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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776.

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merkt lassen, daß er die Vorurtheile des gros-
sen Haufens, in Ansehung der Religion und
Religionsgebräuche, nicht geradezu angriff:
eine gefährliche Klippe, woran viele berühmte
Sittenlehrer, und unter diesen Sokrates, un-
glücklicherweise, gescheitert. Durch diese löb-
liche Vorsichtigkeit, konnte es diesem in aller
Absicht großem Manne gar nicht fehlen, sich
bald der allgemeinen Achtung zu versichern.
Mit einem tiefen und alles durchschauendeu
Verstande, verband er die Tugend der Mäßig-
keit, Demuth, Uneigennützigkeit, Aufrich-
tigkeit, und eine großmüthige Verachtung al-
ler Reichthümer. Und es dauerte nicht lange,
so wurde er, ungeachtet China überall mit al-
len Arten von Lastern überschwemmt war, zu
der Würde eines Mandarins und ersten
Staatsbedienten, erhoben. -- Die Verwal-
tung eines so ansehnlichen Postens, machte
dem Confucius Hoffnung, seine Reformation
in Absicht der Religion und des Staats besser
befördern zu können, und er nahm die Anträge
auch willig an. -- Seine Grundsätze in der
Kunst zu regieren, seine Staatsklugheit, seine
neuen Einrichtungen der bürgerlichen Gesetze,
sind eben so sehr, als seine Sittenlehre zu be-
wundern: er zeigte durch sein eignes Beyspiel,
wie gut und wie nothwendig es sey, daß ein
Regent mit der Regierung eine gesunde Phi-
losophie verbände: er zeigte, wie die Tugend
die Grundstütze der Religion sey!

Es

merkt laſſen, daß er die Vorurtheile des groſ-
ſen Haufens, in Anſehung der Religion und
Religionsgebraͤuche, nicht geradezu angriff:
eine gefaͤhrliche Klippe, woran viele beruͤhmte
Sittenlehrer, und unter dieſen Sokrates, un-
gluͤcklicherweiſe, geſcheitert. Durch dieſe loͤb-
liche Vorſichtigkeit, konnte es dieſem in aller
Abſicht großem Manne gar nicht fehlen, ſich
bald der allgemeinen Achtung zu verſichern.
Mit einem tiefen und alles durchſchauendeu
Verſtande, verband er die Tugend der Maͤßig-
keit, Demuth, Uneigennuͤtzigkeit, Aufrich-
tigkeit, und eine großmuͤthige Verachtung al-
ler Reichthuͤmer. Und es dauerte nicht lange,
ſo wurde er, ungeachtet China uͤberall mit al-
len Arten von Laſtern uͤberſchwemmt war, zu
der Wuͤrde eines Mandarins und erſten
Staatsbedienten, erhoben. — Die Verwal-
tung eines ſo anſehnlichen Poſtens, machte
dem Confucius Hoffnung, ſeine Reformation
in Abſicht der Religion und des Staats beſſer
befoͤrdern zu koͤnnen, und er nahm die Antraͤge
auch willig an. — Seine Grundſaͤtze in der
Kunſt zu regieren, ſeine Staatsklugheit, ſeine
neuen Einrichtungen der buͤrgerlichen Geſetze,
ſind eben ſo ſehr, als ſeine Sittenlehre zu be-
wundern: er zeigte durch ſein eignes Beyſpiel,
wie gut und wie nothwendig es ſey, daß ein
Regent mit der Regierung eine geſunde Phi-
loſophie verbaͤnde: er zeigte, wie die Tugend
die Grundſtuͤtze der Religion ſey!

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[282/0302] merkt laſſen, daß er die Vorurtheile des groſ- ſen Haufens, in Anſehung der Religion und Religionsgebraͤuche, nicht geradezu angriff: eine gefaͤhrliche Klippe, woran viele beruͤhmte Sittenlehrer, und unter dieſen Sokrates, un- gluͤcklicherweiſe, geſcheitert. Durch dieſe loͤb- liche Vorſichtigkeit, konnte es dieſem in aller Abſicht großem Manne gar nicht fehlen, ſich bald der allgemeinen Achtung zu verſichern. Mit einem tiefen und alles durchſchauendeu Verſtande, verband er die Tugend der Maͤßig- keit, Demuth, Uneigennuͤtzigkeit, Aufrich- tigkeit, und eine großmuͤthige Verachtung al- ler Reichthuͤmer. Und es dauerte nicht lange, ſo wurde er, ungeachtet China uͤberall mit al- len Arten von Laſtern uͤberſchwemmt war, zu der Wuͤrde eines Mandarins und erſten Staatsbedienten, erhoben. — Die Verwal- tung eines ſo anſehnlichen Poſtens, machte dem Confucius Hoffnung, ſeine Reformation in Abſicht der Religion und des Staats beſſer befoͤrdern zu koͤnnen, und er nahm die Antraͤge auch willig an. — Seine Grundſaͤtze in der Kunſt zu regieren, ſeine Staatsklugheit, ſeine neuen Einrichtungen der buͤrgerlichen Geſetze, ſind eben ſo ſehr, als ſeine Sittenlehre zu be- wundern: er zeigte durch ſein eignes Beyſpiel, wie gut und wie nothwendig es ſey, daß ein Regent mit der Regierung eine geſunde Phi- loſophie verbaͤnde: er zeigte, wie die Tugend die Grundſtuͤtze der Religion ſey! Es

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/302>, abgerufen am 24.11.2024.