man, daß sie fast alle die Japaner des Heiden- thums und der Abgötterey beschuldigen. Es scheint, daß sie auch gar keine Begriffe, von dem wahren Gott und dem Verhältniße, wor- in sie mit ihm stehen, haben. Sie glauben, daß die Welt von Ewigkeit stehe, das heißt, daß sie keinen Anfang genommen habe. -- Indessen hat man doch in Japan einem jeden völlige Gewissensfreyheit vergönnt, in so fern sie weder dem bürgerlichen Regiment noch auch dem Frieden und der Ruhe des Staats entge- gen ist. Und dieß ist auch die Ursache, woher die auswärtigen Religionen bey ihnen einen so leichten Eingang gefunden und sich so geschwin- de, zum Nachtheil der alten einheimischen Re- ligion, ausgebreitet haben.
Seit einem Jahrhundert sind folgende drey Hauptreligionen in Japan gangbar gewesen:
1) Die Secte Xinto, oder die älteste unter allen. Diese betet allein ihre alte Gottheiten und Götzen an.
2) Die Secte Budso, oder die Verehrung auswärtiger Götzen, die aus China, Siam und andern Ländern nach Japan gebracht sind.
3) Die Secte Siuto, oder die Lehre ihrer Weltweisen und Moralisten.
Unter diesen drey Hauptreligionen welche gegenwärtig in Japan herrschen, verdient die Religion Xintos, wegen ihres hohen Alter- thums und der langen Dauer, am ersten be- trachtet zu werden. Die ältesten und vornehm-
sten
A 5
man, daß ſie faſt alle die Japaner des Heiden- thums und der Abgoͤtterey beſchuldigen. Es ſcheint, daß ſie auch gar keine Begriffe, von dem wahren Gott und dem Verhaͤltniße, wor- in ſie mit ihm ſtehen, haben. Sie glauben, daß die Welt von Ewigkeit ſtehe, das heißt, daß ſie keinen Anfang genommen habe. — Indeſſen hat man doch in Japan einem jeden voͤllige Gewiſſensfreyheit vergoͤnnt, in ſo fern ſie weder dem buͤrgerlichen Regiment noch auch dem Frieden und der Ruhe des Staats entge- gen iſt. Und dieß iſt auch die Urſache, woher die auswaͤrtigen Religionen bey ihnen einen ſo leichten Eingang gefunden und ſich ſo geſchwin- de, zum Nachtheil der alten einheimiſchen Re- ligion, ausgebreitet haben.
Seit einem Jahrhundert ſind folgende drey Hauptreligionen in Japan gangbar geweſen:
1) Die Secte Xinto, oder die aͤlteſte unter allen. Dieſe betet allein ihre alte Gottheiten und Goͤtzen an.
2) Die Secte Budſo, oder die Verehrung auswaͤrtiger Goͤtzen, die aus China, Siam und andern Laͤndern nach Japan gebracht ſind.
3) Die Secte Siuto, oder die Lehre ihrer Weltweiſen und Moraliſten.
Unter dieſen drey Hauptreligionen welche gegenwaͤrtig in Japan herrſchen, verdient die Religion Xintos, wegen ihres hohen Alter- thums und der langen Dauer, am erſten be- trachtet zu werden. Die aͤlteſten und vornehm-
ſten
A 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0035"n="9"/>
man, daß ſie faſt alle die Japaner des Heiden-<lb/>
thums und der Abgoͤtterey beſchuldigen. Es<lb/>ſcheint, daß ſie auch gar keine Begriffe, von<lb/>
dem wahren Gott und dem Verhaͤltniße, wor-<lb/>
in ſie mit ihm ſtehen, haben. Sie glauben,<lb/>
daß die Welt von Ewigkeit ſtehe, das heißt,<lb/>
daß ſie keinen Anfang genommen habe. —<lb/>
Indeſſen hat man doch in Japan einem jeden<lb/>
voͤllige Gewiſſensfreyheit vergoͤnnt, in ſo fern<lb/>ſie weder dem buͤrgerlichen Regiment noch auch<lb/>
dem Frieden und der Ruhe des Staats entge-<lb/>
gen iſt. Und dieß iſt auch die Urſache, woher<lb/>
die auswaͤrtigen Religionen bey ihnen einen ſo<lb/>
leichten Eingang gefunden und ſich ſo geſchwin-<lb/>
de, zum Nachtheil der alten einheimiſchen Re-<lb/>
ligion, ausgebreitet haben.</p><lb/><p>Seit einem Jahrhundert ſind folgende drey<lb/>
Hauptreligionen in Japan gangbar geweſen:</p><lb/><list><item>1) Die Secte <hirendition="#fr">Xinto,</hi> oder die aͤlteſte unter<lb/>
allen. Dieſe betet allein ihre alte Gottheiten<lb/>
und Goͤtzen an.</item><lb/><item>2) Die Secte <hirendition="#fr">Budſo,</hi> oder die Verehrung<lb/>
auswaͤrtiger Goͤtzen, die aus China, Siam<lb/>
und andern Laͤndern nach Japan gebracht ſind.</item><lb/><item>3) Die Secte <hirendition="#fr">Siuto,</hi> oder die Lehre ihrer<lb/>
Weltweiſen und Moraliſten.</item></list><lb/><p>Unter dieſen drey Hauptreligionen welche<lb/>
gegenwaͤrtig in Japan herrſchen, verdient die<lb/>
Religion <hirendition="#fr">Xintos,</hi> wegen ihres hohen Alter-<lb/>
thums und der langen Dauer, am erſten be-<lb/>
trachtet zu werden. Die aͤlteſten und vornehm-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſten</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[9/0035]
man, daß ſie faſt alle die Japaner des Heiden-
thums und der Abgoͤtterey beſchuldigen. Es
ſcheint, daß ſie auch gar keine Begriffe, von
dem wahren Gott und dem Verhaͤltniße, wor-
in ſie mit ihm ſtehen, haben. Sie glauben,
daß die Welt von Ewigkeit ſtehe, das heißt,
daß ſie keinen Anfang genommen habe. —
Indeſſen hat man doch in Japan einem jeden
voͤllige Gewiſſensfreyheit vergoͤnnt, in ſo fern
ſie weder dem buͤrgerlichen Regiment noch auch
dem Frieden und der Ruhe des Staats entge-
gen iſt. Und dieß iſt auch die Urſache, woher
die auswaͤrtigen Religionen bey ihnen einen ſo
leichten Eingang gefunden und ſich ſo geſchwin-
de, zum Nachtheil der alten einheimiſchen Re-
ligion, ausgebreitet haben.
Seit einem Jahrhundert ſind folgende drey
Hauptreligionen in Japan gangbar geweſen:
1) Die Secte Xinto, oder die aͤlteſte unter
allen. Dieſe betet allein ihre alte Gottheiten
und Goͤtzen an.
2) Die Secte Budſo, oder die Verehrung
auswaͤrtiger Goͤtzen, die aus China, Siam
und andern Laͤndern nach Japan gebracht ſind.
3) Die Secte Siuto, oder die Lehre ihrer
Weltweiſen und Moraliſten.
Unter dieſen drey Hauptreligionen welche
gegenwaͤrtig in Japan herrſchen, verdient die
Religion Xintos, wegen ihres hohen Alter-
thums und der langen Dauer, am erſten be-
trachtet zu werden. Die aͤlteſten und vornehm-
ſten
A 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/35>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.