Etwas sonderbares und bemerkungswürdig ist es, daß die Perser bey ihren Gebäuden gar kein Eisenwerk gestatten. Selbst die Schlös- ser und Thüren sind von Holz und geben, we- nigstens die letztern, ein wunderliches Ansehen. Der Schlüssel sieht wie ein hölzerner Cylinder aus, der mit einer Spitze versehen ist. Außer den Städten findet man aber doch auf dem Lande oft Thüren, die von Steinen gemacht. Allein sie haben ganz und gar das Ansehen ei- ner hölzernen Thüre nicht, und werden auf Za- pfen herumgedreht.
Die Häuser dauern so lange, als man sie zu erhalten Lust hat. Gemeiniglich aber errei- chen sie doch nur eines Menschen Alter. Denn die meisten Perser müssen ihr eigenes Haus ha- ben, und es auch selbst bauen, weil sie es nicht leiden können, ein Haus zu bewohnen, das gar nicht nach ihrem Geschmacke eingerichtet ist. Sie sagen, der Unterschied, sich selbst ein Haus zu bauen, oder in einem schon aufge- baueten zu wohnen, sey eben so groß, als wenn man sich ein Kleid selbst machen ließe, oder ein schon gemachtes kaufe. -- Diese Gewohn- heit kommt vielleicht daher, weil ein Hausbau mit wenigen Kosten verbunden ist; denn sie nehmen von ihrem eigenen Grund und Boden die Ziegelsteine, und alles, was sie dazu brau- chen; und das gemeine Volk, welches nichts weiter, als ein zur Nothdurft eingerichtetes Haus bauen will, wird auch bald damit fertig. Die
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Etwas ſonderbares und bemerkungswuͤrdig iſt es, daß die Perſer bey ihren Gebaͤuden gar kein Eiſenwerk geſtatten. Selbſt die Schloͤſ- ſer und Thuͤren ſind von Holz und geben, we- nigſtens die letztern, ein wunderliches Anſehen. Der Schluͤſſel ſieht wie ein hoͤlzerner Cylinder aus, der mit einer Spitze verſehen iſt. Außer den Staͤdten findet man aber doch auf dem Lande oft Thuͤren, die von Steinen gemacht. Allein ſie haben ganz und gar das Anſehen ei- ner hoͤlzernen Thuͤre nicht, und werden auf Za- pfen herumgedreht.
Die Haͤuſer dauern ſo lange, als man ſie zu erhalten Luſt hat. Gemeiniglich aber errei- chen ſie doch nur eines Menſchen Alter. Denn die meiſten Perſer muͤſſen ihr eigenes Haus ha- ben, und es auch ſelbſt bauen, weil ſie es nicht leiden koͤnnen, ein Haus zu bewohnen, das gar nicht nach ihrem Geſchmacke eingerichtet iſt. Sie ſagen, der Unterſchied, ſich ſelbſt ein Haus zu bauen, oder in einem ſchon aufge- baueten zu wohnen, ſey eben ſo groß, als wenn man ſich ein Kleid ſelbſt machen ließe, oder ein ſchon gemachtes kaufe. — Dieſe Gewohn- heit kommt vielleicht daher, weil ein Hausbau mit wenigen Koſten verbunden iſt; denn ſie nehmen von ihrem eigenen Grund und Boden die Ziegelſteine, und alles, was ſie dazu brau- chen; und das gemeine Volk, welches nichts weiter, als ein zur Nothdurft eingerichtetes Haus bauen will, wird auch bald damit fertig. Die
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Etwas ſonderbares und bemerkungswuͤrdig
iſt es, daß die Perſer bey ihren Gebaͤuden gar
kein Eiſenwerk geſtatten. Selbſt die Schloͤſ-
ſer und Thuͤren ſind von Holz und geben, we-
nigſtens die letztern, ein wunderliches Anſehen.
Der Schluͤſſel ſieht wie ein hoͤlzerner Cylinder
aus, der mit einer Spitze verſehen iſt. Außer
den Staͤdten findet man aber doch auf dem
Lande oft Thuͤren, die von Steinen gemacht.
Allein ſie haben ganz und gar das Anſehen ei-
ner hoͤlzernen Thuͤre nicht, und werden auf Za-
pfen herumgedreht.
Die Haͤuſer dauern ſo lange, als man ſie
zu erhalten Luſt hat. Gemeiniglich aber errei-
chen ſie doch nur eines Menſchen Alter. Denn
die meiſten Perſer muͤſſen ihr eigenes Haus ha-
ben, und es auch ſelbſt bauen, weil ſie es nicht
leiden koͤnnen, ein Haus zu bewohnen, das
gar nicht nach ihrem Geſchmacke eingerichtet
iſt. Sie ſagen, der Unterſchied, ſich ſelbſt ein
Haus zu bauen, oder in einem ſchon aufge-
baueten zu wohnen, ſey eben ſo groß, als wenn
man ſich ein Kleid ſelbſt machen ließe, oder ein
ſchon gemachtes kaufe. — Dieſe Gewohn-
heit kommt vielleicht daher, weil ein Hausbau
mit wenigen Koſten verbunden iſt; denn ſie
nehmen von ihrem eigenen Grund und Boden
die Ziegelſteine, und alles, was ſie dazu brau-
chen; und das gemeine Volk, welches nichts
weiter, als ein zur Nothdurft eingerichtetes Haus
bauen will, wird auch bald damit fertig. Die
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/141>, abgerufen am 16.02.2025.
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