Weil die Frau nicht verpflichtet ist, ihrem Manne ihr eigenthümliches Vermögen in die Hände zu geben; so ist dieser oft von ihr ab- hängig. Die reichen Mohammebanerinnen ha- ben daher in ihren Häusern mehr zu befehlen, als die Christinnen in Europa, ja sie sind ge- wissermaßen glücklicher, weil sie auch verlangen können, geschieden zu werden, wenn sich der Mann ungebührlich gegen sie bezeiget. Bey dem allen ist es bey den Mohammedanern nichts seltenes, daß sie ihre Weiber verstoßen. Sie bedienen sich dieses Rechts aber nicht gerne, ohne sehr wichtige Ursachen, theils weil es für einen ehrbaren Mann für unanständig gehalten wird, theils auch, weil sie ihre Frau und ihre Angehörigen nicht beschimpfen wollen. Man findet nur hin und wieder reiche Wollüstlinge, deren Aufführung von ehrbaren Mohammeda- nern gar nicht gebilligt wird, wenn sie mehrere Weiber nehmen. Diese wählen sich gemeiniglich Personen von niedern Stande, denen es gut deucht, auf einmal vornehm und von vielen Be- dienten umgeben zu werden. Dagegen müßen sie es sich auch gefallen lassen, daß der Mann ihnen nicht nur drey andere Frauen an die Sei- te setzt, sondern sich noch darzu Sklavinnen hält, und sie selbst am Ende gar verstößt.
Es giebt also Mohammedaner, die mehr als eine Frau haben. Weil nun in den Mor- genländern die Anzahl der Manns- und Weibs- personen, vermuthlich ohngefähr gleich ist; so
wird
O 2
Weil die Frau nicht verpflichtet iſt, ihrem Manne ihr eigenthuͤmliches Vermoͤgen in die Haͤnde zu geben; ſo iſt dieſer oft von ihr ab- haͤngig. Die reichen Mohammebanerinnen ha- ben daher in ihren Haͤuſern mehr zu befehlen, als die Chriſtinnen in Europa, ja ſie ſind ge- wiſſermaßen gluͤcklicher, weil ſie auch verlangen koͤnnen, geſchieden zu werden, wenn ſich der Mann ungebuͤhrlich gegen ſie bezeiget. Bey dem allen iſt es bey den Mohammedanern nichts ſeltenes, daß ſie ihre Weiber verſtoßen. Sie bedienen ſich dieſes Rechts aber nicht gerne, ohne ſehr wichtige Urſachen, theils weil es fuͤr einen ehrbaren Mann fuͤr unanſtaͤndig gehalten wird, theils auch, weil ſie ihre Frau und ihre Angehoͤrigen nicht beſchimpfen wollen. Man findet nur hin und wieder reiche Wolluͤſtlinge, deren Auffuͤhrung von ehrbaren Mohammeda- nern gar nicht gebilligt wird, wenn ſie mehrere Weiber nehmen. Dieſe waͤhlen ſich gemeiniglich Perſonen von niedern Stande, denen es gut deucht, auf einmal vornehm und von vielen Be- dienten umgeben zu werden. Dagegen muͤßen ſie es ſich auch gefallen laſſen, daß der Mann ihnen nicht nur drey andere Frauen an die Sei- te ſetzt, ſondern ſich noch darzu Sklavinnen haͤlt, und ſie ſelbſt am Ende gar verſtoͤßt.
Es giebt alſo Mohammedaner, die mehr als eine Frau haben. Weil nun in den Mor- genlaͤndern die Anzahl der Manns- und Weibs- perſonen, vermuthlich ohngefaͤhr gleich iſt; ſo
wird
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Weil die Frau nicht verpflichtet iſt, ihrem
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Haͤnde zu geben; ſo iſt dieſer oft von ihr ab-
haͤngig. Die reichen Mohammebanerinnen ha-
ben daher in ihren Haͤuſern mehr zu befehlen,
als die Chriſtinnen in Europa, ja ſie ſind ge-
wiſſermaßen gluͤcklicher, weil ſie auch verlangen
koͤnnen, geſchieden zu werden, wenn ſich der
Mann ungebuͤhrlich gegen ſie bezeiget. Bey
dem allen iſt es bey den Mohammedanern nichts
ſeltenes, daß ſie ihre Weiber verſtoßen. Sie
bedienen ſich dieſes Rechts aber nicht gerne,
ohne ſehr wichtige Urſachen, theils weil es fuͤr
einen ehrbaren Mann fuͤr unanſtaͤndig gehalten
wird, theils auch, weil ſie ihre Frau und ihre
Angehoͤrigen nicht beſchimpfen wollen. Man
findet nur hin und wieder reiche Wolluͤſtlinge,
deren Auffuͤhrung von ehrbaren Mohammeda-
nern gar nicht gebilligt wird, wenn ſie mehrere
Weiber nehmen. Dieſe waͤhlen ſich gemeiniglich
Perſonen von niedern Stande, denen es gut
deucht, auf einmal vornehm und von vielen Be-
dienten umgeben zu werden. Dagegen muͤßen
ſie es ſich auch gefallen laſſen, daß der Mann
ihnen nicht nur drey andere Frauen an die Sei-
te ſetzt, ſondern ſich noch darzu Sklavinnen
haͤlt, und ſie ſelbſt am Ende gar verſtoͤßt.
Es giebt alſo Mohammedaner, die mehr
als eine Frau haben. Weil nun in den Mor-
genlaͤndern die Anzahl der Manns- und Weibs-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/237>, abgerufen am 21.11.2024.
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