übrigen suchten, ein trockener Humor. So findet er sich mit seinem etwas heikeln Thema vortrefflich ab, und die einzelnen Gestalten der Erzählung sind getreu nach der Wirklichkeit bezeichnet. "Die Versuchung" kommt über den ehrenwerten Studiosus der Theologie Weikert in Gestalt einer liebenswürdigen Berliner Konfektioneuse Emmy, und er hält derselben -- nicht Stand. Köstlich sind nun die Seelenkämpfe des Armen geschildert. (Inhalt.) . . . . . Auch die Nebenfiguren der Erzählung, der burschikose Mediziner Kritzel, der Konsistorialrat Böhme, die Berliner Studentenwirtin, sind sehr geschickt gezeichnet.
Freie Bühne: Es ist eine der vorläufig äußerst seltenen und deshalb hochwillkommenen Proben realistischer Behandlung, die eines wohlwollenden Humors nicht entbehren. Ein trefflich gezeichneter, kreuzbraver Student der Theologie vom Lande knüpft im Sündenbabel der Großstadt ein kleines Verhältnis an. Die Geschichte hätte frivol werden können, die Klippe ist vermieden durch die feine, lächelnde Satire, die unablässig im höchsten Grade belustigende und doch feine Seitenhiebe gegen unsere konventionelle Moralphrase führt. Die eingestreuten kleinen Bilder aus dem Leben der Großstadt sind ungewöhnlich scharf gefaßt, man fühlt eine Kraft, die zweifellos bald Bedeutendes leisten wird, die stark ist und fein, voll Mut und doch besonnen durch die gute Schule sorgfältiger Selbst- und Weltbeobachtung.
Das Magazin für Litteratur: Wilhelm von Polenz be¬ kundet in der "Versuchung" ein ernst-strebendes Talent, das scharf zu beobachten und fein zu charakterisieren versteht. Polenz weiß im Gegensatz zu so manchem seiner Kollegen den Standpunkt und die Tonart des modern gebildeten Schriftstellers zu wahren.
Breslauer Zeitung: Das Bemerkenswerte an dem Buche scheint mir zu sein, daß ein dem Naturalismus bisher nur zu fremdes Kunstmittel nicht als gelegentliche Begleiterscheinung, sondern als kennzeichnendes Moment in die Erscheinung tritt: der Humor. Der Humor des Herrn von Polenz ist ein trockener, so¬ zusagen ein sachlicher Humor, der einen spezifisch ostdeutschen Charakter zu tragen scheint. Bei unserm Künstler hat man von Anfang an das frohe Gefühl, einen sicheren und überlegenen Führer vor sich zu haben, der die selbst aufgeworfenen Kontraste auszugleichen verstehen wird. Er verzerrt nicht, er spöttelt nicht: er stellt einfach wahrhaft dar. Welch' eine Kluft zwischen dem reuevoll über seinen Sündenfall brütenden Theologen und dem unbekümmert weiter flatternden Mädchen! Gestaltet sich dieser schroffe Kontrast schließlich versöhnend und im Sinne des Humors aus, so liegt das an dem Verhältnis des Verfassers zu den be¬ rührten Gedanken, die er vermocht hat, innerlich zu überwinden und zu höheren, freieren Standpunkten in sich zu erheben. Darum kommt er auch zu einem weiteren Fortschritt in Bezug auf die Behandlung des Sexuellen. Weil hier weder ein Vergnügen an diesen Dingen, noch eine Berechnung auf die Lüsternheit des Lesers vorliegt, so wird endlich wieder das Selbstverständliche und Natürliche bei aller Ehrlichkeit selbstverständlich und natürlich ge¬ sagt, und man hat wieder das Gefühl des Vornehmen, Freien, des Beherrschens der Dinge.
