Das heißt nun freylich sich sehr erniedri- gen, besonders wenn man sich der Namen Ab- gesandte gedenket. Allein durch dieses gehor- same Betragen und tiefe Herablaßung haben die Holländer immer getrachtet, sich des Zu- trauens und der Liebe der Japaner zu versichern. Im Grunde aber scheinen sie sich dadurch bey den Japanern verächtlich gemacht zu haben. Denn sie haben sich doch, ungeachtet ihrer tie- fen Unterwerfungsbezeigungen, nie vor den be- leidigenden und tyrannischen Begegnungen, die sie im Lande ausstehen müssen, schützen können. Man behandelt sie ohne Zweifel in Japan mit einer ungewöhnlichen Härte, und die stolze Be- handlung der Insulaner gegen sie ist kaum er- träglich zu nennen. Man bewahrt und achtet auf sie, nicht anders als wären sie Spione; man sperrt sie in Gefängnißen ein, und traktirt sie wie Vieh. Die Gelassenheit, womit die Holländer diese Plagen ertragen, ist zum Be- wundern groß, und man hat Gelegenheit in die- sem Falle zu sehen, wie vieles der Geitz über Menschen vermag. Kämpfer mag hier aber- mals auftreten und sich über diesen Punct aus- laßen: Der Geitz, sagt dieser wackere, ehrliche Deutsche, der Geitz der Holländer und der Glanz des japanischen Goldes hat so viel Gewicht über sie (nemlich über die Hollän- der) gehabt, daß sie lieber, ehe sie die Handlung ganz fahren laßen wollten, freywillig eine fast beständige Gefangen-
schaft
Das heißt nun freylich ſich ſehr erniedri- gen, beſonders wenn man ſich der Namen Ab- geſandte gedenket. Allein durch dieſes gehor- ſame Betragen und tiefe Herablaßung haben die Hollaͤnder immer getrachtet, ſich des Zu- trauens und der Liebe der Japaner zu verſichern. Im Grunde aber ſcheinen ſie ſich dadurch bey den Japanern veraͤchtlich gemacht zu haben. Denn ſie haben ſich doch, ungeachtet ihrer tie- fen Unterwerfungsbezeigungen, nie vor den be- leidigenden und tyranniſchen Begegnungen, die ſie im Lande ausſtehen muͤſſen, ſchuͤtzen koͤnnen. Man behandelt ſie ohne Zweifel in Japan mit einer ungewoͤhnlichen Haͤrte, und die ſtolze Be- handlung der Inſulaner gegen ſie iſt kaum er- traͤglich zu nennen. Man bewahrt und achtet auf ſie, nicht anders als waͤren ſie Spione; man ſperrt ſie in Gefaͤngnißen ein, und traktirt ſie wie Vieh. Die Gelaſſenheit, womit die Hollaͤnder dieſe Plagen ertragen, iſt zum Be- wundern groß, und man hat Gelegenheit in die- ſem Falle zu ſehen, wie vieles der Geitz uͤber Menſchen vermag. Kaͤmpfer mag hier aber- mals auftreten und ſich uͤber dieſen Punct aus- laßen: Der Geitz, ſagt dieſer wackere, ehrliche Deutſche, der Geitz der Hollaͤnder und der Glanz des japaniſchen Goldes hat ſo viel Gewicht uͤber ſie (nemlich uͤber die Hollaͤn- der) gehabt, daß ſie lieber, ehe ſie die Handlung ganz fahren laßen wollten, freywillig eine faſt beſtaͤndige Gefangen-
ſchaft
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Das heißt nun freylich ſich ſehr erniedri-
gen, beſonders wenn man ſich der Namen Ab-
geſandte gedenket. Allein durch dieſes gehor-
ſame Betragen und tiefe Herablaßung haben
die Hollaͤnder immer getrachtet, ſich des Zu-
trauens und der Liebe der Japaner zu verſichern.
Im Grunde aber ſcheinen ſie ſich dadurch bey
den Japanern veraͤchtlich gemacht zu haben.
Denn ſie haben ſich doch, ungeachtet ihrer tie-
fen Unterwerfungsbezeigungen, nie vor den be-
leidigenden und tyranniſchen Begegnungen, die
ſie im Lande ausſtehen muͤſſen, ſchuͤtzen koͤnnen.
Man behandelt ſie ohne Zweifel in Japan mit
einer ungewoͤhnlichen Haͤrte, und die ſtolze Be-
handlung der Inſulaner gegen ſie iſt kaum er-
traͤglich zu nennen. Man bewahrt und achtet
auf ſie, nicht anders als waͤren ſie Spione;
man ſperrt ſie in Gefaͤngnißen ein, und traktirt
ſie wie Vieh. Die Gelaſſenheit, womit die
Hollaͤnder dieſe Plagen ertragen, iſt zum Be-
wundern groß, und man hat Gelegenheit in die-
ſem Falle zu ſehen, wie vieles der Geitz uͤber
Menſchen vermag. Kaͤmpfer mag hier aber-
mals auftreten und ſich uͤber dieſen Punct aus-
laßen: Der Geitz, ſagt dieſer wackere, ehrliche
Deutſche, der Geitz der Hollaͤnder und der
Glanz des japaniſchen Goldes hat ſo viel
Gewicht uͤber ſie (nemlich uͤber die Hollaͤn-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/134>, abgerufen am 21.11.2024.
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