sich nicht erhitze; ein anders soll ihm Appetit zum Fressen geben, u. s. f. Das Oberhaupt einer gewissen Familie zu Haleb, theilet an ei- nem gewissen Tage im Jahre, eine Menge sol- cher Zettel umsonst aus, welche die Würkung haben sollen, daß in das Zimmer, worinn einer am Fenster steckt, keine Fliegen oder Mücken kommen. Nur muß dieser Zettel an einem be- stimmten Tage vor Sonnenaufgang geholt wer- den. Der Bote muß an dem Morgen weder gegessen noch getrunken haben, und zu dem darf er bis zu seiner Zurückkunft nicht ein Wort reden, wenn der Zettel seine Kraft nicht verlieren soll. -- Man hört selten, daß die Zimmer, in welchen diese Zettel am Fenster stecken, weni- ger von Fliegen und Mücken angefüllt sind, als diejenigen, wo man sie nicht findet. Die mei- sten, welche sie abholen, sind alte Weiber, und diese sind denn gemeiniglich so höflich zu glau- ben, daß sie selbst nicht alle vorgeschriebene Re- geln wohl beobachtet haben. Daher kommt es, daß die Zettel noch jährlich an dem bestimmten Tage mit großer Begierde verlangt werden. Juden, Mohammedaner, Christen -- alle können dergleichen Zettel schreiben.
Die Wissenschaft Ramle gehört vermuth- lich gleichfalls zu der Wissenschaft Simia. Man will dadurch aus dem Namen eines Men- schen, und dem Namen seiner Mutter vorher- sagen können, was ihm begegnen werde. Wenn jemand krank wird, so muß ein Mulla gleich
nach-
Q 5
ſich nicht erhitze; ein anders ſoll ihm Appetit zum Freſſen geben, u. ſ. f. Das Oberhaupt einer gewiſſen Familie zu Haleb, theilet an ei- nem gewiſſen Tage im Jahre, eine Menge ſol- cher Zettel umſonſt aus, welche die Wuͤrkung haben ſollen, daß in das Zimmer, worinn einer am Fenſter ſteckt, keine Fliegen oder Muͤcken kommen. Nur muß dieſer Zettel an einem be- ſtimmten Tage vor Sonnenaufgang geholt wer- den. Der Bote muß an dem Morgen weder gegeſſen noch getrunken haben, und zu dem darf er bis zu ſeiner Zuruͤckkunft nicht ein Wort reden, wenn der Zettel ſeine Kraft nicht verlieren ſoll. — Man hoͤrt ſelten, daß die Zimmer, in welchen dieſe Zettel am Fenſter ſtecken, weni- ger von Fliegen und Muͤcken angefuͤllt ſind, als diejenigen, wo man ſie nicht findet. Die mei- ſten, welche ſie abholen, ſind alte Weiber, und dieſe ſind denn gemeiniglich ſo hoͤflich zu glau- ben, daß ſie ſelbſt nicht alle vorgeſchriebene Re- geln wohl beobachtet haben. Daher kommt es, daß die Zettel noch jaͤhrlich an dem beſtimmten Tage mit großer Begierde verlangt werden. Juden, Mohammedaner, Chriſten — alle koͤnnen dergleichen Zettel ſchreiben.
Die Wiſſenſchaft Ramle gehoͤrt vermuth- lich gleichfalls zu der Wiſſenſchaft Simia. Man will dadurch aus dem Namen eines Men- ſchen, und dem Namen ſeiner Mutter vorher- ſagen koͤnnen, was ihm begegnen werde. Wenn jemand krank wird, ſo muß ein Mulla gleich
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ſich nicht erhitze; ein anders ſoll ihm Appetit
zum Freſſen geben, u. ſ. f. Das Oberhaupt
einer gewiſſen Familie zu Haleb, theilet an ei-
nem gewiſſen Tage im Jahre, eine Menge ſol-
cher Zettel umſonſt aus, welche die Wuͤrkung
haben ſollen, daß in das Zimmer, worinn einer
am Fenſter ſteckt, keine Fliegen oder Muͤcken
kommen. Nur muß dieſer Zettel an einem be-
ſtimmten Tage vor Sonnenaufgang geholt wer-
den. Der Bote muß an dem Morgen weder
gegeſſen noch getrunken haben, und zu dem darf
er bis zu ſeiner Zuruͤckkunft nicht ein Wort reden,
wenn der Zettel ſeine Kraft nicht verlieren
ſoll. — Man hoͤrt ſelten, daß die Zimmer,
in welchen dieſe Zettel am Fenſter ſtecken, weni-
ger von Fliegen und Muͤcken angefuͤllt ſind, als
diejenigen, wo man ſie nicht findet. Die mei-
ſten, welche ſie abholen, ſind alte Weiber, und
dieſe ſind denn gemeiniglich ſo hoͤflich zu glau-
ben, daß ſie ſelbſt nicht alle vorgeſchriebene Re-
geln wohl beobachtet haben. Daher kommt es,
daß die Zettel noch jaͤhrlich an dem beſtimmten
Tage mit großer Begierde verlangt werden.
Juden, Mohammedaner, Chriſten — alle
koͤnnen dergleichen Zettel ſchreiben.
Die Wiſſenſchaft Ramle gehoͤrt vermuth-
lich gleichfalls zu der Wiſſenſchaft Simia.
Man will dadurch aus dem Namen eines Men-
ſchen, und dem Namen ſeiner Mutter vorher-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/275>, abgerufen am 21.11.2024.
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