Perser bestimmen den Werth eines Hauses nach der Höhe und Dicke einer Mauer, die sie nach Ellen messen. Gyps und Holzarbeit an den Fenstern kosten sehr wenig. Wer ein Haus miethet, muß seine Miethe täglich, oder höch- stens alle Woche entrichten. Denn in dem Punkte der Ehrlichkeit trauen sie sich selbst ein- ander nicht.
Ich habe schon anderswo die Bemerkung gemacht, daß in Persien sowohl die freyen als mechanischen Künste wenig oder gar nicht be- arbeitet werden. Man kann sie deswegen in diesem Puncte mit den Europäern gar nicht vergleichen. Besonders gehört die Malerey unter diejenigen Künste, welche vielleicht am allerwenigsten getrieben werden. Sie machen lauter verstümmelte Figuren, und wissen nicht, wo sie Schatten und Licht anbringen sollen, weil sie nlchts von der Perspective und vom Dessin verstehen. Sie haben zwar Schrift- steller, die über diese Sachen geschrieben ha- ben -- unter andern einen gewissen Araber, Namens Ebne Heussein -- aber man äußert gar keine Lust, sie zu studiren. Die Ursache hiervon muß man einzig und allein in ihrer Religion suchen, welche es scharf verbietet, Ge- mälde zu machen oder auszuhängen. Vor Zeiten weiß man, daß die Perser für- treffliche Mahler gehabt, den Beweis hiervon geben die alten Denkmäler an die Hand, die noch hin und wieder ausgegraben werden. --
Man
Perſer beſtimmen den Werth eines Hauſes nach der Hoͤhe und Dicke einer Mauer, die ſie nach Ellen meſſen. Gyps und Holzarbeit an den Fenſtern koſten ſehr wenig. Wer ein Haus miethet, muß ſeine Miethe taͤglich, oder hoͤch- ſtens alle Woche entrichten. Denn in dem Punkte der Ehrlichkeit trauen ſie ſich ſelbſt ein- ander nicht.
Ich habe ſchon anderswo die Bemerkung gemacht, daß in Perſien ſowohl die freyen als mechaniſchen Kuͤnſte wenig oder gar nicht be- arbeitet werden. Man kann ſie deswegen in dieſem Puncte mit den Europaͤern gar nicht vergleichen. Beſonders gehoͤrt die Malerey unter diejenigen Kuͤnſte, welche vielleicht am allerwenigſten getrieben werden. Sie machen lauter verſtuͤmmelte Figuren, und wiſſen nicht, wo ſie Schatten und Licht anbringen ſollen, weil ſie nlchts von der Perſpective und vom Deſſin verſtehen. Sie haben zwar Schrift- ſteller, die uͤber dieſe Sachen geſchrieben ha- ben — unter andern einen gewiſſen Araber, Namens Ebne Heuſſein — aber man aͤußert gar keine Luſt, ſie zu ſtudiren. Die Urſache hiervon muß man einzig und allein in ihrer Religion ſuchen, welche es ſcharf verbietet, Ge- maͤlde zu machen oder auszuhaͤngen. Vor Zeiten weiß man, daß die Perſer fuͤr- treffliche Mahler gehabt, den Beweis hiervon geben die alten Denkmaͤler an die Hand, die noch hin und wieder ausgegraben werden. —
Man
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Perſer beſtimmen den Werth eines Hauſes
nach der Hoͤhe und Dicke einer Mauer, die ſie
nach Ellen meſſen. Gyps und Holzarbeit an
den Fenſtern koſten ſehr wenig. Wer ein Haus
miethet, muß ſeine Miethe taͤglich, oder hoͤch-
ſtens alle Woche entrichten. Denn in dem
Punkte der Ehrlichkeit trauen ſie ſich ſelbſt ein-
ander nicht.
Ich habe ſchon anderswo die Bemerkung
gemacht, daß in Perſien ſowohl die freyen als
mechaniſchen Kuͤnſte wenig oder gar nicht be-
arbeitet werden. Man kann ſie deswegen in
dieſem Puncte mit den Europaͤern gar nicht
vergleichen. Beſonders gehoͤrt die Malerey
unter diejenigen Kuͤnſte, welche vielleicht am
allerwenigſten getrieben werden. Sie machen
lauter verſtuͤmmelte Figuren, und wiſſen nicht,
wo ſie Schatten und Licht anbringen ſollen,
weil ſie nlchts von der Perſpective und vom
Deſſin verſtehen. Sie haben zwar Schrift-
ſteller, die uͤber dieſe Sachen geſchrieben ha-
ben — unter andern einen gewiſſen Araber,
Namens Ebne Heuſſein — aber man aͤußert
gar keine Luſt, ſie zu ſtudiren. Die Urſache
hiervon muß man einzig und allein in ihrer
Religion ſuchen, welche es ſcharf verbietet, Ge-
maͤlde zu machen oder auszuhaͤngen. Vor
Zeiten weiß man, daß die Perſer fuͤr-
treffliche Mahler gehabt, den Beweis hiervon
geben die alten Denkmaͤler an die Hand, die
noch hin und wieder ausgegraben werden. —
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/142>, abgerufen am 21.11.2024.
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