Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

"Guten Tag, Herr Harrassowitz!"

"Guten Tag, mein lieber Herr Kaschel!"

Die beiden Männer lachten sich an, wie zwei, die
einander genau kennen, und schüttelten sich kräftig die
Hände.

"Recht lange nicht mehr bei uns gewesen, Herr Har¬
rassowitz!"

Der Händler blickte dem Gastwirt in die schlauen Augen
und meinte, er wolle sich hier draußen nur mal ein bißchen
nach den "Ernteaussichten" umsehen. -- Kaschelernst lachte
über diese Bemerkung, als sei das der beste Witz, den er seit
langem gehört habe.

Der Wirt schickte Ottilie nach Gläsern, er selbst holte eine
Flasche herbei. Den Getreidekümmel müsse Harrassowitz mal
kosten, das sei was Extrafeines. Er schenkte ein.

Man sprach über die Feldfrüchte, über Wetter und Vieh¬
seuche. Aber das waren alles nur Plänkeleien. Die beiden
kannten und würdigten sich. Kaschelernst wußte ganz genau,
daß der Händler nicht um Schnickschnacks willen nach Halbenau
gekommen sei. Einstweilen gefiel es aber beiden, sich mit
solchem Versteckenspiel zu unterhalten.

Sam begann endlich ernsthaft zu sprechen, was er dadurch
andeutete, daß er näher an den Gastwirt heranrückte und die
Stimme senkte. Kaschelernst schickte die Tochter, die sich hinter
den Schenktisch zurückgezogen hatte, hinaus; nun konnte ein
"vernünftiges Wort" unter Männern gesprochen werden.

Der Händler erkundigte sich nach den Verhältnissen der
verschiedensten Personen: Bauern, Gutsbesitzer, Handwerker.
Kaschelernst kramte seine Kenntnisse aus mit der Miene eines
schadenfrohen Menschen. Man konnte ihm den Hochgenuß
ansehen, mit dem ihn Unglück, Fehltritte und Dummheit seiner
Mitmenschen erfüllten.

Wenn er von einem Bauern erzählte, der vor dem Banke¬
rotte stand, lächelte er. Er lächelte auch, als er berichtete,
daß ein anderer Feuer an seine Scheune gelegt habe. Und
ausschütten wollte er sich geradezu vor Lachen, als er dem

„Guten Tag, Herr Harraſſowitz!“

„Guten Tag, mein lieber Herr Kaſchel!“

Die beiden Männer lachten ſich an, wie zwei, die
einander genau kennen, und ſchüttelten ſich kräftig die
Hände.

„Recht lange nicht mehr bei uns geweſen, Herr Har¬
raſſowitz!“

Der Händler blickte dem Gaſtwirt in die ſchlauen Augen
und meinte, er wolle ſich hier draußen nur mal ein bißchen
nach den „Ernteausſichten“ umſehen. — Kaſchelernſt lachte
über dieſe Bemerkung, als ſei das der beſte Witz, den er ſeit
langem gehört habe.

Der Wirt ſchickte Ottilie nach Gläſern, er ſelbſt holte eine
Flaſche herbei. Den Getreidekümmel müſſe Harraſſowitz mal
koſten, das ſei was Extrafeines. Er ſchenkte ein.

Man ſprach über die Feldfrüchte, über Wetter und Vieh¬
ſeuche. Aber das waren alles nur Plänkeleien. Die beiden
kannten und würdigten ſich. Kaſchelernſt wußte ganz genau,
daß der Händler nicht um Schnickſchnacks willen nach Halbenau
gekommen ſei. Einſtweilen gefiel es aber beiden, ſich mit
ſolchem Verſteckenſpiel zu unterhalten.

Sam begann endlich ernſthaft zu ſprechen, was er dadurch
andeutete, daß er näher an den Gaſtwirt heranrückte und die
Stimme ſenkte. Kaſchelernſt ſchickte die Tochter, die ſich hinter
den Schenktiſch zurückgezogen hatte, hinaus; nun konnte ein
„vernünftiges Wort“ unter Männern geſprochen werden.

Der Händler erkundigte ſich nach den Verhältniſſen der
verſchiedenſten Perſonen: Bauern, Gutsbeſitzer, Handwerker.
Kaſchelernſt kramte ſeine Kenntniſſe aus mit der Miene eines
ſchadenfrohen Menſchen. Man konnte ihm den Hochgenuß
anſehen, mit dem ihn Unglück, Fehltritte und Dummheit ſeiner
Mitmenſchen erfüllten.

