Gustav, der in der Stadt seinen Geschmack gebildet hatte, belächelte die Schwester. Heute Abend sei Tanz im Kretscham berichtete Toni dem Bruder. Sie hoffte, daß er sie dahin begleiten würde, darum hatte sie sich auch so besonders heraus¬ geputzt, um vor seinem verwöhnten Auge zu bestehen. -- Der alte Bauer, der allen Putz und unnützen Tand nicht leiden mochte, brummte etwas von "Pfingstuchse"! Aber, die Bäuerin nahm die Tochter in Schutz. Am Sonntage wolle solch ein Mädel auch einmal einen Spaß haben, wenn sie sich Wochentags abgerackert habe im Stalle, Hause und auf dem Felde.
Das Abendbrot wurde zeitiger anberaumt, damit die Kinder nichts von dem Vergnügen versäumen sollten.
Gustav begleitete die Schwester zum Kretscham. Unter¬ wegs erzählte ihm Toni, daß Ottilie, die Tochter Kaschelernsts, des Kretschamwirtes, in den letzten Tagen wiederholt und zuletzt heute früh in der Kirche, gefragt habe, ob Gustav nicht zum Tanze in den Kretscham kommen werde. Der Unter¬ offizier konnte sich eines Lachens nicht enthalten, sobald er nur die Kousine erwähnen hörte. Ottilie Kaschel war um einige Jahre älter als er, aber, als die Tochter Kaschelernsts, wohl die beste Partie von Halbenau. Gustav hatte sich in früheren Zeiten gelegentlich sein Späßchen mit ihr erlaubt; er wußte ganz gut, daß sie ihn gern mochte, aber der Gedanke an ihre Erscheinung machte ihn lachen. Sie hatten ein Pferd bei der Schwadron, einen alten Schimmel: die "Harmonika", dürr, überbaut, mit Senkrücken; an den erinnerte ihn seine Kousine Ottilie.
Gustav ließ die Schwester allein in den Kretscham treten. Er sagte, er werde nachkommen. Oben im Saale glänzten schon die Fenster, das Schmettern der Blechmusik, untermischt mit dem dumpfen Stampfen und Schleifen der Tänzer, drang auf die Straße hinaus.
Gustav lockte das nicht; ihn erwarteten heute Abend ganz andere Freuden.
Auf Seitenpfaden, zwischen Gärten und Häusern hin,
Guſtav, der in der Stadt ſeinen Geſchmack gebildet hatte, belächelte die Schweſter. Heute Abend ſei Tanz im Kretſcham berichtete Toni dem Bruder. Sie hoffte, daß er ſie dahin begleiten würde, darum hatte ſie ſich auch ſo beſonders heraus¬ geputzt, um vor ſeinem verwöhnten Auge zu beſtehen. — Der alte Bauer, der allen Putz und unnützen Tand nicht leiden mochte, brummte etwas von „Pfingſtuchſe“! Aber, die Bäuerin nahm die Tochter in Schutz. Am Sonntage wolle ſolch ein Mädel auch einmal einen Spaß haben, wenn ſie ſich Wochentags abgerackert habe im Stalle, Hauſe und auf dem Felde.
Das Abendbrot wurde zeitiger anberaumt, damit die Kinder nichts von dem Vergnügen verſäumen ſollten.
Guſtav begleitete die Schweſter zum Kretſcham. Unter¬ wegs erzählte ihm Toni, daß Ottilie, die Tochter Kaſchelernſts, des Kretſchamwirtes, in den letzten Tagen wiederholt und zuletzt heute früh in der Kirche, gefragt habe, ob Guſtav nicht zum Tanze in den Kretſcham kommen werde. Der Unter¬ offizier konnte ſich eines Lachens nicht enthalten, ſobald er nur die Kouſine erwähnen hörte. Ottilie Kaſchel war um einige Jahre älter als er, aber, als die Tochter Kaſchelernſts, wohl die beſte Partie von Halbenau. Guſtav hatte ſich in früheren Zeiten gelegentlich ſein Späßchen mit ihr erlaubt; er wußte ganz gut, daß ſie ihn gern mochte, aber der Gedanke an ihre Erſcheinung machte ihn lachen. Sie hatten ein Pferd bei der Schwadron, einen alten Schimmel: die „Harmonika“, dürr, überbaut, mit Senkrücken; an den erinnerte ihn ſeine Kouſine Ottilie.
Guſtav ließ die Schweſter allein in den Kretſcham treten. Er ſagte, er werde nachkommen. Oben im Saale glänzten ſchon die Fenſter, das Schmettern der Blechmuſik, untermiſcht mit dem dumpfen Stampfen und Schleifen der Tänzer, drang auf die Straße hinaus.
Guſtav lockte das nicht; ihn erwarteten heute Abend ganz andere Freuden.
Auf Seitenpfaden, zwiſchen Gärten und Häuſern hin,
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Guſtav, der in der Stadt ſeinen Geſchmack gebildet hatte,
belächelte die Schweſter. Heute Abend ſei Tanz im Kretſcham
berichtete Toni dem Bruder. Sie hoffte, daß er ſie dahin
begleiten würde, darum hatte ſie ſich auch ſo beſonders heraus¬
geputzt, um vor ſeinem verwöhnten Auge zu beſtehen. — Der
alte Bauer, der allen Putz und unnützen Tand nicht leiden
mochte, brummte etwas von „Pfingſtuchſe“! Aber, die Bäuerin
nahm die Tochter in Schutz. Am Sonntage wolle ſolch
ein Mädel auch einmal einen Spaß haben, wenn ſie ſich
Wochentags abgerackert habe im Stalle, Hauſe und auf dem
Felde.
Das Abendbrot wurde zeitiger anberaumt, damit die
Kinder nichts von dem Vergnügen verſäumen ſollten.
Guſtav begleitete die Schweſter zum Kretſcham. Unter¬
wegs erzählte ihm Toni, daß Ottilie, die Tochter Kaſchelernſts,
des Kretſchamwirtes, in den letzten Tagen wiederholt und
zuletzt heute früh in der Kirche, gefragt habe, ob Guſtav nicht
zum Tanze in den Kretſcham kommen werde. Der Unter¬
offizier konnte ſich eines Lachens nicht enthalten, ſobald er nur
die Kouſine erwähnen hörte. Ottilie Kaſchel war um einige
Jahre älter als er, aber, als die Tochter Kaſchelernſts, wohl
die beſte Partie von Halbenau. Guſtav hatte ſich in früheren
Zeiten gelegentlich ſein Späßchen mit ihr erlaubt; er wußte
ganz gut, daß ſie ihn gern mochte, aber der Gedanke an ihre
Erſcheinung machte ihn lachen. Sie hatten ein Pferd bei der
Schwadron, einen alten Schimmel: die „Harmonika“, dürr,
überbaut, mit Senkrücken; an den erinnerte ihn ſeine Kouſine
Ottilie.
Guſtav ließ die Schweſter allein in den Kretſcham treten.
Er ſagte, er werde nachkommen. Oben im Saale glänzten
ſchon die Fenſter, das Schmettern der Blechmuſik, untermiſcht
mit dem dumpfen Stampfen und Schleifen der Tänzer, drang
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Guſtav lockte das nicht; ihn erwarteten heute Abend ganz
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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