Kaffeehause etwas spöttisch: ob er der Vater der jungen und schönen Frau des N. N. wäre? Dieser vermuthete, daß man die Ehre seiner Tochter im Verdacht hätte, und verließ sogleich die Gesellschaft, um den Kopf seiner Tochter zu holen. Bey seiner Zurückkunft hatte sich der andre Araber, aus Furcht vor der Rache, be- reits entfernt. Der Beleidigte suchte nachher nichts so sehr, als das Unrecht, welches ihm und seiner Tochter wiederfahren war, zu rächen. Er bemühete sich selbst lange Zeit vergebens, den Beleidiger zu finden: indessen tödtete er ver- schiedene Anverwandten seines Feindes, und legte auch so gar seine Hand an seine Bedienten und Vieh. Weil der Beleidiger endlich seinen Untergang unvermeidlich sah, und kein Mittel wußte, sich zu retten; so bot er dem Oberhaupt der Janitscharen und Gouverneur zu Korne, eine große Summe, wenn er seinen Feind an- halten, und ihm das Leben nehmen wollte. Der Aga foderte diesen vor sich, und verlangte, daß er sich versöhnen möchte. Er wollte aber nichts von einem Vergleich hören, sondern bestand darauf, seinen Feind zu tödten. Der Aga dro- hete ihm selbst das Leben zu nehmen, und ließ darzu, um ihn zu schrecken, einige Anstalten machen. Weil er aber so standhaft war, daß er den Todt für nichts gegen die erlittene Schan- de, und den Verlust seiner Tochter achtete; so entschloß sich der Aga, mit einigen vornehmen Arabern, aus Achtung gegen die eheliebende
Ge-
Kaffeehauſe etwas ſpoͤttiſch: ob er der Vater der jungen und ſchoͤnen Frau des N. N. waͤre? Dieſer vermuthete, daß man die Ehre ſeiner Tochter im Verdacht haͤtte, und verließ ſogleich die Geſellſchaft, um den Kopf ſeiner Tochter zu holen. Bey ſeiner Zuruͤckkunft hatte ſich der andre Araber, aus Furcht vor der Rache, be- reits entfernt. Der Beleidigte ſuchte nachher nichts ſo ſehr, als das Unrecht, welches ihm und ſeiner Tochter wiederfahren war, zu raͤchen. Er bemuͤhete ſich ſelbſt lange Zeit vergebens, den Beleidiger zu finden: indeſſen toͤdtete er ver- ſchiedene Anverwandten ſeines Feindes, und legte auch ſo gar ſeine Hand an ſeine Bedienten und Vieh. Weil der Beleidiger endlich ſeinen Untergang unvermeidlich ſah, und kein Mittel wußte, ſich zu retten; ſo bot er dem Oberhaupt der Janitſcharen und Gouverneur zu Korne, eine große Summe, wenn er ſeinen Feind an- halten, und ihm das Leben nehmen wollte. Der Aga foderte dieſen vor ſich, und verlangte, daß er ſich verſoͤhnen moͤchte. Er wollte aber nichts von einem Vergleich hoͤren, ſondern beſtand darauf, ſeinen Feind zu toͤdten. Der Aga dro- hete ihm ſelbſt das Leben zu nehmen, und ließ darzu, um ihn zu ſchrecken, einige Anſtalten machen. Weil er aber ſo ſtandhaft war, daß er den Todt fuͤr nichts gegen die erlittene Schan- de, und den Verluſt ſeiner Tochter achtete; ſo entſchloß ſich der Aga, mit einigen vornehmen Arabern, aus Achtung gegen die eheliebende
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Kaffeehauſe etwas ſpoͤttiſch: ob er der Vater
der jungen und ſchoͤnen Frau des N. N. waͤre?
Dieſer vermuthete, daß man die Ehre ſeiner
Tochter im Verdacht haͤtte, und verließ ſogleich
die Geſellſchaft, um den Kopf ſeiner Tochter zu
holen. Bey ſeiner Zuruͤckkunft hatte ſich der
andre Araber, aus Furcht vor der Rache, be-
reits entfernt. Der Beleidigte ſuchte nachher
nichts ſo ſehr, als das Unrecht, welches ihm und
ſeiner Tochter wiederfahren war, zu raͤchen.
Er bemuͤhete ſich ſelbſt lange Zeit vergebens, den
Beleidiger zu finden: indeſſen toͤdtete er ver-
ſchiedene Anverwandten ſeines Feindes, und
legte auch ſo gar ſeine Hand an ſeine Bedienten
und Vieh. Weil der Beleidiger endlich ſeinen
Untergang unvermeidlich ſah, und kein Mittel
wußte, ſich zu retten; ſo bot er dem Oberhaupt
der Janitſcharen und Gouverneur zu Korne,
eine große Summe, wenn er ſeinen Feind an-
halten, und ihm das Leben nehmen wollte. Der
Aga foderte dieſen vor ſich, und verlangte, daß
er ſich verſoͤhnen moͤchte. Er wollte aber nichts
von einem Vergleich hoͤren, ſondern beſtand
darauf, ſeinen Feind zu toͤdten. Der Aga dro-
hete ihm ſelbſt das Leben zu nehmen, und ließ
darzu, um ihn zu ſchrecken, einige Anſtalten
machen. Weil er aber ſo ſtandhaft war, daß
er den Todt fuͤr nichts gegen die erlittene Schan-
de, und den Verluſt ſeiner Tochter achtete; ſo
entſchloß ſich der Aga, mit einigen vornehmen
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/152>, abgerufen am 22.11.2024.
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