gen, das Band an der Eichel gelöset hatte. Bey genauer Nachfrage und Untersuchung, wel- che ich mit einer ernsthaften Mine anstellte, fand ich auch hier, daß dem armen Manne geholfen werden könnte, wenn er sich eben dieser Opera- tion unterwerfen wollte. -- Hieraus schließt nun H. N. daß, wenn dieser Mann in seiner jugend wäre beschnitten worden, seine Frau sich wahrlich nicht über ihn beschwert haben würde, und er selbst ruhiger leben, und Erben hätte ha- ben können. Doch seinem Mangel wurde nicht abgeholfen; denn die Frau versicherte -- sie werde es nicht zugeben, daß ein Messer angesetzt werde.
Die Beschneidung ist nicht bey allen Mor- genländern nothwendig. Unser Reisebeschreiber hat an einem Christenknaben, der vor ihm na- ckend durch einen Fluß gieng, eine so kurze Vor- haut gesehen, daß sie nur wenig von der Eichel bedeckte. H. N. meinte, der Knabe sey be- schnitten, und äußerte seinen Verdacht gegen einen alten Maroniten. Allein, dieser wollte bemerkt haben, daß man dergleichen sehr oft bey solchen Leuten sähei, welche in dem abneh- menden Monde geboren würden, ja, daß sie zu- weilen gar keine Vorhaut hätten. Es ist aber doch sehr daran zu zweiflen, daß die Ursache dem Monde könne zugeschrieben werden. -- Wenn es also nicht selten ist, daß Knaben ohne Vorhaut geboren werden; so kann dieß die Morgenländer, welche das leichter bemerken
können,
gen, das Band an der Eichel geloͤſet hatte. Bey genauer Nachfrage und Unterſuchung, wel- che ich mit einer ernſthaften Mine anſtellte, fand ich auch hier, daß dem armen Manne geholfen werden koͤnnte, wenn er ſich eben dieſer Opera- tion unterwerfen wollte. — Hieraus ſchließt nun H. N. daß, wenn dieſer Mann in ſeiner jugend waͤre beſchnitten worden, ſeine Frau ſich wahrlich nicht uͤber ihn beſchwert haben wuͤrde, und er ſelbſt ruhiger leben, und Erben haͤtte ha- ben koͤnnen. Doch ſeinem Mangel wurde nicht abgeholfen; denn die Frau verſicherte — ſie werde es nicht zugeben, daß ein Meſſer angeſetzt werde.
Die Beſchneidung iſt nicht bey allen Mor- genlaͤndern nothwendig. Unſer Reiſebeſchreiber hat an einem Chriſtenknaben, der vor ihm na- ckend durch einen Fluß gieng, eine ſo kurze Vor- haut geſehen, daß ſie nur wenig von der Eichel bedeckte. H. N. meinte, der Knabe ſey be- ſchnitten, und aͤußerte ſeinen Verdacht gegen einen alten Maroniten. Allein, dieſer wollte bemerkt haben, daß man dergleichen ſehr oft bey ſolchen Leuten ſaͤhei, welche in dem abneh- menden Monde geboren wuͤrden, ja, daß ſie zu- weilen gar keine Vorhaut haͤtten. Es iſt aber doch ſehr daran zu zweiflen, daß die Urſache dem Monde koͤnne zugeſchrieben werden. — Wenn es alſo nicht ſelten iſt, daß Knaben ohne Vorhaut geboren werden; ſo kann dieß die Morgenlaͤnder, welche das leichter bemerken
koͤnnen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0245"n="219"/>
gen, das Band an der Eichel geloͤſet hatte.<lb/>
Bey genauer Nachfrage und Unterſuchung, wel-<lb/>
che ich mit einer ernſthaften Mine anſtellte, fand<lb/>
