denen, die sich nicht gern daran erinnern ließen, daß sie dieser Welt einmal Valet sagen müssen. Auch schien jede Erbbestimmung unnötig, weil als selbstverständlich an¬ genommen wurde, daß, wie seit Menschengedenken, auch diesmal wieder, der Älteste das Gut erben werde, und daß sich die übrigen Geschwister murrlos darein finden würden.
Das kam nun doch etwas anders, als der Verstorbene angenommen hatte.
Es waren fünf Kinder vorhanden und die Witwe des Dahingeschiedenen. Traugott, der Älteste, war durch den Tod des Vaters Familienoberhaupt und Bauer geworden. Der zweite Sohn hatte vor Jahren das Dorf mit der Stadt ver¬ tauscht. Ein dritter war auf der Wanderschaft nach Österreich gekommen und dort sitzen geblieben. Außer diesen drei Söhnen waren zwei Töchter da. Die eine war mit dem Kretscham¬ wirt von Halbenau verehelicht, die andere hatte einen Mühl¬ knappen geheiratet, mit dem sie später von Halbenau fortge¬ zogen war.
Im Erbe befand sich nur das Bauerngut mit Gebäuden, Vorräten und Inventar. Das bare Geld war zu Ausstattungen der Töchter und zu Meliorationen verwendet worden.
Der älteste Sohn erklärte sich bereit, das Erbe anzutreten, und die übrigen Erben mit einer geringfügigen Auszahlung abzufinden, wie es der oftmals ausgesprochene Wunsch des Ver¬ storbenen gewesen war. Aber der Alte hatte da mit einer Gesinnung gerechnet, die wohl in seiner Jugend noch die Familie beherrscht hatte: der Gemeinsinn, der aber dem neuen Geschlechte abhanden gekommen war. Zu Gunsten der Einheitlichkeit des Familienbesitzes wollte keiner der Erben ein Opfer bringen.
Es wurde Taxe verlangt zum Zwecke der Erbregulierung. Als diese nach Ansicht der Pflichtteilsberechtigten zu niedrig ausfiel, focht man die Erbschaftstaxe an, und forderte Ver¬ steigerung des Gutes.
Der älteste Sohn, der sein ganzes Leben auf dereinstige Übernahme des väterlichen Gutes zugeschnitten hatte, wollte den
denen, die ſich nicht gern daran erinnern ließen, daß ſie dieſer Welt einmal Valet ſagen müſſen. Auch ſchien jede Erbbeſtimmung unnötig, weil als ſelbſtverſtändlich an¬ genommen wurde, daß, wie ſeit Menſchengedenken, auch diesmal wieder, der Älteſte das Gut erben werde, und daß ſich die übrigen Geſchwiſter murrlos darein finden würden.
Das kam nun doch etwas anders, als der Verſtorbene angenommen hatte.
Es waren fünf Kinder vorhanden und die Witwe des Dahingeſchiedenen. Traugott, der Älteſte, war durch den Tod des Vaters Familienoberhaupt und Bauer geworden. Der zweite Sohn hatte vor Jahren das Dorf mit der Stadt ver¬ tauſcht. Ein dritter war auf der Wanderſchaft nach Öſterreich gekommen und dort ſitzen geblieben. Außer dieſen drei Söhnen waren zwei Töchter da. Die eine war mit dem Kretſcham¬ wirt von Halbenau verehelicht, die andere hatte einen Mühl¬ knappen geheiratet, mit dem ſie ſpäter von Halbenau fortge¬ zogen war.
Im Erbe befand ſich nur das Bauerngut mit Gebäuden, Vorräten und Inventar. Das bare Geld war zu Ausſtattungen der Töchter und zu Meliorationen verwendet worden.
Der älteſte Sohn erklärte ſich bereit, das Erbe anzutreten, und die übrigen Erben mit einer geringfügigen Auszahlung abzufinden, wie es der oftmals ausgeſprochene Wunſch des Ver¬ ſtorbenen geweſen war. Aber der Alte hatte da mit einer Geſinnung gerechnet, die wohl in ſeiner Jugend noch die Familie beherrſcht hatte: der Gemeinſinn, der aber dem neuen Geſchlechte abhanden gekommen war. Zu Gunſten der Einheitlichkeit des Familienbeſitzes wollte keiner der Erben ein Opfer bringen.
Es wurde Taxe verlangt zum Zwecke der Erbregulierung. Als dieſe nach Anſicht der Pflichtteilsberechtigten zu niedrig ausfiel, focht man die Erbſchaftstaxe an, und forderte Ver¬ ſteigerung des Gutes.
Der älteſte Sohn, der ſein ganzes Leben auf dereinſtige Übernahme des väterlichen Gutes zugeſchnitten hatte, wollte den
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denen, die ſich nicht gern daran erinnern ließen, daß ſie
dieſer Welt einmal Valet ſagen müſſen. Auch ſchien jede
Erbbeſtimmung unnötig, weil als ſelbſtverſtändlich an¬
genommen wurde, daß, wie ſeit Menſchengedenken, auch
diesmal wieder, der Älteſte das Gut erben werde, und
daß ſich die übrigen Geſchwiſter murrlos darein finden
würden.
Das kam nun doch etwas anders, als der Verſtorbene
angenommen hatte.
Es waren fünf Kinder vorhanden und die Witwe des
Dahingeſchiedenen. Traugott, der Älteſte, war durch den Tod
des Vaters Familienoberhaupt und Bauer geworden. Der
zweite Sohn hatte vor Jahren das Dorf mit der Stadt ver¬
tauſcht. Ein dritter war auf der Wanderſchaft nach Öſterreich
gekommen und dort ſitzen geblieben. Außer dieſen drei Söhnen
waren zwei Töchter da. Die eine war mit dem Kretſcham¬
wirt von Halbenau verehelicht, die andere hatte einen Mühl¬
knappen geheiratet, mit dem ſie ſpäter von Halbenau fortge¬
zogen war.
Im Erbe befand ſich nur das Bauerngut mit Gebäuden,
Vorräten und Inventar. Das bare Geld war zu Ausſtattungen
der Töchter und zu Meliorationen verwendet worden.
Der älteſte Sohn erklärte ſich bereit, das Erbe anzutreten,
und die übrigen Erben mit einer geringfügigen Auszahlung
abzufinden, wie es der oftmals ausgeſprochene Wunſch des Ver¬
ſtorbenen geweſen war. Aber der Alte hatte da mit einer
Geſinnung gerechnet, die wohl in ſeiner Jugend noch die Familie
beherrſcht hatte: der Gemeinſinn, der aber dem neuen Geſchlechte
abhanden gekommen war. Zu Gunſten der Einheitlichkeit des
Familienbeſitzes wollte keiner der Erben ein Opfer bringen.
Es wurde Taxe verlangt zum Zwecke der Erbregulierung.
Als dieſe nach Anſicht der Pflichtteilsberechtigten zu niedrig
ausfiel, focht man die Erbſchaftstaxe an, und forderte Ver¬
ſteigerung des Gutes.
Der älteſte Sohn, der ſein ganzes Leben auf dereinſtige
Übernahme des väterlichen Gutes zugeſchnitten hatte, wollte den
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/53>, abgerufen am 22.11.2024.
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