Wenn er von einem Bauern erzählte, der vor dem Banke¬
rotte ſtand, lächelte er. Er lächelte auch, als er berichtete,
daß ein anderer Feuer an ſeine Scheune gelegt habe. Und
ausſchütten wollte er ſich geradezu vor Lachen, als er dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0098" n="84"/>
          <p>&#x201E;Guten Tag, Herr Harra&#x017F;&#x017F;owitz!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Guten Tag, mein lieber Herr Ka&#x017F;chel!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die beiden Männer lachten &#x017F;ich an, wie zwei, die<lb/>
einander genau kennen, und &#x017F;chüttelten &#x017F;ich kräftig die<lb/>
Hände.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Recht lange nicht mehr bei uns gewe&#x017F;en, Herr Har¬<lb/>
ra&#x017F;&#x017F;owitz!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Händler blickte dem Ga&#x017F;twirt in die &#x017F;chlauen Augen<lb/>
und meinte, er wolle &#x017F;ich hier draußen nur mal ein bißchen<lb/>
nach den &#x201E;Ernteaus&#x017F;ichten&#x201C; um&#x017F;ehen. &#x2014; Ka&#x017F;chelern&#x017F;t lachte<lb/>
über die&#x017F;e Bemerkung, als &#x017F;ei das der be&#x017F;te Witz, den er &#x017F;eit<lb/>
langem gehört habe.</p><lb/>
          <p>Der Wirt &#x017F;chickte Ottilie nach Glä&#x017F;ern, er &#x017F;elb&#x017F;t holte eine<lb/>
Fla&#x017F;che herbei. Den Getreidekümmel mü&#x017F;&#x017F;e Harra&#x017F;&#x017F;owitz mal<lb/>
ko&#x017F;ten, das &#x017F;ei was Extrafeines. Er &#x017F;chenkte ein.</p><lb/>
          <p>Man &#x017F;prach über die Feldfrüchte, über Wetter und Vieh¬<lb/>
&#x017F;euche. Aber das waren alles nur Plänkeleien. Die beiden<lb/>
kannten und würdigten &#x017F;ich. Ka&#x017F;chelern&#x017F;t wußte ganz genau,<lb/>
daß der Händler nicht um Schnick&#x017F;chnacks willen nach Halbenau<lb/>
gekommen &#x017F;ei. Ein&#x017F;tweilen gefiel es aber beiden, &#x017F;ich mit<lb/>
&#x017F;olchem Ver&#x017F;tecken&#x017F;piel zu unterhalten.</p><lb/>
          <p>Sam begann endlich ern&#x017F;thaft zu &#x017F;prechen, was er dadurch<lb/>
andeutete, daß er näher an den Ga&#x017F;twirt heranrückte und die<lb/>
Stimme &#x017F;enkte. Ka&#x017F;chelern&#x017F;t &#x017F;chickte die Tochter, die &#x017F;ich hinter<lb/>
den Schenkti&#x017F;ch zurückgezogen hatte, hinaus; nun konnte ein<lb/>
&#x201E;vernünftiges Wort&#x201C; unter Männern ge&#x017F;prochen werden.</p><lb/>
          <p>Der Händler erkundigte &#x017F;ich nach den Verhältni&#x017F;&#x017F;en der<lb/>
ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Per&#x017F;onen: Bauern, Gutsbe&#x017F;itzer, Handwerker.<lb/>
Ka&#x017F;chelern&#x017F;t kramte &#x017F;eine Kenntni&#x017F;&#x017F;e aus mit der Miene eines<lb/>
&#x017F;chadenfrohen Men&#x017F;chen. Man konnte ihm den Hochgenuß<lb/>
an&#x017F;ehen, mit dem ihn Unglück, Fehltritte und Dummheit &#x017F;einer<lb/>
Mitmen&#x017F;chen erfüllten.</p><lb/>
          <p>Wenn er von einem Bauern erzählte, der vor dem Banke¬<lb/>
rotte &#x017F;tand, lächelte er. Er lächelte auch, als er berichtete,<lb/>
daß ein anderer Feuer an &#x017F;eine Scheune gelegt habe. Und<lb/>
aus&#x017F;chütten wollte er &#x017F;ich geradezu vor Lachen, als er dem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0098] „Guten Tag, Herr Harraſſowitz!“ „Guten Tag, mein lieber Herr Kaſchel!“ Die beiden Männer lachten ſich an, wie zwei, die einander genau kennen, und ſchüttelten ſich kräftig die Hände. „Recht lange nicht mehr bei uns geweſen, Herr Har¬ raſſowitz!“ Der Händler blickte dem Gaſtwirt in die ſchlauen Augen und meinte, er wolle ſich hier draußen nur mal ein bißchen nach den „Ernteausſichten“ umſehen. — Kaſchelernſt lachte über dieſe Bemerkung, als ſei das der beſte Witz, den er ſeit langem gehört habe. Der Wirt ſchickte Ottilie nach Gläſern, er ſelbſt holte eine Flaſche herbei. Den Getreidekümmel müſſe Harraſſowitz mal koſten, das ſei was Extrafeines. Er ſchenkte ein. Man ſprach über die Feldfrüchte, über Wetter und Vieh¬ ſeuche. Aber das waren alles nur Plänkeleien. Die beiden kannten und würdigten ſich. Kaſchelernſt wußte ganz genau, daß der Händler nicht um Schnickſchnacks willen nach Halbenau gekommen ſei. Einſtweilen gefiel es aber beiden, ſich mit ſolchem Verſteckenſpiel zu unterhalten. Sam begann endlich ernſthaft zu ſprechen, was er dadurch andeutete, daß er näher an den Gaſtwirt heranrückte und die Stimme ſenkte. Kaſchelernſt ſchickte die Tochter, die ſich hinter den Schenktiſch zurückgezogen hatte, hinaus; nun konnte ein „vernünftiges Wort“ unter Männern geſprochen werden. Der Händler erkundigte ſich nach den Verhältniſſen der verſchiedenſten Perſonen: Bauern, Gutsbeſitzer, Handwerker. Kaſchelernſt kramte ſeine Kenntniſſe aus mit der Miene eines ſchadenfrohen Menſchen. Man konnte ihm den Hochgenuß anſehen, mit dem ihn Unglück, Fehltritte und Dummheit ſeiner Mitmenſchen erfüllten. Wenn er von einem Bauern erzählte, der vor dem Banke¬ rotte ſtand, lächelte er. Er lächelte auch, als er berichtete, daß ein anderer Feuer an ſeine Scheune gelegt habe. Und ausſchütten wollte er ſich geradezu vor Lachen, als er dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/98
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/98>, abgerufen am 23.11.2024.