übrigen ſuchten, ein trockener Humor. So findet er ſich mit ſeinem etwas heikeln Thema vortrefflich ab, und die einzelnen Geſtalten der Erzählung ſind getreu nach der Wirklichkeit bezeichnet. „Die Verſuchung“ kommt über den ehrenwerten Studioſus der Theologie Weikert in Geſtalt einer liebenswürdigen Berliner Konfektioneuſe Emmy, und er hält derſelben — nicht Stand. Köſtlich ſind nun die Seelenkämpfe des Armen geſchildert. (Inhalt.) . . . . . Auch die Nebenfiguren der Erzählung, der burſchikoſe Mediziner Kritzel, der Konſiſtorialrat Böhme, die Berliner Studentenwirtin, ſind ſehr geſchickt gezeichnet.
Freie Bühne: Es iſt eine der vorläufig äußerſt ſeltenen und deshalb hochwillkommenen Proben realiſtiſcher Behandlung, die eines wohlwollenden Humors nicht entbehren. Ein trefflich gezeichneter, kreuzbraver Student der Theologie vom Lande knüpft im Sündenbabel der Großſtadt ein kleines Verhältnis an. Die Geſchichte hätte frivol werden können, die Klippe iſt vermieden durch die feine, lächelnde Satire, die unabläſſig im höchſten Grade beluſtigende und doch feine Seitenhiebe gegen unſere konventionelle Moralphraſe führt. Die eingeſtreuten kleinen Bilder aus dem Leben der Großſtadt ſind ungewöhnlich ſcharf gefaßt, man fühlt eine Kraft, die zweifellos bald Bedeutendes leiſten wird, die ſtark iſt und fein, voll Mut und doch beſonnen durch die gute Schule ſorgfältiger Selbſt- und Weltbeobachtung.
Das Magazin für Litteratur: Wilhelm von Polenz be¬ kundet in der „Verſuchung“ ein ernſt-ſtrebendes Talent, das ſcharf zu beobachten und fein zu charakteriſieren verſteht. Polenz weiß im Gegenſatz zu ſo manchem ſeiner Kollegen den Standpunkt und die Tonart des modern gebildeten Schriftſtellers zu wahren.
Breslauer Zeitung: Das Bemerkenswerte an dem Buche ſcheint mir zu ſein, daß ein dem Naturalismus bisher nur zu fremdes Kunſtmittel nicht als gelegentliche Begleiterſcheinung, ſondern als kennzeichnendes Moment in die Erſcheinung tritt: der Humor. Der Humor des Herrn von Polenz iſt ein trockener, ſo¬ zuſagen ein ſachlicher Humor, der einen ſpezifiſch oſtdeutſchen Charakter zu tragen ſcheint. Bei unſerm Künſtler hat man von Anfang an das frohe Gefühl, einen ſicheren und überlegenen Führer vor ſich zu haben, der die ſelbſt aufgeworfenen Kontraſte auszugleichen verſtehen wird. Er verzerrt nicht, er ſpöttelt nicht: er ſtellt einfach wahrhaft dar. Welch' eine Kluft zwiſchen dem reuevoll über ſeinen Sündenfall brütenden Theologen und dem unbekümmert weiter flatternden Mädchen! Geſtaltet ſich dieſer ſchroffe Kontraſt ſchließlich verſöhnend und im Sinne des Humors aus, ſo liegt das an dem Verhältnis des Verfaſſers zu den be¬ rührten Gedanken, die er vermocht hat, innerlich zu überwinden und zu höheren, freieren Standpunkten in ſich zu erheben. Darum kommt er auch zu einem weiteren Fortſchritt in Bezug auf die Behandlung des Sexuellen. Weil hier weder ein Vergnügen an dieſen Dingen, noch eine Berechnung auf die Lüſternheit des Leſers vorliegt, ſo wird endlich wieder das Selbſtverſtändliche und Natürliche bei aller Ehrlichkeit ſelbſtverſtändlich und natürlich ge¬ ſagt, und man hat wieder das Gefühl des Vornehmen, Freien, des Beherrſchens der Dinge.
