafsucht des
Gatten erregt worden an die sie schon gewohnt war. Vielmehr
ärgerte sie sich darüber, daß Gustav von der Bäuerin mit den
besten Bissen bewirtet wurde. Sie war ihrem Schwager überhaupt
nicht grün. Der jüngere Sohn werde dem älteren gegenüber
von den Alten bevorzugt, fand sie. Sie fühlte wohl auch, daß
Gustav ihrem Gatten in vielen Stücken überlegen sei, und das
mochte ihre Eifersucht erregen. Ganz erbotzt flüsterte sie den
Schwägerinnen zu -- soweit bei ihr von einem Flüstern die
Rede sein konnte -- "de Mutter stackt's Gustaven wieder zu,
vurna und hinta!"

Endlich war Gustav fertig mit Essen. Zur Freude seiner
Mutter hatte er reine Wirtschaft gemacht. Sich streckend und
gähnend, meinte er, daß es in der Kaserne so was freilich
nicht gäbe.

Inzwischen war der alte Bauer erwacht. "War Gustav
doe?" fragte er, sich mit leeren Augen umsehend. Als er ge¬

Der Schlummer des Vaters wurde reſpektiert; man ver¬
mied das allzulaute Klappern mit dem Geſchirr. Am wenigſten
beſorgt um den Schlaf des Alten ſchien Thereſe, die Schwieger¬
tochter, zu ſein. Sie ſprach mit tiefer, rauher, etwas gurgelnder
Stimme, wie ſie Leuten eigen iſt, die Kropfanſatz haben.
Thereſe war eine große, hagere Perſon, mit langer ſpitzer Naſe,
ziemlich blaß, aber von knochig derbem Wuchſe, mit ſtarkem
Halſe.

Sie ging jetzt daran, die abgewaſchenen Teller in das
Tellerbrett zu ſtellen. Als ſie an ihrem Gatten vorbeikam,
dem der Kopf bereits tief auf die Bruſt herabgeſunken war,
während ihm die Tabakspfeife zwiſchen den Schenkeln lag, ſtieß
ſie ihn unſanft an. „Ihr Mannſen braucht o ne en halben
Tog zu verſchlofa; weil mir Weibſen uns abrackern miſſen.
Das wär' ane verkehrte Welt. Wach uf, Karle! —“

Karl fuhr auf, ſah ſich verdutzt um, nahm ſeine Pfeife
auf, die er langſam wieder in Brand ſetzte, und blinzelte bald
wieder von neuem mit den Augenlidern. Seine Ehehälfte ging
inzwiſchen brummend und murrend auf und ab.

Thereſens Wut wurde gar nicht durch die Schlafſucht des
Gatten erregt worden an die ſie ſchon gewohnt war. Vielmehr
ärgerte ſie ſich darüber, daß Guſtav von der Bäuerin mit den
beſten Biſſen bewirtet wurde. Sie war ihrem Schwager überhaupt
nicht grün. Der jüngere Sohn werde dem älteren gegenüber
von den Alten bevorzugt, fand ſie. Sie fühlte wohl auch, daß
Guſtav ihrem Gatten in vielen Stücken überlegen ſei, und das
mochte ihre Eiferſucht erregen. Ganz erbotzt flüſterte ſie den
Schwägerinnen zu — ſoweit bei ihr von einem Flüſtern die
Rede ſein konnte — „de Mutter ſtackt's Guſtaven wieder zu,
vurna und hinta!“

Endlich war Guſtav fertig mit Eſſen. Zur Freude ſeiner
Mutter hatte er reine Wirtſchaft gemacht. Sich ſtreckend und
gähnend, meinte er, daß es in der Kaſerne ſo was freilich
nicht gäbe.

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doe?“ fragte er, ſich mit leeren Augen umſehend. Als er ge¬

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[18/0032] Der Schlummer des Vaters wurde reſpektiert; man ver¬ mied das allzulaute Klappern mit dem Geſchirr. Am wenigſten beſorgt um den Schlaf des Alten ſchien Thereſe, die Schwieger¬ tochter, zu ſein. Sie ſprach mit tiefer, rauher, etwas gurgelnder Stimme, wie ſie Leuten eigen iſt, die Kropfanſatz haben. Thereſe war eine große, hagere Perſon, mit langer ſpitzer Naſe, ziemlich blaß, aber von knochig derbem Wuchſe, mit ſtarkem Halſe. Sie ging jetzt daran, die abgewaſchenen Teller in das Tellerbrett zu ſtellen. Als ſie an ihrem Gatten vorbeikam, dem der Kopf bereits tief auf die Bruſt herabgeſunken war, während ihm die Tabakspfeife zwiſchen den Schenkeln lag, ſtieß ſie ihn unſanft an. „Ihr Mannſen braucht o ne en halben Tog zu verſchlofa; weil mir Weibſen uns abrackern miſſen. Das wär' ane verkehrte Welt. Wach uf, Karle! —“ Karl fuhr auf, ſah ſich verdutzt um, nahm ſeine Pfeife auf, die er langſam wieder in Brand ſetzte, und blinzelte bald wieder von neuem mit den Augenlidern. Seine Ehehälfte ging inzwiſchen brummend und murrend auf und ab. Thereſens Wut wurde gar nicht durch die Schlafſucht des Gatten erregt worden an die ſie ſchon gewohnt war. Vielmehr ärgerte ſie ſich darüber, daß Guſtav von der Bäuerin mit den beſten Biſſen bewirtet wurde. Sie war ihrem Schwager überhaupt nicht grün. Der jüngere Sohn werde dem älteren gegenüber von den Alten bevorzugt, fand ſie. Sie fühlte wohl auch, daß Guſtav ihrem Gatten in vielen Stücken überlegen ſei, und das mochte ihre Eiferſucht erregen. Ganz erbotzt flüſterte ſie den Schwägerinnen zu — ſoweit bei ihr von einem Flüſtern die Rede ſein konnte — „de Mutter ſtackt's Guſtaven wieder zu, vurna und hinta!“ Endlich war Guſtav fertig mit Eſſen. Zur Freude ſeiner Mutter hatte er reine Wirtſchaft gemacht. Sich ſtreckend und gähnend, meinte er, daß es in der Kaſerne ſo was freilich nicht gäbe. Inzwiſchen war der alte Bauer erwacht. „War Guſtav doe?“ fragte er, ſich mit leeren Augen umſehend. Als er ge¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/32>, abgerufen am 23.11.2024.