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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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gezählt und eingesackt hatte, blieb er noch stehen, zaudernd,
seinen Hut in den Händen drehend, als habe er noch etwas
auf dem Herzen.

Dem scharfen Auge des Händlers war das auffällige
Benehmen des Alten nicht entgangen. Er kam hinter dem
Ladentische vor, wo er mit einem der Comptoiristen verhandelt
hatte. "Nun, Herr Büttner, kann ich Ihnen vielleicht noch
mit etwas dienen? Wir haben auch künstlichen Dünger, ein
reichhaltiges Lager. Haben Sie da keinen Bedarf?"

"Ne, ne!" meinte der Bauer. "Da mag'ch nischt darvon.
Aber was andres wollt'ch Se noch derzahlen; wenn Se da
vielleicht an Rat wißten. -- Mir is ane Hipetheke gekindgt
wurden. Uf Gohanni muß'ch zahlen."

"Sehen Sie einmal an!" rief der Händler und stellte
sich erstaunt. "Da werde ich Ihnen wohl nicht helfen können.
Hypotheken, das gehört nicht in meine Branche." -- Aber, er
nahm den Bauern doch wieder mit in das Hinterzimmer.

"Also eine Hypothek ist Ihnen gekündigt auf den Johan¬
nistermin. An welcher Stelle steht sie? wie ist der Zinsfuß?
wie läuft sie aus?"

Harrassowitz stellte die verschiedensten Kreuz- und Quer¬
fragen. Dann rechnete er für sich. Der alte Bauer beobachtete
während dessen das Mienenspiel des Händlers sorgenvoll. Er
sah mit Schrecken, daß Harrassowitz in einem fort bedenklich
den Kopf schüttelte und die Brauen in die Höhe zog.

Endlich erhob sich der Mann und trat dicht vor den
Bauern hin, ihm in die Augen blickend, mit ernster
Miene. Er könne das Geld nicht beschaffen, erklärte er.
Er sei Kaufmann und nichts als Kaufmann, und es gehöre
nicht zu seinen Gepflogenheiten, Güter zu beleihen. Aber da
er gemerkt habe, daß der Büttnerbauer ein redlicher und solider
Mann sei, wolle er ihm helfen. Er habe einen Geschäfts¬
freund, einen durchaus feinen Mann, zu dem wolle er den
Bauern führen, der werde ihm die Hypothek möglicherweise decken.
Aber nur dem Bauern zu Gefallen wolle er es thun, rein zum
Gefallen. Denn er bemenge sich sonst nicht mit dergleichen. --

gezählt und eingeſackt hatte, blieb er noch ſtehen, zaudernd,
ſeinen Hut in den Händen drehend, als habe er noch etwas
auf dem Herzen.

Dem ſcharfen Auge des Händlers war das auffällige
Benehmen des Alten nicht entgangen. Er kam hinter dem
Ladentiſche vor, wo er mit einem der Comptoiriſten verhandelt
hatte. „Nun, Herr Büttner, kann ich Ihnen vielleicht noch
mit etwas dienen? Wir haben auch künſtlichen Dünger, ein
reichhaltiges Lager. Haben Sie da keinen Bedarf?“

„Ne, ne!“ meinte der Bauer. „Da mag'ch niſcht darvon.
Aber was andres wollt'ch Se noch derzahlen; wenn Se da
vielleicht an Rat wißten. — Mir is ane Hipetheke gekindgt
wurden. Uf Gohanni muß'ch zahlen.“

„Sehen Sie einmal an!“ rief der Händler und ſtellte
ſich erſtaunt. „Da werde ich Ihnen wohl nicht helfen können.
Hypotheken, das gehört nicht in meine Branche.“ — Aber, er
nahm den Bauern doch wieder mit in das Hinterzimmer.

