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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Ein Plan war in Gustav gereift: er wollte den Vater
auffordern, mit ihnen in die Stadt zu ziehen.

Gustav war sich nicht im Unklaren, was er damit
auf sich nehme. Es würde nichts Leichtes sein für alle
Teile; der alte Mann war schwierig, würde kein bequemer
Hausgast sein. Besonders in der Stadt war das nichts Kleines,
wo man enge aufeinander saß, wo alle die mannigfaltigen
Abziehungen des ländlichen Berufes fehlten.

Aber es mußte sein! Pauline sowohl, wie Gustav, waren
sich klar darüber, daß sie den Vater nicht in seinem Elend
allein lassen durften. Was sollte aus ihm werden in Hal¬
benau, wenn sie nun auch fortgingen? Wenn es niemanden
mehr gab, der sich um die Notdurft des Alten kümmerte!
Das Armenhaus war der wahrscheinliche Abschluß.

Eine solche Schande wollte man nicht auf sich laden. Der
Familiensinn, der bei Gustav nicht völlig untergegangen war,
sprach mit. Soweit war es mit den Büttners doch noch nicht
gekommen, daß man das Familienoberhaupt hätte in Schmutz
und Armut verkommen lassen mögen, ohne eine Hand zu
rühren. Die Leute würden mit Fingern auf solch' unnatürliche
Kinder gewiesen haben. Diese Schmach wollte Gustav seinem
Namen nicht anthun.

Als sie jedoch mit dem Vater davon sprachen, stießen sie
auf Widerstand. Er wolle nicht in die Stadt, erklärte er.

Sie hielten ihm vor, was seiner in Zukunft in Halbenau
warte: das Einliegerelend, die Abhängigkeit von wildfremden
Menschen, die ihn als ihren Knecht behandeln und ihm, wenn
es ihnen paßte, den Stuhl vor die Thür setzen würden. Und
was, wenn er krank würde! Wer würde ihn pflegen?

All das hielten sie ihm vor. Ob es Eindruck auf ihn
mache, oder nicht, war nicht zu ersehen. Er sagte nicht: ja und
nicht: nein, trug seine gewöhnliche mürrisch verschlossene Miene
zur Schau.

Gustav machte einen Versuch, ihn beim Ehrgefühl zu
packen. Sollte er sich bei seinen Jahren noch als Tagelöhner
verdingen? Wollte er wirklich in die Ziegelei gehen auf

Ein Plan war in Guſtav gereift: er wollte den Vater
auffordern, mit ihnen in die Stadt zu ziehen.

Guſtav war ſich nicht im Unklaren, was er damit
auf ſich nehme. Es würde nichts Leichtes ſein für alle
Teile; der alte Mann war ſchwierig, würde kein bequemer
Hausgaſt ſein. Beſonders in der Stadt war das nichts Kleines,
wo man enge aufeinander ſaß, wo alle die mannigfaltigen
Abziehungen des ländlichen Berufes fehlten.

Aber es mußte ſein! Pauline ſowohl, wie Guſtav, waren
ſich klar darüber, daß ſie den Vater nicht in ſeinem Elend
allein laſſen durften. Was ſollte aus ihm werden in Hal¬
benau, wenn ſie nun auch fortgingen? Wenn es niemanden
mehr gab, der ſich um die Notdurft des Alten kümmerte!
Das Armenhaus war der wahrſcheinliche Abſchluß.

Eine ſolche Schande wollte man nicht auf ſich laden. Der
Familienſinn, der bei Guſtav nicht völlig untergegangen war,
ſprach mit. Soweit war es mit den Büttners doch noch nicht
gekommen, daß man das Familienoberhaupt hätte in Schmutz
und Armut verkommen laſſen mögen, ohne eine Hand zu
rühren. Die Leute würden mit Fingern auf ſolch' unnatürliche
Kinder gewieſen haben. Dieſe Schmach wollte Guſtav ſeinem
Namen nicht anthun.

Als ſie jedoch mit dem Vater davon ſprachen, ſtießen ſie
auf Widerſtand. Er wolle nicht in die Stadt, erklärte er.

Sie hielten ihm vor, was ſeiner in Zukunft in Halbenau
warte: das Einliegerelend, die Abhängigkeit von wildfremden
Menſchen, die ihn als ihren Knecht behandeln und ihm, wenn
es ihnen paßte, den Stuhl vor die Thür ſetzen würden. Und
was, wenn er krank würde! Wer würde ihn pflegen?

All das hielten ſie ihm vor. Ob es Eindruck auf ihn
mache, oder nicht, war nicht zu erſehen. Er ſagte nicht: ja und
nicht: nein, trug ſeine gewöhnliche mürriſch verſchloſſene Miene
zur Schau.

Guſtav machte einen Verſuch, ihn beim Ehrgefühl zu
packen. Sollte er ſich bei ſeinen Jahren noch als Tagelöhner
verdingen? Wollte er wirklich in die Ziegelei gehen auf

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[415/0429] Ein Plan war in Guſtav gereift: er wollte den Vater auffordern, mit ihnen in die Stadt zu ziehen. Guſtav war ſich nicht im Unklaren, was er damit auf ſich nehme. Es würde nichts Leichtes ſein für alle Teile; der alte Mann war ſchwierig, würde kein bequemer Hausgaſt ſein. Beſonders in der Stadt war das nichts Kleines, wo man enge aufeinander ſaß, wo alle die mannigfaltigen Abziehungen des ländlichen Berufes fehlten. Aber es mußte ſein! Pauline ſowohl, wie Guſtav, waren ſich klar darüber, daß ſie den Vater nicht in ſeinem Elend allein laſſen durften. Was ſollte aus ihm werden in Hal¬ benau, wenn ſie nun auch fortgingen? Wenn es niemanden mehr gab, der ſich um die Notdurft des Alten kümmerte! Das Armenhaus war der wahrſcheinliche Abſchluß. Eine ſolche Schande wollte man nicht auf ſich laden. Der Familienſinn, der bei Guſtav nicht völlig untergegangen war, ſprach mit. Soweit war es mit den Büttners doch noch nicht gekommen, daß man das Familienoberhaupt hätte in Schmutz und Armut verkommen laſſen mögen, ohne eine Hand zu rühren. Die Leute würden mit Fingern auf ſolch' unnatürliche Kinder gewieſen haben. Dieſe Schmach wollte Guſtav ſeinem Namen nicht anthun. Als ſie jedoch mit dem Vater davon ſprachen, ſtießen ſie auf Widerſtand. Er wolle nicht in die Stadt, erklärte er. Sie hielten ihm vor, was ſeiner in Zukunft in Halbenau warte: das Einliegerelend, die Abhängigkeit von wildfremden Menſchen, die ihn als ihren Knecht behandeln und ihm, wenn es ihnen paßte, den Stuhl vor die Thür ſetzen würden. Und was, wenn er krank würde! Wer würde ihn pflegen? All das hielten ſie ihm vor. Ob es Eindruck auf ihn mache, oder nicht, war nicht zu erſehen. Er ſagte nicht: ja und nicht: nein, trug ſeine gewöhnliche mürriſch verſchloſſene Miene zur Schau. Guſtav machte einen Verſuch, ihn beim Ehrgefühl zu packen. Sollte er ſich bei ſeinen Jahren noch als Tagelöhner verdingen? Wollte er wirklich in die Ziegelei gehen auf

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/429>, abgerufen am 24.11.2024.