zusammen auf einem Gutshofe gelegen, wo der Inspektor be¬ sonders streng war. Wie zu den Mägden kommen? Da hatte Häschke, der nie um ein Mittel verlegen war, die Kühe im Stall losgebunden, daß mitten in der Nacht alles brüllend im Hofe herumlief. Der Inspektor, in seiner Not, holte selbst die Mägde herbei, zum Anbinden des Viehes. Während dessen waren Häschke und Gustav in die Kammer gelangt, hatten sich da gut versteckt. Nun waren sie da, wo sie sein wollten. --
Während Gustav an diesen wohlgelungenen Streich aus einer vergangenen Zeit zurückdachte, stieg ihm gleichzeitig der Ärger auf, daß Häschke es nun versuchte, ihn zu hinter¬ gehen. Das ging doch wirklich zu weit! Der Aufseher beschloß, dem Burschen einmal gründlich auf's Dach zu steigen.
Er wollte nur warten und zusehen, was jener noch weiter angeben werde. Bei der Gelegenheit würde man vielleicht auch herausbekommen, wer die eigentlich sei, der seine Zeichen galten.
Da auf einmal erschien in Gustavs Gesichtsfelde eine neue Gestalt. Gegen die helle Hauswand hob sich ein schmaler Schattenriß ab. Erst sah es aus, als schwebe die Gestalt in der Lust, dann erkannte man, daß sie sich vorsichtig an den Stricken zum Boden hinabließ.
Der Aufseher wollte seinen Augen nicht trauen. Das war . . . . ja, wahrhaftiger Gott! das war: seine eigene Schwester! --
Gustav war so bestürzt, daß er zunächst gar nichts that. Wie festgebannt harrte er auf seinem Platze aus. Ernestine und Häschke! -- War denn das zu glauben! Ernestine, die er kaum als etwas anderes angesehen, als ein Kind. -- Und Häschke! --
Er sah sie behende an der Strickleiter hinabklettern. Jetzt schwebte sie frei über dem Boden, ließ los, der Mann fing sie auf, in seine ausgebreiteten Arme, trug sie ein paar Schritte fort, ehe er sie frei gab. Gustav konnte deutlich ein Kichern von unten vernehmen.
Der Bruder starrte regunglos auf die beiden. Daß er
zuſammen auf einem Gutshofe gelegen, wo der Inſpektor be¬ ſonders ſtreng war. Wie zu den Mägden kommen? Da hatte Häſchke, der nie um ein Mittel verlegen war, die Kühe im Stall losgebunden, daß mitten in der Nacht alles brüllend im Hofe herumlief. Der Inſpektor, in ſeiner Not, holte ſelbſt die Mägde herbei, zum Anbinden des Viehes. Während deſſen waren Häſchke und Guſtav in die Kammer gelangt, hatten ſich da gut verſteckt. Nun waren ſie da, wo ſie ſein wollten. —
Während Guſtav an dieſen wohlgelungenen Streich aus einer vergangenen Zeit zurückdachte, ſtieg ihm gleichzeitig der Ärger auf, daß Häſchke es nun verſuchte, ihn zu hinter¬ gehen. Das ging doch wirklich zu weit! Der Aufſeher beſchloß, dem Burſchen einmal gründlich auf's Dach zu ſteigen.
Er wollte nur warten und zuſehen, was jener noch weiter angeben werde. Bei der Gelegenheit würde man vielleicht auch herausbekommen, wer die eigentlich ſei, der ſeine Zeichen galten.
Da auf einmal erſchien in Guſtavs Geſichtsfelde eine neue Geſtalt. Gegen die helle Hauswand hob ſich ein ſchmaler Schattenriß ab. Erſt ſah es aus, als ſchwebe die Geſtalt in der Luſt, dann erkannte man, daß ſie ſich vorſichtig an den Stricken zum Boden hinabließ.
Der Aufſeher wollte ſeinen Augen nicht trauen. Das war . . . . ja, wahrhaftiger Gott! das war: ſeine eigene Schweſter! —
Guſtav war ſo beſtürzt, daß er zunächſt gar nichts that. Wie feſtgebannt harrte er auf ſeinem Platze aus. Erneſtine und Häſchke! — War denn das zu glauben! Erneſtine, die er kaum als etwas anderes angeſehen, als ein Kind. — Und Häſchke! —
Er ſah ſie behende an der Strickleiter hinabklettern. Jetzt ſchwebte ſie frei über dem Boden, ließ los, der Mann fing ſie auf, in ſeine ausgebreiteten Arme, trug ſie ein paar Schritte fort, ehe er ſie frei gab. Guſtav konnte deutlich ein Kichern von unten vernehmen.
Der Bruder ſtarrte regunglos auf die beiden. Daß er
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zuſammen auf einem Gutshofe gelegen, wo der Inſpektor be¬
ſonders ſtreng war. Wie zu den Mägden kommen? Da hatte
Häſchke, der nie um ein Mittel verlegen war, die Kühe im
Stall losgebunden, daß mitten in der Nacht alles brüllend
im Hofe herumlief. Der Inſpektor, in ſeiner Not, holte
ſelbſt die Mägde herbei, zum Anbinden des Viehes. Während
deſſen waren Häſchke und Guſtav in die Kammer gelangt,
hatten ſich da gut verſteckt. Nun waren ſie da, wo ſie ſein
wollten. —
Während Guſtav an dieſen wohlgelungenen Streich aus
einer vergangenen Zeit zurückdachte, ſtieg ihm gleichzeitig der
Ärger auf, daß Häſchke es nun verſuchte, ihn zu hinter¬
gehen. Das ging doch wirklich zu weit! Der Aufſeher beſchloß,
dem Burſchen einmal gründlich auf's Dach zu ſteigen.
Er wollte nur warten und zuſehen, was jener noch weiter
angeben werde. Bei der Gelegenheit würde man vielleicht auch
herausbekommen, wer die eigentlich ſei, der ſeine Zeichen galten.
Da auf einmal erſchien in Guſtavs Geſichtsfelde eine
neue Geſtalt. Gegen die helle Hauswand hob ſich ein ſchmaler
Schattenriß ab. Erſt ſah es aus, als ſchwebe die Geſtalt
in der Luſt, dann erkannte man, daß ſie ſich vorſichtig an
den Stricken zum Boden hinabließ.
Der Aufſeher wollte ſeinen Augen nicht trauen. Das
war . . . . ja, wahrhaftiger Gott! das war: ſeine eigene
Schweſter! —
Guſtav war ſo beſtürzt, daß er zunächſt gar nichts that.
Wie feſtgebannt harrte er auf ſeinem Platze aus. Erneſtine
und Häſchke! — War denn das zu glauben! Erneſtine, die er
kaum als etwas anderes angeſehen, als ein Kind. — Und
Häſchke! —
Er ſah ſie behende an der Strickleiter hinabklettern. Jetzt
ſchwebte ſie frei über dem Boden, ließ los, der Mann fing ſie
auf, in ſeine ausgebreiteten Arme, trug ſie ein paar Schritte
fort, ehe er ſie frei gab. Guſtav konnte deutlich ein Kichern
von unten vernehmen.
Der Bruder ſtarrte regunglos auf die beiden. Daß er
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/332>, abgerufen am 21.11.2024.
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