selten öffentlich, und halten es für unanständig, außer ihren Häusern zu tanzen.
Die Bedouinen kennen keinen andern Arzt, als Gott. Er hat, sagen sie, dem Menschen an die Stirne geschrieben, wie lange er leben soll; und die ganze Arzeneykunst ist nicht fähig, wenn seine Stunde gekommen ist, ihn vom Sterben abzuhalten. Indessen nehmen sie doch, wenn sie krank sind, welches aber selten ist, Ar- zeney von gewissen Kräuterweibern. Sie glau- ben auch an Talismane, und an allerley For- meln, welche man ihnen hersagen läßt. Wenn sie das Fieber haben, legen sie sich während des Frostes in die Sonne, und wenn die Hitze kommt, in den Schatten. Empfinden sie einen heftigen und anhaltenden Schmerz, es sey an welchem Theile des Leibes es wolle; so halten sie einen kleinen brennenden Tocht daran, und die Hitze zertheilt und tödtet ihn.
Wir haben schon anderswo gesagt, daß sie vom Clystierbrauchen keine Freunde sind. Nach ihrer Meynung wäre dieß eine abscheuliche Unan- ständigkeit, die sie nicht begehen würden, sollte es ihnen auch das Leben kosten. Sie glauben, daß die Seele im Blute stecke, und daher ist ihnen das Aderlassen sehr zuwider, und vermei- den es, so lange es angehen will. Die Wun- den, die sie oft bey ihren Streifereyen empfan- gen, haben sie von der Nothwendigkeit der
Wund-
S
ſelten oͤffentlich, und halten es fuͤr unanſtaͤndig, außer ihren Haͤuſern zu tanzen.
Die Bedouinen kennen keinen andern Arzt, als Gott. Er hat, ſagen ſie, dem Menſchen an die Stirne geſchrieben, wie lange er leben ſoll; und die ganze Arzeneykunſt iſt nicht faͤhig, wenn ſeine Stunde gekommen iſt, ihn vom Sterben abzuhalten. Indeſſen nehmen ſie doch, wenn ſie krank ſind, welches aber ſelten iſt, Ar- zeney von gewiſſen Kraͤuterweibern. Sie glau- ben auch an Talismane, und an allerley For- meln, welche man ihnen herſagen laͤßt. Wenn ſie das Fieber haben, legen ſie ſich waͤhrend des Froſtes in die Sonne, und wenn die Hitze kommt, in den Schatten. Empfinden ſie einen heftigen und anhaltenden Schmerz, es ſey an welchem Theile des Leibes es wolle; ſo halten ſie einen kleinen brennenden Tocht daran, und die Hitze zertheilt und toͤdtet ihn.
Wir haben ſchon anderswo geſagt, daß ſie vom Clyſtierbrauchen keine Freunde ſind. Nach ihrer Meynung waͤre dieß eine abſcheuliche Unan- ſtaͤndigkeit, die ſie nicht begehen wuͤrden, ſollte es ihnen auch das Leben koſten. Sie glauben, daß die Seele im Blute ſtecke, und daher iſt ihnen das Aderlaſſen ſehr zuwider, und vermei- den es, ſo lange es angehen will. Die Wun- den, die ſie oft bey ihren Streifereyen empfan- gen, haben ſie von der Nothwendigkeit der
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ſelten oͤffentlich, und halten es fuͤr unanſtaͤndig,
außer ihren Haͤuſern zu tanzen.
Die Bedouinen kennen keinen andern Arzt,
als Gott. Er hat, ſagen ſie, dem Menſchen
an die Stirne geſchrieben, wie lange er leben
ſoll; und die ganze Arzeneykunſt iſt nicht faͤhig,
wenn ſeine Stunde gekommen iſt, ihn vom
Sterben abzuhalten. Indeſſen nehmen ſie doch,
wenn ſie krank ſind, welches aber ſelten iſt, Ar-
zeney von gewiſſen Kraͤuterweibern. Sie glau-
ben auch an Talismane, und an allerley For-
meln, welche man ihnen herſagen laͤßt. Wenn
ſie das Fieber haben, legen ſie ſich waͤhrend des
Froſtes in die Sonne, und wenn die Hitze kommt,
in den Schatten. Empfinden ſie einen heftigen
und anhaltenden Schmerz, es ſey an welchem
Theile des Leibes es wolle; ſo halten ſie einen
kleinen brennenden Tocht daran, und die Hitze
zertheilt und toͤdtet ihn.
Wir haben ſchon anderswo geſagt, daß ſie
vom Clyſtierbrauchen keine Freunde ſind. Nach
ihrer Meynung waͤre dieß eine abſcheuliche Unan-
ſtaͤndigkeit, die ſie nicht begehen wuͤrden, ſollte
es ihnen auch das Leben koſten. Sie glauben,
daß die Seele im Blute ſtecke, und daher iſt
ihnen das Aderlaſſen ſehr zuwider, und vermei-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/299>, abgerufen am 22.11.2024.
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