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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Darauf ging Samuel Harrassowitz an's Telephon und
klingelte an. "Guten Morgen! Ist Herr Schönberger im
Comptoir? -- Möchte ihn auf einen Augenblick sprechen . . . .
Danke!"

Der Bauer sah mit Staunen dem Beginnen des anderen
zu. In seinem Leben hatte er noch nichts von einem Fern¬
sprecher gehört, geschweige denn, eine solche Vorrichtung gesehen.

Harrassowitz stand neben dem Apparate und lachte über
den komischen Schrecken des Alten. "Nehmen Sie mal das
andere Ding an's Ohr, Herr Büttner!" rief er und hielt ihm
den Hörer hin. "Machen Sie nur! Es beißt nicht." Der
Bauer war nicht zu bewegen, den Hörer anzufassen.

Inzwischen kam Antwort.

"Hier Harrassowitz! . . . Ja! . . . 'n Morgen, Schön¬
berger! Herr Gutsbesitzer Büttner aus Halbenau ist hier bei
mir, wünscht gekündigte Hypothek belegt zu haben. Kann ich
mit ihm zu Ihnen kommen?"

Eine längere Pause entstand, während der Harrassowitz
gespannt horchte. Dann lachte er auf einmal laut auf, und den
Bauern höhnisch von der Seite anblickend, immer den Hörer
am Ohr, rief er in den Fernsprecher:

"Der Kaffer braucht ehn, dringend. Feines Masse¬
matten. . . . . Ach was! Bist meschuke! -- Wie? . . . . Is
besoll. Wir machens in Kippe, natürlich. . . . Versteh nicht!
Der Kaffer ist halb mechulleh. Geb Dir Rebussim. . . . . .
Schön! Bringe ihn. Auf Wiedersehen. Schluß!"

"Das nennt man Telephon oder Fernsprecher, mein
Lieber!" sagte Harassowitz und klopfte dem Alten mit spöt¬
tischem Grinsen auf den Rücken. "Sehen Sie, da haben Sie
wieder was Neues kennen gelernt, und können Ihren Leuten
da draußen was erzählen."

Man wolle nun zu Herrn Schönberger gehn, meinte er,
und nötigte den Bauern zur Thür.

Das Kredit- und Vermittelungsbüreau von Isidor Schön¬
berger lag am anderen Ende der Stadt, ebenfalls in einem
engen Winkelgäßchen. Harrassowitz trat aber nicht in das

4 *

Darauf ging Samuel Harraſſowitz an's Telephon und
klingelte an. „Guten Morgen! Iſt Herr Schönberger im
Comptoir? — Möchte ihn auf einen Augenblick ſprechen . . . .
Danke!“

Der Bauer ſah mit Staunen dem Beginnen des anderen
zu. In ſeinem Leben hatte er noch nichts von einem Fern¬
ſprecher gehört, geſchweige denn, eine ſolche Vorrichtung geſehen.

Harraſſowitz ſtand neben dem Apparate und lachte über
den komiſchen Schrecken des Alten. „Nehmen Sie mal das
andere Ding an's Ohr, Herr Büttner!“ rief er und hielt ihm
den Hörer hin. „Machen Sie nur! Es beißt nicht.“ Der
Bauer war nicht zu bewegen, den Hörer anzufaſſen.

Inzwiſchen kam Antwort.

„Hier Harraſſowitz! . . . Ja! . . . 'n Morgen, Schön¬
berger! Herr Gutsbeſitzer Büttner aus Halbenau iſt hier bei
mir, wünſcht gekündigte Hypothek belegt zu haben. Kann ich
mit ihm zu Ihnen kommen?“

Eine längere Pauſe entſtand, während der Harraſſowitz
geſpannt horchte. Dann lachte er auf einmal laut auf, und den
Bauern höhniſch von der Seite anblickend, immer den Hörer
am Ohr, rief er in den Fernſprecher:

„Der Kaffer braucht ehn, dringend. Feines Maſſe¬
matten. . . . . Ach was! Biſt meſchuke! — Wie? . . . . Is
beſoll. Wir machens in Kippe, natürlich. . . . Verſteh nicht!
Der Kaffer iſt halb mechulleh. Geb Dir Rebuſſim. . . . . .
Schön! Bringe ihn. Auf Wiederſehen. Schluß!“

„Das nennt man Telephon oder Fernſprecher, mein
Lieber!“ ſagte Haraſſowitz und klopfte dem Alten mit ſpöt¬
tiſchem Grinſen auf den Rücken. „Sehen Sie, da haben Sie
wieder was Neues kennen gelernt, und können Ihren Leuten
da draußen was erzählen.“

Man wolle nun zu Herrn Schönberger gehn, meinte er,
und nötigte den Bauern zur Thür.

Das Kredit- und Vermittelungsbüreau von Iſidor Schön¬
berger lag am anderen Ende der Stadt, ebenfalls in einem
engen Winkelgäßchen. Harraſſowitz trat aber nicht in das

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[51/0065] Darauf ging Samuel Harraſſowitz an's Telephon und klingelte an. „Guten Morgen! Iſt Herr Schönberger im Comptoir? — Möchte ihn auf einen Augenblick ſprechen . . . . Danke!“ Der Bauer ſah mit Staunen dem Beginnen des anderen zu. In ſeinem Leben hatte er noch nichts von einem Fern¬ ſprecher gehört, geſchweige denn, eine ſolche Vorrichtung geſehen. Harraſſowitz ſtand neben dem Apparate und lachte über den komiſchen Schrecken des Alten. „Nehmen Sie mal das andere Ding an's Ohr, Herr Büttner!“ rief er und hielt ihm den Hörer hin. „Machen Sie nur! Es beißt nicht.“ Der Bauer war nicht zu bewegen, den Hörer anzufaſſen. Inzwiſchen kam Antwort. „Hier Harraſſowitz! . . . Ja! . . . 'n Morgen, Schön¬ berger! Herr Gutsbeſitzer Büttner aus Halbenau iſt hier bei mir, wünſcht gekündigte Hypothek belegt zu haben. Kann ich mit ihm zu Ihnen kommen?“ Eine längere Pauſe entſtand, während der Harraſſowitz geſpannt horchte. Dann lachte er auf einmal laut auf, und den Bauern höhniſch von der Seite anblickend, immer den Hörer am Ohr, rief er in den Fernſprecher: „Der Kaffer braucht ehn, dringend. Feines Maſſe¬ matten. . . . . Ach was! Biſt meſchuke! — Wie? . . . . Is beſoll. Wir machens in Kippe, natürlich. . . . Verſteh nicht! Der Kaffer iſt halb mechulleh. Geb Dir Rebuſſim. . . . . . Schön! Bringe ihn. Auf Wiederſehen. Schluß!“ „Das nennt man Telephon oder Fernſprecher, mein Lieber!“ ſagte Haraſſowitz und klopfte dem Alten mit ſpöt¬ tiſchem Grinſen auf den Rücken. „Sehen Sie, da haben Sie wieder was Neues kennen gelernt, und können Ihren Leuten da draußen was erzählen.“ Man wolle nun zu Herrn Schönberger gehn, meinte er, und nötigte den Bauern zur Thür. Das Kredit- und Vermittelungsbüreau von Iſidor Schön¬ berger lag am anderen Ende der Stadt, ebenfalls in einem engen Winkelgäßchen. Harraſſowitz trat aber nicht in das 4 *

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/65>, abgerufen am 27.11.2024.