über die Nase geschleiert, wenn sie nämlich schon verheyrathet sind. Dieß geschieht darum, da- mit ihre Anverwandten und Priester, denen die Erlaubniß, das Frauenzimmer zu besuchen, nicht verweigert ist, nur einen Theil des Ge- sichts sehen können. -- Diese Bewandniß hat es, wie ich gesagt habe, mit den Verheyrathe- ten. Allein das unverheyrathete Frauenzim- mer bedeckt sich mit dem Schleier nur bis über den Mund, damit man von ihrer Schönheit oder Häßlichkeit urtheilen könne. Die Schleier, deren sich das Frauenzimmer bedient, gehören mit unter die ältesten Gebräuche, wovon die Geschichte redet; allein man kann nicht gewiß wissen, ob sie dieß aus Schamhaftigkeit, eitler Ehre, oder aus Eifersucht ihrer Männer gethan haben. -- Weder das Frauenzimmer noch die Mannspersonen tragen Handschuh, die im Orient ganz unbekannt sind.
Der Kopfputz des Frauenzimmers ist nicht zu dem hohen Grad der Absurdität gestiegen, wie bey uns Europäern. Er ist simpel und überaus anständig. Ihre Haare haben sie hin- ten am Kopfe in Flechten gebunden: und eine Hauptschönheit bestehet darinn, wenn diese Flechten dicke sind, und bis auf die Fersen her- unterhängen. Reicht das natürliche Haar zu dieser Flechte nicht zu; so verlängert man sie durch seidene Zöpfe. Man ziert die Enden ei- ner solchen Flechte mit kostbaren Perlen oder mit einem Bouquet von Steinen u. s. w.
Das
uͤber die Naſe geſchleiert, wenn ſie naͤmlich ſchon verheyrathet ſind. Dieß geſchieht darum, da- mit ihre Anverwandten und Prieſter, denen die Erlaubniß, das Frauenzimmer zu beſuchen, nicht verweigert iſt, nur einen Theil des Ge- ſichts ſehen koͤnnen. — Dieſe Bewandniß hat es, wie ich geſagt habe, mit den Verheyrathe- ten. Allein das unverheyrathete Frauenzim- mer bedeckt ſich mit dem Schleier nur bis uͤber den Mund, damit man von ihrer Schoͤnheit oder Haͤßlichkeit urtheilen koͤnne. Die Schleier, deren ſich das Frauenzimmer bedient, gehoͤren mit unter die aͤlteſten Gebraͤuche, wovon die Geſchichte redet; allein man kann nicht gewiß wiſſen, ob ſie dieß aus Schamhaftigkeit, eitler Ehre, oder aus Eiferſucht ihrer Maͤnner gethan haben. — Weder das Frauenzimmer noch die Mannsperſonen tragen Handſchuh, die im Orient ganz unbekannt ſind.
Der Kopfputz des Frauenzimmers iſt nicht zu dem hohen Grad der Abſurditaͤt geſtiegen, wie bey uns Europaͤern. Er iſt ſimpel und uͤberaus anſtaͤndig. Ihre Haare haben ſie hin- ten am Kopfe in Flechten gebunden: und eine Hauptſchoͤnheit beſtehet darinn, wenn dieſe Flechten dicke ſind, und bis auf die Ferſen her- unterhaͤngen. Reicht das natuͤrliche Haar zu dieſer Flechte nicht zu; ſo verlaͤngert man ſie durch ſeidene Zoͤpfe. Man ziert die Enden ei- ner ſolchen Flechte mit koſtbaren Perlen oder mit einem Bouquet von Steinen u. ſ. w.
Das
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uͤber die Naſe geſchleiert, wenn ſie naͤmlich ſchon
verheyrathet ſind. Dieß geſchieht darum, da-
mit ihre Anverwandten und Prieſter, denen
die Erlaubniß, das Frauenzimmer zu beſuchen,
nicht verweigert iſt, nur einen Theil des Ge-
ſichts ſehen koͤnnen. — Dieſe Bewandniß hat
es, wie ich geſagt habe, mit den Verheyrathe-
ten. Allein das unverheyrathete Frauenzim-
mer bedeckt ſich mit dem Schleier nur bis uͤber
den Mund, damit man von ihrer Schoͤnheit
oder Haͤßlichkeit urtheilen koͤnne. Die Schleier,
deren ſich das Frauenzimmer bedient, gehoͤren
mit unter die aͤlteſten Gebraͤuche, wovon die
Geſchichte redet; allein man kann nicht gewiß
wiſſen, ob ſie dieß aus Schamhaftigkeit, eitler
Ehre, oder aus Eiferſucht ihrer Maͤnner gethan
haben. — Weder das Frauenzimmer noch die
Mannsperſonen tragen Handſchuh, die im
Orient ganz unbekannt ſind.
Der Kopfputz des Frauenzimmers iſt nicht
zu dem hohen Grad der Abſurditaͤt geſtiegen,
wie bey uns Europaͤern. Er iſt ſimpel und
uͤberaus anſtaͤndig. Ihre Haare haben ſie hin-
ten am Kopfe in Flechten gebunden: und eine
Hauptſchoͤnheit beſtehet darinn, wenn dieſe
Flechten dicke ſind, und bis auf die Ferſen her-
unterhaͤngen. Reicht das natuͤrliche Haar zu
dieſer Flechte nicht zu; ſo verlaͤngert man ſie
durch ſeidene Zoͤpfe. Man ziert die Enden ei-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/58>, abgerufen am 24.11.2024.
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