digung. Aber in den neu eroberten Staaten, herrscht er mit dem größten Despotismus. Hier hat er nicht nur die freye Macht über das Leben und den Tod eines jeden Unterthanen, sondern diese unumschränkte Macht erstreckt sich auch so gar über die Prinzen vom Geblüt. Sein Wille vertritt die Stelle des Gesetzes, und wer sich seinen willkührlichen Befehlen auch nur im Geringsten widersetzt, hat sich der härtesten Strafe zu gewärtigen.
Der Kayser ist zwar verbunden, bey allen Vorfällen und Angelegenheiten nach den Gese- tzen zu regieren, und auch wohl, in wichtigen Fällen, seinen Gerichtshof der Censoren, es mögen bürgerliche oder Criminalsachen seyn, um Rath zu fragen. Allein da er der erste Ausleger der Gesetze ist, und sich die Glieder des Gerichtshofes schlechterdings nach seiner Auslegung richten müssen, dafern sie sich der Gefahr, cassirt zu werden, nicht aussetzen wol- len; so muß sich die ganze Regierung nach sei- nem Willkühr richten. -- Vor Zeiten war diese Macht viel eingeschränkter, und ein Monarch durfte es nicht wagen, Gesetze für sich zu geben, welche den ganzen Staat oder die Religion angiengen. Allein die Ursach hiervon lag bloß darinn, weil die Monarchen damals auf ihrem Throne nicht so sicher wa- ren, wie sie itzt sind. In den neuern Zeiten aber hat man es an dem Kayser Kang-hi ge- sehen, daß er bey Religions und andern Sa-
chen
digung. Aber in den neu eroberten Staaten, herrſcht er mit dem groͤßten Deſpotismus. Hier hat er nicht nur die freye Macht uͤber das Leben und den Tod eines jeden Unterthanen, ſondern dieſe unumſchraͤnkte Macht erſtreckt ſich auch ſo gar uͤber die Prinzen vom Gebluͤt. Sein Wille vertritt die Stelle des Geſetzes, und wer ſich ſeinen willkuͤhrlichen Befehlen auch nur im Geringſten widerſetzt, hat ſich der haͤrteſten Strafe zu gewaͤrtigen.
Der Kayſer iſt zwar verbunden, bey allen Vorfaͤllen und Angelegenheiten nach den Geſe- tzen zu regieren, und auch wohl, in wichtigen Faͤllen, ſeinen Gerichtshof der Cenſoren, es moͤgen buͤrgerliche oder Criminalſachen ſeyn, um Rath zu fragen. Allein da er der erſte Ausleger der Geſetze iſt, und ſich die Glieder des Gerichtshofes ſchlechterdings nach ſeiner Auslegung richten muͤſſen, dafern ſie ſich der Gefahr, caſſirt zu werden, nicht ausſetzen wol- len; ſo muß ſich die ganze Regierung nach ſei- nem Willkuͤhr richten. — Vor Zeiten war dieſe Macht viel eingeſchraͤnkter, und ein Monarch durfte es nicht wagen, Geſetze fuͤr ſich zu geben, welche den ganzen Staat oder die Religion angiengen. Allein die Urſach hiervon lag bloß darinn, weil die Monarchen damals auf ihrem Throne nicht ſo ſicher wa- ren, wie ſie itzt ſind. In den neuern Zeiten aber hat man es an dem Kayſer Kang-hi ge- ſehen, daß er bey Religions und andern Sa-
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digung. Aber in den neu eroberten Staaten,
herrſcht er mit dem groͤßten Deſpotismus.
Hier hat er nicht nur die freye Macht uͤber das
Leben und den Tod eines jeden Unterthanen,
ſondern dieſe unumſchraͤnkte Macht erſtreckt
ſich auch ſo gar uͤber die Prinzen vom Gebluͤt.
Sein Wille vertritt die Stelle des Geſetzes,
und wer ſich ſeinen willkuͤhrlichen Befehlen
auch nur im Geringſten widerſetzt, hat ſich der
haͤrteſten Strafe zu gewaͤrtigen.
Der Kayſer iſt zwar verbunden, bey allen
Vorfaͤllen und Angelegenheiten nach den Geſe-
tzen zu regieren, und auch wohl, in wichtigen
Faͤllen, ſeinen Gerichtshof der Cenſoren,
es moͤgen buͤrgerliche oder Criminalſachen ſeyn,
um Rath zu fragen. Allein da er der erſte
Ausleger der Geſetze iſt, und ſich die Glieder
des Gerichtshofes ſchlechterdings nach ſeiner
Auslegung richten muͤſſen, dafern ſie ſich der
Gefahr, caſſirt zu werden, nicht ausſetzen wol-
len; ſo muß ſich die ganze Regierung nach ſei-
nem Willkuͤhr richten. — Vor Zeiten war
dieſe Macht viel eingeſchraͤnkter, und ein
Monarch durfte es nicht wagen, Geſetze fuͤr
ſich zu geben, welche den ganzen Staat oder
die Religion angiengen. Allein die Urſach
hiervon lag bloß darinn, weil die Monarchen
damals auf ihrem Throne nicht ſo ſicher wa-
ren, wie ſie itzt ſind. In den neuern Zeiten
aber hat man es an dem Kayſer Kang-hi ge-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/266>, abgerufen am 26.11.2024.
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