Als er nach einigen Stunden die Schenke verließ, war Karl zwölf Mark losgeworden. Er war schwer betrunken, lallte und heulte wie ein Kind. Von zwei Leuten mußte er geführt werden, die ihn bis nach Wörmsbach, vor sein Haus, brachten. Die beiden Führer klopften an die Hausthür, bis Therese den Kopf zum Fenster hinaussteckte und ärgerlich fragte: wer da sei. Die Männer setzten den Besinnungslosen auf die Thürschwelle und entfernten sich schnell. Sie verspürten nicht die geringste Lust nach einem Zusammentreffen mit der bösen Sieben.
Therese schleifte den Betrunkenen in's Zimmer. Sie war außer sich. Nun fing Karl noch an, zu saufen. Das hatte wirklich gefehlt zu allem Unglück!
Sie entkleidete ihn, um ihn in's Bett zu schaffen. Als sie ihm die Beinkleider herunterzog, hörte sie ein Klirren und Klappern. Sie untersuchte die Taschen. Dabei fiel ihr das Geld in die Hände. Sie suchte alles zusammen, legte es auf den Tisch, und zählte: hundert und achtundzwanzig Mark.
Zunächst war Therese erschrocken. Wie kam Karl zu dem Gelde? --
Sie schrie ihn an, er solle ihr antworten. Er hatte nur ein unverständliches Grunzen. Noch einmal zählte sie das Geld durch; es blieb dabei.
Einstweilen mußte sie sich damit beruhigen, bis er nüchtern sein würde.
Ob er's gefunden hatte? -- Daß er es verdient habe, war nicht anzunehmen. Oder war es geschenkt? -- ge¬ borgt? -- oder . . . . . Nein! Das war undenkbar! Anders, als ehrlich, hatte sie ihn nie gekannt.
Auf alle Fälle mußte soviel Geld gut aufgehoben werden! Therese dachte lange nach, über einen sicheren Ort. Dann fiel ihr etwas ein: am Ofen war eine Kachel locker geworden, man konnte sie herausnehmen und wieder hineinsetzen; das hatte sie neulich entdeckt. Dort würde schwerlich jemand suchen. -- Sie stieg auf einen Stuhl, hob die Kachel aus, legte das Geld sorgfältig eingewickelt in das Loch und setzte die Kachel wieder an ihre Stelle.
Als er nach einigen Stunden die Schenke verließ, war Karl zwölf Mark losgeworden. Er war ſchwer betrunken, lallte und heulte wie ein Kind. Von zwei Leuten mußte er geführt werden, die ihn bis nach Wörmsbach, vor ſein Haus, brachten. Die beiden Führer klopften an die Hausthür, bis Thereſe den Kopf zum Fenſter hinausſteckte und ärgerlich fragte: wer da ſei. Die Männer ſetzten den Beſinnungsloſen auf die Thürſchwelle und entfernten ſich ſchnell. Sie verſpürten nicht die geringſte Luſt nach einem Zuſammentreffen mit der böſen Sieben.
Thereſe ſchleifte den Betrunkenen in's Zimmer. Sie war außer ſich. Nun fing Karl noch an, zu ſaufen. Das hatte wirklich gefehlt zu allem Unglück!
Sie entkleidete ihn, um ihn in's Bett zu ſchaffen. Als ſie ihm die Beinkleider herunterzog, hörte ſie ein Klirren und Klappern. Sie unterſuchte die Taſchen. Dabei fiel ihr das Geld in die Hände. Sie ſuchte alles zuſammen, legte es auf den Tiſch, und zählte: hundert und achtundzwanzig Mark.
Zunächſt war Thereſe erſchrocken. Wie kam Karl zu dem Gelde? —
Sie ſchrie ihn an, er ſolle ihr antworten. Er hatte nur ein unverſtändliches Grunzen. Noch einmal zählte ſie das Geld durch; es blieb dabei.
Einſtweilen mußte ſie ſich damit beruhigen, bis er nüchtern ſein würde.
Ob er's gefunden hatte? — Daß er es verdient habe, war nicht anzunehmen. Oder war es geſchenkt? — ge¬ borgt? — oder . . . . . Nein! Das war undenkbar! Anders, als ehrlich, hatte ſie ihn nie gekannt.
Auf alle Fälle mußte ſoviel Geld gut aufgehoben werden! Thereſe dachte lange nach, über einen ſicheren Ort. Dann fiel ihr etwas ein: am Ofen war eine Kachel locker geworden, man konnte ſie herausnehmen und wieder hineinſetzen; das hatte ſie neulich entdeckt. Dort würde ſchwerlich jemand ſuchen. — Sie ſtieg auf einen Stuhl, hob die Kachel aus, legte das Geld ſorgfältig eingewickelt in das Loch und ſetzte die Kachel wieder an ihre Stelle.
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Als er nach einigen Stunden die Schenke verließ, war
Karl zwölf Mark losgeworden. Er war ſchwer betrunken,
lallte und heulte wie ein Kind. Von zwei Leuten mußte er
geführt werden, die ihn bis nach Wörmsbach, vor ſein Haus,
brachten. Die beiden Führer klopften an die Hausthür, bis
Thereſe den Kopf zum Fenſter hinausſteckte und ärgerlich fragte:
wer da ſei. Die Männer ſetzten den Beſinnungsloſen auf die
Thürſchwelle und entfernten ſich ſchnell. Sie verſpürten nicht die
geringſte Luſt nach einem Zuſammentreffen mit der böſen Sieben.
Thereſe ſchleifte den Betrunkenen in's Zimmer. Sie war
außer ſich. Nun fing Karl noch an, zu ſaufen. Das hatte
wirklich gefehlt zu allem Unglück!
Sie entkleidete ihn, um ihn in's Bett zu ſchaffen. Als
ſie ihm die Beinkleider herunterzog, hörte ſie ein Klirren und
Klappern. Sie unterſuchte die Taſchen. Dabei fiel ihr das
Geld in die Hände. Sie ſuchte alles zuſammen, legte es auf
den Tiſch, und zählte: hundert und achtundzwanzig Mark.
Zunächſt war Thereſe erſchrocken. Wie kam Karl zu
dem Gelde? —
Sie ſchrie ihn an, er ſolle ihr antworten. Er hatte nur
ein unverſtändliches Grunzen. Noch einmal zählte ſie das
Geld durch; es blieb dabei.
Einſtweilen mußte ſie ſich damit beruhigen, bis er nüchtern
ſein würde.
Ob er's gefunden hatte? — Daß er es verdient habe,
war nicht anzunehmen. Oder war es geſchenkt? — ge¬
borgt? — oder . . . . . Nein! Das war undenkbar! Anders,
als ehrlich, hatte ſie ihn nie gekannt.
Auf alle Fälle mußte ſoviel Geld gut aufgehoben werden!
Thereſe dachte lange nach, über einen ſicheren Ort. Dann
fiel ihr etwas ein: am Ofen war eine Kachel locker geworden,
man konnte ſie herausnehmen und wieder hineinſetzen; das
hatte ſie neulich entdeckt. Dort würde ſchwerlich jemand
ſuchen. — Sie ſtieg auf einen Stuhl, hob die Kachel aus,
legte das Geld ſorgfältig eingewickelt in das Loch und ſetzte
die Kachel wieder an ihre Stelle.
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/360>, abgerufen am 23.11.2024.
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