Die Ziegelei wuchs und dehnte sich aus. Jetzt hatten sie ein neues Lehmlager entdeckt, das noch besseres Material enthalten sollte, als das erste. Dort wurde abgegraben. Herr Berger, der neue Besitzer, ließ einen Schienenstrang von der Grube nach der Ziegelei legen.
Das ganze Gut ward verbitzelt. Die großen Schläge, einst¬ mals des alten Bauern Stolz und Freude, waren in lauter schmale Streifen zerteilt, auf denen kleine Wirte ihre vier, fünf verschiedenen Früchte bauten.
Auch im Walde gab es Veränderungen. Schon im Herbste hatte der gräfliche Oberförster Kahlschlag machen und Hügel zur Kultur auswerfen lassen. Kaum war der Schnee gewichen, wurde mit der Anpflanzung begonnen.
Der alte Mann haßte all das Neue, das vor seinen Augen entstand. Es lag so etwas Aufdringliches, Vorwitziges in dem, was diese jungen Leute anstellten.
Vierzig Jahre hatte er nach der Väter Weise gewirt¬ schaftet, und nun über Nacht, plötzlich, ward alles umgestürzt, das Oberste zu unterst gelehrt, seine Arbeit verwüstet, als sei sie nichts wert.
Sein Lebenswerk wurde für nichts geachtet. Die Spuren seiner Thätigkeit waren ausgewischt. Das, was jeder Mensch als mächtigsten Trieb und Sporn zum Handeln iu sich trägt, der eigentliche Erreger alles menschlichen Strebens und Schaffens, das Verlangen nach irdischer Unsterblichkeit, der Wunsch, in seinen Werken das ewige Leben zu haben -- dieses Denkmal, das jeder Tüchtige sich zu errichten strebt, damit Kinder und Kindeskinder seiner gedenken, auf daß sein Wesen und Wollen nicht von der Vergessenheit Nacht verschlungen werde -- dieser Abdruck seiner Persönlichkeit, der in diesem Grundstück: Haus, Hof, Feldern, Wiesen und Wald, eingeschlossen lag, war zerstört; fremde Hände hatten in wenigen Monaten das zur Unkenntlichkeit verändert, was er und seine Vorfahren im Laufe eines Zeitraumes, der nach Generationen gerechnet wer¬ den mußte, in Treue und Liebe und Frömmigkeit aufgerichtet hatten.
Die Ziegelei wuchs und dehnte ſich aus. Jetzt hatten ſie ein neues Lehmlager entdeckt, das noch beſſeres Material enthalten ſollte, als das erſte. Dort wurde abgegraben. Herr Berger, der neue Beſitzer, ließ einen Schienenſtrang von der Grube nach der Ziegelei legen.
Das ganze Gut ward verbitzelt. Die großen Schläge, einſt¬ mals des alten Bauern Stolz und Freude, waren in lauter ſchmale Streifen zerteilt, auf denen kleine Wirte ihre vier, fünf verſchiedenen Früchte bauten.
Auch im Walde gab es Veränderungen. Schon im Herbſte hatte der gräfliche Oberförſter Kahlſchlag machen und Hügel zur Kultur auswerfen laſſen. Kaum war der Schnee gewichen, wurde mit der Anpflanzung begonnen.
Der alte Mann haßte all das Neue, das vor ſeinen Augen entſtand. Es lag ſo etwas Aufdringliches, Vorwitziges in dem, was dieſe jungen Leute anſtellten.
Vierzig Jahre hatte er nach der Väter Weiſe gewirt¬ ſchaftet, und nun über Nacht, plötzlich, ward alles umgeſtürzt, das Oberſte zu unterſt gelehrt, ſeine Arbeit verwüſtet, als ſei ſie nichts wert.
