das ist, als ob Dir einer eine Schlinge um den Hals ge¬ worfen hätte, und wenn Du die Füße losläßt, hängst Du drinnen. Da giebt es keine Rettung. Der größte Fleiß, die größte Sparsamkeit nützen da nichts, Du bist kein freier Mann mehr, Du hängst von etwas ab, das Du nicht kontrolieren kannst, und das lähmt Dich. -- Mit blutendem Herzen habe ich meinen Besitz fahren lassen müssen. Sequestration, Zwangs¬ versteigerung, alles habe ich durchgemacht! Sie sehen, mein guter Büttner, ich kann hier mitreden."
Der Hauptmann schwieg und strich sich mehrmals erregt den Bart, ihn von oben nach unten durch die hohle Hand gleiten lassend. Er seufzte. "Gott schütze Sie, mein Lieber, vor alle dem!"
Der alte Bauer war stille geworden in seiner Ecke. Die Worte des anderen hatten Eindruck auf ihn gemacht.
Hauptmann Schroff fuhr fort: "Es ist nicht leicht, als älterer Mann, ein Stück hergeben von dem, was man durch ein ganzes Leben sich gewöhnt hat, als sein Eigentum zu be¬ trachten. Sitzt da irgendwo in der Stadt ein Kerl, der hat eine Hypothek auf Deinem Gute erworben. Und dieser Mensch, der mit dem Grund und Boden nicht das geringste zu thun hat, der nicht ackert, pflügt oder säet, der hat nun Gewalt über Dein Gut. Der kann Dich runtertreiben, wenn es ihm paßt. Wie eine Ware kommt Dein Eigentum unter den Hammer. Und das, was Generationen gepflegt und kulti¬ viert und gehütet haben, wie ihren Augapfel, wird nun zer¬ schlagen und zerschlachtet von Fremden. Und draußen sitzen wir! Als älterer Mann mit Familie, muß man sich nach Brot umsehen. Das ist nicht leicht, mein Lieber, das ist nicht leicht!"
Der Hauptmann schwieg und blickte gesenkten Hauptes zu Boden, als sei dort irgend etwas Interessantes zwischen seinen Stiefelspitzen zu erblicken.
Auch der Büttnerbauer sagte kein Wort. Der Mann hatte Recht! so war es, genau so! Wie oft hatte er nicht ebenso empfunden, wenn er mit Angstschweiß die Zinsen für
das iſt, als ob Dir einer eine Schlinge um den Hals ge¬ worfen hätte, und wenn Du die Füße losläßt, hängſt Du drinnen. Da giebt es keine Rettung. Der größte Fleiß, die größte Sparſamkeit nützen da nichts, Du biſt kein freier Mann mehr, Du hängſt von etwas ab, das Du nicht kontrolieren kannſt, und das lähmt Dich. — Mit blutendem Herzen habe ich meinen Beſitz fahren laſſen müſſen. Sequeſtration, Zwangs¬ verſteigerung, alles habe ich durchgemacht! Sie ſehen, mein guter Büttner, ich kann hier mitreden.“
Der Hauptmann ſchwieg und ſtrich ſich mehrmals erregt den Bart, ihn von oben nach unten durch die hohle Hand gleiten laſſend. Er ſeufzte. „Gott ſchütze Sie, mein Lieber, vor alle dem!“
Der alte Bauer war ſtille geworden in ſeiner Ecke. Die Worte des anderen hatten Eindruck auf ihn gemacht.
Hauptmann Schroff fuhr fort: „Es iſt nicht leicht, als älterer Mann, ein Stück hergeben von dem, was man durch ein ganzes Leben ſich gewöhnt hat, als ſein Eigentum zu be¬ trachten. Sitzt da irgendwo in der Stadt ein Kerl, der hat eine Hypothek auf Deinem Gute erworben. Und dieſer Menſch, der mit dem Grund und Boden nicht das geringſte zu thun hat, der nicht ackert, pflügt oder ſäet, der hat nun Gewalt über Dein Gut. Der kann Dich runtertreiben, wenn es ihm paßt. Wie eine Ware kommt Dein Eigentum unter den Hammer. Und das, was Generationen gepflegt und kulti¬ viert und gehütet haben, wie ihren Augapfel, wird nun zer¬ ſchlagen und zerſchlachtet von Fremden. Und draußen ſitzen wir! Als älterer Mann mit Familie, muß man ſich nach Brot umſehen. Das iſt nicht leicht, mein Lieber, das iſt nicht leicht!“
Der Hauptmann ſchwieg und blickte geſenkten Hauptes zu Boden, als ſei dort irgend etwas Intereſſantes zwiſchen ſeinen Stiefelſpitzen zu erblicken.
Auch der Büttnerbauer ſagte kein Wort. Der Mann hatte Recht! ſo war es, genau ſo! Wie oft hatte er nicht ebenſo empfunden, wenn er mit Angſtſchweiß die Zinſen für
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das iſt, als ob Dir einer eine Schlinge um den Hals ge¬
worfen hätte, und wenn Du die Füße losläßt, hängſt Du
drinnen. Da giebt es keine Rettung. Der größte Fleiß, die
größte Sparſamkeit nützen da nichts, Du biſt kein freier Mann
mehr, Du hängſt von etwas ab, das Du nicht kontrolieren
kannſt, und das lähmt Dich. — Mit blutendem Herzen habe
ich meinen Beſitz fahren laſſen müſſen. Sequeſtration, Zwangs¬
verſteigerung, alles habe ich durchgemacht! Sie ſehen, mein
guter Büttner, ich kann hier mitreden.“
Der Hauptmann ſchwieg und ſtrich ſich mehrmals erregt
den Bart, ihn von oben nach unten durch die hohle Hand
gleiten laſſend. Er ſeufzte. „Gott ſchütze Sie, mein Lieber,
vor alle dem!“
Der alte Bauer war ſtille geworden in ſeiner Ecke. Die
Worte des anderen hatten Eindruck auf ihn gemacht.
Hauptmann Schroff fuhr fort: „Es iſt nicht leicht, als
älterer Mann, ein Stück hergeben von dem, was man durch
ein ganzes Leben ſich gewöhnt hat, als ſein Eigentum zu be¬
trachten. Sitzt da irgendwo in der Stadt ein Kerl, der
hat eine Hypothek auf Deinem Gute erworben. Und dieſer
Menſch, der mit dem Grund und Boden nicht das geringſte
zu thun hat, der nicht ackert, pflügt oder ſäet, der hat nun
Gewalt über Dein Gut. Der kann Dich runtertreiben, wenn
es ihm paßt. Wie eine Ware kommt Dein Eigentum unter
den Hammer. Und das, was Generationen gepflegt und kulti¬
viert und gehütet haben, wie ihren Augapfel, wird nun zer¬
ſchlagen und zerſchlachtet von Fremden. Und draußen ſitzen
wir! Als älterer Mann mit Familie, muß man ſich nach
Brot umſehen. Das iſt nicht leicht, mein Lieber, das iſt nicht
leicht!“
Der Hauptmann ſchwieg und blickte geſenkten Hauptes
zu Boden, als ſei dort irgend etwas Intereſſantes zwiſchen
ſeinen Stiefelſpitzen zu erblicken.
Auch der Büttnerbauer ſagte kein Wort. Der Mann
hatte Recht! ſo war es, genau ſo! Wie oft hatte er nicht
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/80>, abgerufen am 25.11.2024.
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