Volke von Alters her im Gebrauch ist. Sie besteht darinn, daß man alle diejenigen, welche Frohndienste thun müßen, in zwey Klassen thei- let, in Leute von der rechten Hand, und in Leute von der linken Hand: ein natürlicher Un- terschied, welcher anzeigt, auf welche Seite, besonders im Kriege, und bey großen Jagden sie sich stellen sollen. -- Jede Seite wird aber- mals in verschiedene Rotten eingetheilt, und jede Rotte hat ihr Oberhaupt, das den Namen Nai führt.
Die Kinder gehören unter ihrer Eltern Rot- te. Sind diese von zweyerley Rotten; so ge- hören die ungleichen zu der Mutter und die gleichen zum Vater. Indessen müßen derglei- chen Heyrathen dem Nai kund gethan werden, und dieser muß seine Einwilligung dazu geben, sonst gehören alle Kinder zur mütterlichen Rotte.
Der Nai hat das Vorrecht, daß er seinen Soldaten Geld leihen und den fremden Gläubi- ger befriedigen kann. Hierbey hat er den Pro- fit, daß derjenige, für den er bezahlt, sein Leib- eigner wird, wenn er nicht zu bezahlen vermag. Weil der König einem jeden Kriegesbedienten ein Balon und Pagayeurs oder Ruderknechte giebt; so haben auch die Nais in jeder Rotte ihre Ruderknechte, die sie am Gelenke mit einem heissen Eisen und darauf gestrichener Dinte be- zeichnen. Man nennt sie Bao. Allein ande- re Dienste dürfen sie dem Nai nicht leisten, und
auch
Volke von Alters her im Gebrauch iſt. Sie beſteht darinn, daß man alle diejenigen, welche Frohndienſte thun muͤßen, in zwey Klaſſen thei- let, in Leute von der rechten Hand, und in Leute von der linken Hand: ein natuͤrlicher Un- terſchied, welcher anzeigt, auf welche Seite, beſonders im Kriege, und bey großen Jagden ſie ſich ſtellen ſollen. — Jede Seite wird aber- mals in verſchiedene Rotten eingetheilt, und jede Rotte hat ihr Oberhaupt, das den Namen Nai fuͤhrt.
Die Kinder gehoͤren unter ihrer Eltern Rot- te. Sind dieſe von zweyerley Rotten; ſo ge- hoͤren die ungleichen zu der Mutter und die gleichen zum Vater. Indeſſen muͤßen derglei- chen Heyrathen dem Nai kund gethan werden, und dieſer muß ſeine Einwilligung dazu geben, ſonſt gehoͤren alle Kinder zur muͤtterlichen Rotte.
Der Nai hat das Vorrecht, daß er ſeinen Soldaten Geld leihen und den fremden Glaͤubi- ger befriedigen kann. Hierbey hat er den Pro- fit, daß derjenige, fuͤr den er bezahlt, ſein Leib- eigner wird, wenn er nicht zu bezahlen vermag. Weil der Koͤnig einem jeden Kriegesbedienten ein Balon und Pagayeurs oder Ruderknechte giebt; ſo haben auch die Nais in jeder Rotte ihre Ruderknechte, die ſie am Gelenke mit einem heiſſen Eiſen und darauf geſtrichener Dinte be- zeichnen. Man nennt ſie Bao. Allein ande- re Dienſte duͤrfen ſie dem Nai nicht leiſten, und
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Volke von Alters her im Gebrauch iſt. Sie
beſteht darinn, daß man alle diejenigen, welche
Frohndienſte thun muͤßen, in zwey Klaſſen thei-
let, in Leute von der rechten Hand, und in
Leute von der linken Hand: ein natuͤrlicher Un-
terſchied, welcher anzeigt, auf welche Seite,
beſonders im Kriege, und bey großen Jagden
ſie ſich ſtellen ſollen. — Jede Seite wird aber-
mals in verſchiedene Rotten eingetheilt, und
jede Rotte hat ihr Oberhaupt, das den Namen
Nai fuͤhrt.
Die Kinder gehoͤren unter ihrer Eltern Rot-
te. Sind dieſe von zweyerley Rotten; ſo ge-
hoͤren die ungleichen zu der Mutter und die
gleichen zum Vater. Indeſſen muͤßen derglei-
chen Heyrathen dem Nai kund gethan werden,
und dieſer muß ſeine Einwilligung dazu geben,
ſonſt gehoͤren alle Kinder zur muͤtterlichen
Rotte.
Der Nai hat das Vorrecht, daß er ſeinen
Soldaten Geld leihen und den fremden Glaͤubi-
ger befriedigen kann. Hierbey hat er den Pro-
fit, daß derjenige, fuͤr den er bezahlt, ſein Leib-
eigner wird, wenn er nicht zu bezahlen vermag.
Weil der Koͤnig einem jeden Kriegesbedienten
ein Balon und Pagayeurs oder Ruderknechte
giebt; ſo haben auch die Nais in jeder Rotte
ihre Ruderknechte, die ſie am Gelenke mit einem
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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