merkt lassen, daß er die Vorurtheile des gros- sen Haufens, in Ansehung der Religion und Religionsgebräuche, nicht geradezu angriff: eine gefährliche Klippe, woran viele berühmte Sittenlehrer, und unter diesen Sokrates, un- glücklicherweise, gescheitert. Durch diese löb- liche Vorsichtigkeit, konnte es diesem in aller Absicht großem Manne gar nicht fehlen, sich bald der allgemeinen Achtung zu versichern. Mit einem tiefen und alles durchschauendeu Verstande, verband er die Tugend der Mäßig- keit, Demuth, Uneigennützigkeit, Aufrich- tigkeit, und eine großmüthige Verachtung al- ler Reichthümer. Und es dauerte nicht lange, so wurde er, ungeachtet China überall mit al- len Arten von Lastern überschwemmt war, zu der Würde eines Mandarins und ersten Staatsbedienten, erhoben. -- Die Verwal- tung eines so ansehnlichen Postens, machte dem Confucius Hoffnung, seine Reformation in Absicht der Religion und des Staats besser befördern zu können, und er nahm die Anträge auch willig an. -- Seine Grundsätze in der Kunst zu regieren, seine Staatsklugheit, seine neuen Einrichtungen der bürgerlichen Gesetze, sind eben so sehr, als seine Sittenlehre zu be- wundern: er zeigte durch sein eignes Beyspiel, wie gut und wie nothwendig es sey, daß ein Regent mit der Regierung eine gesunde Phi- losophie verbände: er zeigte, wie die Tugend die Grundstütze der Religion sey!
Es
merkt laſſen, daß er die Vorurtheile des groſ- ſen Haufens, in Anſehung der Religion und Religionsgebraͤuche, nicht geradezu angriff: eine gefaͤhrliche Klippe, woran viele beruͤhmte Sittenlehrer, und unter dieſen Sokrates, un- gluͤcklicherweiſe, geſcheitert. Durch dieſe loͤb- liche Vorſichtigkeit, konnte es dieſem in aller Abſicht großem Manne gar nicht fehlen, ſich bald der allgemeinen Achtung zu verſichern. Mit einem tiefen und alles durchſchauendeu Verſtande, verband er die Tugend der Maͤßig- keit, Demuth, Uneigennuͤtzigkeit, Aufrich- tigkeit, und eine großmuͤthige Verachtung al- ler Reichthuͤmer. Und es dauerte nicht lange, ſo wurde er, ungeachtet China uͤberall mit al- len Arten von Laſtern uͤberſchwemmt war, zu der Wuͤrde eines Mandarins und erſten Staatsbedienten, erhoben. — Die Verwal- tung eines ſo anſehnlichen Poſtens, machte dem Confucius Hoffnung, ſeine Reformation in Abſicht der Religion und des Staats beſſer befoͤrdern zu koͤnnen, und er nahm die Antraͤge auch willig an. — Seine Grundſaͤtze in der Kunſt zu regieren, ſeine Staatsklugheit, ſeine neuen Einrichtungen der buͤrgerlichen Geſetze, ſind eben ſo ſehr, als ſeine Sittenlehre zu be- wundern: er zeigte durch ſein eignes Beyſpiel, wie gut und wie nothwendig es ſey, daß ein Regent mit der Regierung eine geſunde Phi- loſophie verbaͤnde: er zeigte, wie die Tugend die Grundſtuͤtze der Religion ſey!
Es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0302"n="282"/>
merkt laſſen, daß er die Vorurtheile des groſ-<lb/>ſen Haufens, in Anſehung der Religion und<lb/>
Religionsgebraͤuche, nicht geradezu angriff:<lb/>
eine gefaͤhrliche Klippe, woran viele beruͤhmte<lb/>
Sittenlehrer, und unter dieſen Sokrates, un-<lb/>
gluͤcklicherweiſe, geſcheitert. Durch dieſe loͤb-<lb/>
liche Vorſichtigkeit, konnte es dieſem in aller<lb/>
Abſicht großem Manne gar nicht fehlen, ſich<lb/>
bald der allgemeinen Achtung zu verſichern.<lb/>
Mit einem tiefen und alles durchſchauendeu<lb/>
Verſtande, verband er die Tugend der Maͤßig-<lb/>
keit, Demuth, Uneigennuͤtzigkeit, Aufrich-<lb/>
tigkeit, und eine großmuͤthige Verachtung al-<lb/>
ler Reichthuͤmer. Und es dauerte nicht lange,<lb/>ſo wurde er, ungeachtet China uͤberall mit al-<lb/>
len Arten von Laſtern uͤberſchwemmt war, zu<lb/>
der Wuͤrde eines Mandarins und erſten<lb/>
Staatsbedienten, erhoben. — Die Verwal-<lb/>
tung eines ſo anſehnlichen Poſtens, machte<lb/>
dem Confucius Hoffnung, ſeine Reformation<lb/>
in Abſicht der Religion und des Staats beſſer<lb/>
befoͤrdern zu koͤnnen, und er nahm die Antraͤge<lb/>
auch willig an. — Seine Grundſaͤtze in der<lb/>
Kunſt zu regieren, ſeine Staatsklugheit, ſeine<lb/>
neuen Einrichtungen der buͤrgerlichen Geſetze,<lb/>ſind eben ſo ſehr, als ſeine Sittenlehre zu be-<lb/>
wundern: er zeigte durch ſein eignes Beyſpiel,<lb/>
wie gut und wie nothwendig es ſey, daß ein<lb/>
Regent mit der Regierung eine geſunde Phi-<lb/>
loſophie verbaͤnde: er zeigte, wie die Tugend<lb/>
die Grundſtuͤtze der Religion ſey!</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[282/0302]
merkt laſſen, daß er die Vorurtheile des groſ-
ſen Haufens, in Anſehung der Religion und
Religionsgebraͤuche, nicht geradezu angriff:
eine gefaͤhrliche Klippe, woran viele beruͤhmte
Sittenlehrer, und unter dieſen Sokrates, un-
gluͤcklicherweiſe, geſcheitert. Durch dieſe loͤb-
liche Vorſichtigkeit, konnte es dieſem in aller
Abſicht großem Manne gar nicht fehlen, ſich
bald der allgemeinen Achtung zu verſichern.
Mit einem tiefen und alles durchſchauendeu
Verſtande, verband er die Tugend der Maͤßig-
keit, Demuth, Uneigennuͤtzigkeit, Aufrich-
tigkeit, und eine großmuͤthige Verachtung al-
ler Reichthuͤmer. Und es dauerte nicht lange,
ſo wurde er, ungeachtet China uͤberall mit al-
len Arten von Laſtern uͤberſchwemmt war, zu
der Wuͤrde eines Mandarins und erſten
Staatsbedienten, erhoben. — Die Verwal-
tung eines ſo anſehnlichen Poſtens, machte
dem Confucius Hoffnung, ſeine Reformation
in Abſicht der Religion und des Staats beſſer
befoͤrdern zu koͤnnen, und er nahm die Antraͤge
auch willig an. — Seine Grundſaͤtze in der
Kunſt zu regieren, ſeine Staatsklugheit, ſeine
neuen Einrichtungen der buͤrgerlichen Geſetze,
ſind eben ſo ſehr, als ſeine Sittenlehre zu be-
wundern: er zeigte durch ſein eignes Beyſpiel,
wie gut und wie nothwendig es ſey, daß ein
Regent mit der Regierung eine geſunde Phi-
loſophie verbaͤnde: er zeigte, wie die Tugend
die Grundſtuͤtze der Religion ſey!
Es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/302>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.