ich auch hier, daß dem armen Manne geholfen<lb/>
werden koͤnnte, wenn er ſich eben dieſer Opera-<lb/>
tion unterwerfen wollte. — Hieraus ſchließt<lb/>
nun H. N. daß, wenn dieſer Mann in ſeiner<lb/>
jugend waͤre beſchnitten worden, ſeine Frau ſich<lb/>
wahrlich nicht uͤber ihn beſchwert haben wuͤrde,<lb/>
und er ſelbſt ruhiger leben, und Erben haͤtte ha-<lb/>
ben koͤnnen. Doch ſeinem Mangel wurde nicht<lb/>
abgeholfen; denn die Frau verſicherte —ſie<lb/>
werde es nicht zugeben, daß ein Meſſer angeſetzt<lb/>
werde.</p><lb/><p>Die Beſchneidung iſt nicht bey allen Mor-<lb/>
genlaͤndern nothwendig. Unſer Reiſebeſchreiber<lb/>
hat an einem Chriſtenknaben, der vor ihm na-<lb/>
ckend durch einen Fluß gieng, eine ſo kurze Vor-<lb/>
haut geſehen, daß ſie nur wenig von der Eichel<lb/>
bedeckte. H. N. meinte, der Knabe ſey be-<lb/>ſchnitten, und aͤußerte ſeinen Verdacht gegen<lb/>
einen alten Maroniten. Allein, dieſer wollte<lb/>
bemerkt haben, daß man dergleichen ſehr oft<lb/>
bey ſolchen Leuten ſaͤhei, welche in dem abneh-<lb/>
menden Monde geboren wuͤrden, ja, daß ſie zu-<lb/>
weilen gar keine Vorhaut haͤtten. Es iſt aber<lb/>
doch ſehr daran zu zweiflen, daß die Urſache<lb/>
dem Monde koͤnne zugeſchrieben werden. —<lb/>
Wenn es alſo nicht ſelten iſt, daß Knaben ohne<lb/>
Vorhaut geboren werden; ſo kann dieß die<lb/>
Morgenlaͤnder, welche das leichter bemerken<lb/><fwplace="bottom"type="catch">koͤnnen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[219/0245]
gen, das Band an der Eichel geloͤſet hatte.
Bey genauer Nachfrage und Unterſuchung, wel-
che ich mit einer ernſthaften Mine anſtellte, fand
ich auch hier, daß dem armen Manne geholfen
werden koͤnnte, wenn er ſich eben dieſer Opera-
tion unterwerfen wollte. — Hieraus ſchließt
nun H. N. daß, wenn dieſer Mann in ſeiner
jugend waͤre beſchnitten worden, ſeine Frau ſich
wahrlich nicht uͤber ihn beſchwert haben wuͤrde,
und er ſelbſt ruhiger leben, und Erben haͤtte ha-
ben koͤnnen. Doch ſeinem Mangel wurde nicht
abgeholfen; denn die Frau verſicherte — ſie
werde es nicht zugeben, daß ein Meſſer angeſetzt
werde.
Die Beſchneidung iſt nicht bey allen Mor-
genlaͤndern nothwendig. Unſer Reiſebeſchreiber
hat an einem Chriſtenknaben, der vor ihm na-
ckend durch einen Fluß gieng, eine ſo kurze Vor-
haut geſehen, daß ſie nur wenig von der Eichel
bedeckte. H. N. meinte, der Knabe ſey be-
ſchnitten, und aͤußerte ſeinen Verdacht gegen
einen alten Maroniten. Allein, dieſer wollte
bemerkt haben, daß man dergleichen ſehr oft
bey ſolchen Leuten ſaͤhei, welche in dem abneh-
menden Monde geboren wuͤrden, ja, daß ſie zu-
weilen gar keine Vorhaut haͤtten. Es iſt aber
doch ſehr daran zu zweiflen, daß die Urſache
dem Monde koͤnne zugeſchrieben werden. —
Wenn es alſo nicht ſelten iſt, daß Knaben ohne
Vorhaut geboren werden; ſo kann dieß die
Morgenlaͤnder, welche das leichter bemerken
koͤnnen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/245>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.