Sein Lebenswerk wurde für nichts geachtet. Die Spuren ſeiner Thätigkeit waren ausgewiſcht. Das, was jeder Menſch als mächtigſten Trieb und Sporn zum Handeln iu ſich trägt, der eigentliche Erreger alles menſchlichen Strebens und Schaffens, das Verlangen nach irdiſcher Unſterblichkeit, der Wunſch, in ſeinen Werken das ewige Leben zu haben — dieſes Denkmal, das jeder Tüchtige ſich zu errichten ſtrebt, damit Kinder und Kindeskinder ſeiner gedenken, auf daß ſein Weſen und Wollen nicht von der Vergeſſenheit Nacht verſchlungen werde — dieſer Abdruck ſeiner Perſönlichkeit, der in dieſem Grundſtück: Haus, Hof, Feldern, Wieſen und Wald, eingeſchloſſen lag, war zerſtört; fremde Hände hatten in wenigen Monaten das zur Unkenntlichkeit verändert, was er und ſeine Vorfahren im Laufe eines Zeitraumes, der nach Generationen gerechnet wer¬ den mußte, in Treue und Liebe und Frömmigkeit aufgerichtet hatten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0425"n="411"/><p>Die Ziegelei wuchs und dehnte ſich aus. Jetzt hatten<lb/>ſie ein neues Lehmlager entdeckt, das noch beſſeres Material<lb/>
enthalten ſollte, als das erſte. Dort wurde abgegraben. Herr<lb/>
Berger, der neue Beſitzer, ließ einen Schienenſtrang von der<lb/>
Grube nach der Ziegelei legen.</p><lb/><p>Das ganze Gut ward verbitzelt. Die großen Schläge, einſt¬<lb/>
mals des alten Bauern Stolz und Freude, waren in lauter<lb/>ſchmale Streifen zerteilt, auf denen kleine Wirte ihre vier,<lb/>
fünf verſchiedenen Früchte bauten.</p><lb/><p>Auch im Walde gab es Veränderungen. Schon im Herbſte<lb/>
hatte der gräfliche Oberförſter Kahlſchlag machen und Hügel<lb/>
zur Kultur auswerfen laſſen. Kaum war der Schnee gewichen,<lb/>
wurde mit der Anpflanzung begonnen.</p><lb/><p>Der alte Mann haßte all das Neue, das vor ſeinen<lb/>
Augen entſtand. Es lag ſo etwas Aufdringliches, Vorwitziges<lb/>
in dem, was dieſe jungen Leute anſtellten.</p><lb/><p>Vierzig Jahre hatte er nach der Väter Weiſe gewirt¬<lb/>ſchaftet, und nun über Nacht, plötzlich, ward alles umgeſtürzt,<lb/>
das Oberſte zu unterſt gelehrt, ſeine Arbeit verwüſtet, als ſei<lb/>ſie nichts wert.</p><lb/><p>Sein Lebenswerk wurde für nichts geachtet. Die Spuren<lb/>ſeiner Thätigkeit waren ausgewiſcht. Das, was jeder Menſch<lb/>
als mächtigſten Trieb und Sporn zum Handeln iu ſich trägt,<lb/>
der eigentliche Erreger alles menſchlichen Strebens und Schaffens,<lb/>
das Verlangen nach irdiſcher Unſterblichkeit, der Wunſch, in<lb/>ſeinen Werken das ewige Leben zu haben — dieſes Denkmal,<lb/>
das jeder Tüchtige ſich zu errichten ſtrebt, damit Kinder und<lb/>
Kindeskinder ſeiner gedenken, auf daß ſein Weſen und Wollen<lb/>
nicht von der Vergeſſenheit Nacht verſchlungen werde —<lb/>
dieſer Abdruck ſeiner Perſönlichkeit, der in dieſem Grundſtück:<lb/>
Haus, Hof, Feldern, Wieſen und Wald, eingeſchloſſen lag, war<lb/>
zerſtört; fremde Hände hatten in wenigen Monaten das zur<lb/>
Unkenntlichkeit verändert, was er und ſeine Vorfahren im<lb/>
Laufe eines Zeitraumes, der nach Generationen gerechnet wer¬<lb/>
den mußte, in Treue und Liebe und Frömmigkeit aufgerichtet<lb/>
hatten.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[411/0425]
Die Ziegelei wuchs und dehnte ſich aus. Jetzt hatten
ſie ein neues Lehmlager entdeckt, das noch beſſeres Material
enthalten ſollte, als das erſte. Dort wurde abgegraben. Herr
Berger, der neue Beſitzer, ließ einen Schienenſtrang von der
Grube nach der Ziegelei legen.
Das ganze Gut ward verbitzelt. Die großen Schläge, einſt¬
mals des alten Bauern Stolz und Freude, waren in lauter
ſchmale Streifen zerteilt, auf denen kleine Wirte ihre vier,
fünf verſchiedenen Früchte bauten.
Auch im Walde gab es Veränderungen. Schon im Herbſte
hatte der gräfliche Oberförſter Kahlſchlag machen und Hügel
zur Kultur auswerfen laſſen. Kaum war der Schnee gewichen,
wurde mit der Anpflanzung begonnen.
Der alte Mann haßte all das Neue, das vor ſeinen
Augen entſtand. Es lag ſo etwas Aufdringliches, Vorwitziges
in dem, was dieſe jungen Leute anſtellten.
Vierzig Jahre hatte er nach der Väter Weiſe gewirt¬
ſchaftet, und nun über Nacht, plötzlich, ward alles umgeſtürzt,
das Oberſte zu unterſt gelehrt, ſeine Arbeit verwüſtet, als ſei
ſie nichts wert.
Sein Lebenswerk wurde für nichts geachtet. Die Spuren
ſeiner Thätigkeit waren ausgewiſcht. Das, was jeder Menſch
als mächtigſten Trieb und Sporn zum Handeln iu ſich trägt,
der eigentliche Erreger alles menſchlichen Strebens und Schaffens,
das Verlangen nach irdiſcher Unſterblichkeit, der Wunſch, in
ſeinen Werken das ewige Leben zu haben — dieſes Denkmal,
das jeder Tüchtige ſich zu errichten ſtrebt, damit Kinder und
Kindeskinder ſeiner gedenken, auf daß ſein Weſen und Wollen
nicht von der Vergeſſenheit Nacht verſchlungen werde —
dieſer Abdruck ſeiner Perſönlichkeit, der in dieſem Grundſtück:
Haus, Hof, Feldern, Wieſen und Wald, eingeſchloſſen lag, war
zerſtört; fremde Hände hatten in wenigen Monaten das zur
Unkenntlichkeit verändert, was er und ſeine Vorfahren im
Laufe eines Zeitraumes, der nach Generationen gerechnet wer¬
den mußte, in Treue und Liebe und Frömmigkeit aufgerichtet
hatten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/425>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.