„Alſo eine Hypothek iſt Ihnen gekündigt auf den Johan¬
niſtermin. An welcher Stelle ſteht ſie? wie iſt der Zinsfuß?
wie läuft ſie aus?“

Harraſſowitz ſtellte die verſchiedenſten Kreuz- und Quer¬
fragen. Dann rechnete er für ſich. Der alte Bauer beobachtete
während deſſen das Mienenſpiel des Händlers ſorgenvoll. Er
ſah mit Schrecken, daß Harraſſowitz in einem fort bedenklich
den Kopf ſchüttelte und die Brauen in die Höhe zog.

Endlich erhob ſich der Mann und trat dicht vor den
Bauern hin, ihm in die Augen blickend, mit ernſter
Miene. Er könne das Geld nicht beſchaffen, erklärte er.
Er ſei Kaufmann und nichts als Kaufmann, und es gehöre
nicht zu ſeinen Gepflogenheiten, Güter zu beleihen. Aber da
er gemerkt habe, daß der Büttnerbauer ein redlicher und ſolider
Mann ſei, wolle er ihm helfen. Er habe einen Geſchäfts¬
freund, einen durchaus feinen Mann, zu dem wolle er den
Bauern führen, der werde ihm die Hypothek möglicherweiſe decken.
Aber nur dem Bauern zu Gefallen wolle er es thun, rein zum
Gefallen. Denn er bemenge ſich ſonſt nicht mit dergleichen. —

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[50/0064] gezählt und eingeſackt hatte, blieb er noch ſtehen, zaudernd, ſeinen Hut in den Händen drehend, als habe er noch etwas auf dem Herzen. Dem ſcharfen Auge des Händlers war das auffällige Benehmen des Alten nicht entgangen. Er kam hinter dem Ladentiſche vor, wo er mit einem der Comptoiriſten verhandelt hatte. „Nun, Herr Büttner, kann ich Ihnen vielleicht noch mit etwas dienen? Wir haben auch künſtlichen Dünger, ein reichhaltiges Lager. Haben Sie da keinen Bedarf?“ „Ne, ne!“ meinte der Bauer. „Da mag'ch niſcht darvon. Aber was andres wollt'ch Se noch derzahlen; wenn Se da vielleicht an Rat wißten. — Mir is ane Hipetheke gekindgt wurden. Uf Gohanni muß'ch zahlen.“ „Sehen Sie einmal an!“ rief der Händler und ſtellte ſich erſtaunt. „Da werde ich Ihnen wohl nicht helfen können. Hypotheken, das gehört nicht in meine Branche.“ — Aber, er nahm den Bauern doch wieder mit in das Hinterzimmer. „Alſo eine Hypothek iſt Ihnen gekündigt auf den Johan¬ niſtermin. An welcher Stelle ſteht ſie? wie iſt der Zinsfuß? wie läuft ſie aus?“ Harraſſowitz ſtellte die verſchiedenſten Kreuz- und Quer¬ fragen. Dann rechnete er für ſich. Der alte Bauer beobachtete während deſſen das Mienenſpiel des Händlers ſorgenvoll. Er ſah mit Schrecken, daß Harraſſowitz in einem fort bedenklich den Kopf ſchüttelte und die Brauen in die Höhe zog. Endlich erhob ſich der Mann und trat dicht vor den Bauern hin, ihm in die Augen blickend, mit ernſter Miene. Er könne das Geld nicht beſchaffen, erklärte er. Er ſei Kaufmann und nichts als Kaufmann, und es gehöre nicht zu ſeinen Gepflogenheiten, Güter zu beleihen. Aber da er gemerkt habe, daß der Büttnerbauer ein redlicher und ſolider Mann ſei, wolle er ihm helfen. Er habe einen Geſchäfts¬ freund, einen durchaus feinen Mann, zu dem wolle er den Bauern führen, der werde ihm die Hypothek möglicherweiſe decken. Aber nur dem Bauern zu Gefallen wolle er es thun, rein zum Gefallen. Denn er bemenge ſich ſonſt nicht mit dergleichen. —

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/64>, abgerufen am 17.05.2024.