den, und kommen dem Könige nie zu nahe, außer wenn er sie würdigt, sich ihnen am Fen- ster des Pallastes zu zeigen. -- Alles, was im Prassat (so wird der Pallast genannt) vor- geht, ist ein tiefes Geheimniß, und niemand wagt es, vom Könige zu reden, oder sich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.
Man kann aus der traurigen Lebensart ei- nes solchen Hofes urtheilen. -- Die Frauen- zimmer kommen nicht in den Prassat, ausge- nommen diejenigen, deren trauriges Schicksal sie bestimmt, zu dem Vergnügen des Königs zu dienen, und in einem Serail eingeschlossen zu seyn, aus welchen sie niemals kommen. Diese Mädchen, welche zum Vergnügen des Königes bestimmt sind, nimmt man gewöhnlich aus Siam. Indessen sehen es die Siamer nie- mals gerne, weil sie keine Hofnung haben, ihre Töchter jemals wiederzusehen. Daher kaufen die meisten diese beschwerliche Schuldigkeit mit Gelde ab. Dieser Gebrauch ist auch so gemein, daß die Hoflieferanten ohne Unterlaß eine Men- ge Mädchen wegnehmen, blos in der Absicht, um sich dadurch Geld zu schaffen. Die Zahl der geringen Weiber des Königes steigt selten höher, als auf zehn, und er nimmt sie nicht blos aus Unmäßigkeit, sondern um seine Ho- heit dadurch zu zeigen. -- Die rechtmäßige Gemahlinn ist nicht nur über alle andere Wei- ber des Königes erhaben, sondern sie ist auch, vermöge ihrer in Händen habenden Gewalt,
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den, und kommen dem Koͤnige nie zu nahe, außer wenn er ſie wuͤrdigt, ſich ihnen am Fen- ſter des Pallaſtes zu zeigen. — Alles, was im Praſſat (ſo wird der Pallaſt genannt) vor- geht, iſt ein tiefes Geheimniß, und niemand wagt es, vom Koͤnige zu reden, oder ſich nach ſeiner Geſundheit zu erkundigen.
Man kann aus der traurigen Lebensart ei- nes ſolchen Hofes urtheilen. — Die Frauen- zimmer kommen nicht in den Praſſat, ausge- nommen diejenigen, deren trauriges Schickſal ſie beſtimmt, zu dem Vergnuͤgen des Koͤnigs zu dienen, und in einem Serail eingeſchloſſen zu ſeyn, aus welchen ſie niemals kommen. Dieſe Maͤdchen, welche zum Vergnuͤgen des Koͤniges beſtimmt ſind, nimmt man gewoͤhnlich aus Siam. Indeſſen ſehen es die Siamer nie- mals gerne, weil ſie keine Hofnung haben, ihre Toͤchter jemals wiederzuſehen. Daher kaufen die meiſten dieſe beſchwerliche Schuldigkeit mit Gelde ab. Dieſer Gebrauch iſt auch ſo gemein, daß die Hoflieferanten ohne Unterlaß eine Men- ge Maͤdchen wegnehmen, blos in der Abſicht, um ſich dadurch Geld zu ſchaffen. Die Zahl der geringen Weiber des Koͤniges ſteigt ſelten hoͤher, als auf zehn, und er nimmt ſie nicht blos aus Unmaͤßigkeit, ſondern um ſeine Ho- heit dadurch zu zeigen. — Die rechtmaͤßige Gemahlinn iſt nicht nur uͤber alle andere Wei- ber des Koͤniges erhaben, ſondern ſie iſt auch, vermoͤge ihrer in Haͤnden habenden Gewalt,
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den, und kommen dem Koͤnige nie zu nahe,
außer wenn er ſie wuͤrdigt, ſich ihnen am Fen-
ſter des Pallaſtes zu zeigen. — Alles, was im
Praſſat (ſo wird der Pallaſt genannt) vor-
geht, iſt ein tiefes Geheimniß, und niemand
wagt es, vom Koͤnige zu reden, oder ſich nach
ſeiner Geſundheit zu erkundigen.
Man kann aus der traurigen Lebensart ei-
nes ſolchen Hofes urtheilen. — Die Frauen-
zimmer kommen nicht in den Praſſat, ausge-
nommen diejenigen, deren trauriges Schickſal
ſie beſtimmt, zu dem Vergnuͤgen des Koͤnigs
zu dienen, und in einem Serail eingeſchloſſen
zu ſeyn, aus welchen ſie niemals kommen.
Dieſe Maͤdchen, welche zum Vergnuͤgen des
Koͤniges beſtimmt ſind, nimmt man gewoͤhnlich
aus Siam. Indeſſen ſehen es die Siamer nie-
mals gerne, weil ſie keine Hofnung haben, ihre
Toͤchter jemals wiederzuſehen. Daher kaufen
die meiſten dieſe beſchwerliche Schuldigkeit mit
Gelde ab. Dieſer Gebrauch iſt auch ſo gemein,
daß die Hoflieferanten ohne Unterlaß eine Men-
ge Maͤdchen wegnehmen, blos in der Abſicht,
um ſich dadurch Geld zu ſchaffen. Die Zahl
der geringen Weiber des Koͤniges ſteigt ſelten
hoͤher, als auf zehn, und er nimmt ſie nicht
blos aus Unmaͤßigkeit, ſondern um ſeine Ho-
heit dadurch zu zeigen. — Die rechtmaͤßige
Gemahlinn iſt nicht nur uͤber alle andere Wei-
ber des Koͤniges erhaben, ſondern ſie iſt auch,
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/323>, abgerufen am 22.11.2024.
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