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etwas heikeln Thema vortrefflich ab, und die einzelnen Geſtalten
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Verſuchung“ kommt über den ehrenwerten Studioſus der Theologie
Weikert in Geſtalt einer liebenswürdigen Berliner Konfektioneuſe
Emmy, und er hält derſelben — nicht Stand. Köſtlich ſind nun
die Seelenkämpfe des Armen geſchildert. (Inhalt.) . . . . . Auch
die Nebenfiguren der Erzählung, der burſchikoſe Mediziner Kritzel,
der Konſiſtorialrat Böhme, die Berliner Studentenwirtin, ſind ſehr
geſchickt gezeichnet.
Freie Bühne: Es iſt eine der vorläufig äußerſt ſeltenen
und deshalb hochwillkommenen Proben realiſtiſcher Behandlung,
die eines wohlwollenden Humors nicht entbehren. Ein trefflich
gezeichneter, kreuzbraver Student der Theologie vom Lande knüpft
im Sündenbabel der Großſtadt ein kleines Verhältnis an. Die
Geſchichte hätte frivol werden können, die Klippe iſt vermieden
durch die feine, lächelnde Satire, die unabläſſig im höchſten Grade
beluſtigende und doch feine Seitenhiebe gegen unſere konventionelle
Moralphraſe führt. Die eingeſtreuten kleinen Bilder aus dem
Leben der Großſtadt ſind ungewöhnlich ſcharf gefaßt, man fühlt
eine Kraft, die zweifellos bald Bedeutendes leiſten wird, die ſtark
iſt und fein, voll Mut und doch beſonnen durch die gute Schule
ſorgfältiger Selbſt- und Weltbeobachtung.
Das Magazin für Litteratur: Wilhelm von Polenz be¬
kundet in der „Verſuchung“ ein ernſt-ſtrebendes Talent, das ſcharf
zu beobachten und fein zu charakteriſieren verſteht. Polenz weiß
im Gegenſatz zu ſo manchem ſeiner Kollegen den Standpunkt und
die Tonart des modern gebildeten Schriftſtellers zu wahren.
Breslauer Zeitung: Das Bemerkenswerte an dem Buche
ſcheint mir zu ſein, daß ein dem Naturalismus bisher nur zu
fremdes Kunſtmittel nicht als gelegentliche Begleiterſcheinung,
ſondern als kennzeichnendes Moment in die Erſcheinung tritt: der
Humor. Der Humor des Herrn von Polenz iſt ein trockener, ſo¬
zuſagen ein ſachlicher Humor, der einen ſpezifiſch oſtdeutſchen
Charakter zu tragen ſcheint. Bei unſerm Künſtler hat man von
Anfang an das frohe Gefühl, einen ſicheren und überlegenen
Führer vor ſich zu haben, der die ſelbſt aufgeworfenen Kontraſte
auszugleichen verſtehen wird. Er verzerrt nicht, er ſpöttelt nicht:
er ſtellt einfach wahrhaft dar. Welch' eine Kluft zwiſchen dem
reuevoll über ſeinen Sündenfall brütenden Theologen und dem
unbekümmert weiter flatternden Mädchen! Geſtaltet ſich dieſer
ſchroffe Kontraſt ſchließlich verſöhnend und im Sinne des Humors
aus, ſo liegt das an dem Verhältnis des Verfaſſers zu den be¬
rührten Gedanken, die er vermocht hat, innerlich zu überwinden
und zu höheren, freieren Standpunkten in ſich zu erheben. Darum
kommt er auch zu einem weiteren Fortſchritt in Bezug auf die
Behandlung des Sexuellen. Weil hier weder ein Vergnügen an
dieſen Dingen, noch eine Berechnung auf die Lüſternheit des
Leſers vorliegt, ſo wird endlich wieder das Selbſtverſtändliche und
Natürliche bei aller Ehrlichkeit ſelbſtverſtändlich und natürlich ge¬
ſagt, und man hat wieder das Gefühl des Vornehmen, Freien, des
Beherrſchens der Dinge.
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/444>, abgerufen am 24.11.2024.
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