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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

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Die Siamer verfahren bey Gerichte einmal
wie das andere. Sie wissen nichts von einer
Eintheilung in Civil- und Criminal-Processe,
entweder weil derjenige, welcher einen Civil-
proceß verliehrt, allemal einige Strafe leiden
muß, oder weil Zwistigkeiten von dergleichen
Beschaffenheit würklich etwas seltenes sind.

Das Verfahren vor Gerichte geschieht schrif-
lich, und ein jeder muß, ehe er klagt, Bürgschaft
stellen. Weil das Volk unter gewisse Rotten
gehört, die vornehmsten Nais aber im Landge-
richte sitzen, so überreicht der Kläger seine Bitt-
schrift zuförderst dem Nai von seinem Dorfe:
dieser übergiebt sie dem Nai im Landgerichte,
und dieser dem Statthalter. Der Tschau-Me-
nang sollte sie von Rechtswegen gleich anfangs

wohl
hält; denn weil es schwer fällt, eine große An-
zahl an einem Orte zu füttern und zu stallen, so
zertheilt man sie hin und her.
Oc-Cun-Nai-rong, ist der Elephanten-
meister.
Bey einem jedweden Landgerichte sind auch
einige Beamte, welche keine andere Dienste
thun, als daß sie nach des Tschau-Menangs
Tode seine Stelle versehen, bis der König ein
anders befiehlt. Ferner ist einer da, welcher
dem Statthalter die Tara, d. i. die königlichen
Befehle vorliest. -- Diese Beschreibung ha-
ben wir aus dem La Loubere entlehnt, wohin
derjenige Theil unsrer Leser, der hiervon etwas
mehrers zu lesen wünscht, verwiesen wird.

Die Siamer verfahren bey Gerichte einmal
wie das andere. Sie wiſſen nichts von einer
Eintheilung in Civil- und Criminal-Proceſſe,
entweder weil derjenige, welcher einen Civil-
proceß verliehrt, allemal einige Strafe leiden
muß, oder weil Zwiſtigkeiten von dergleichen
Beſchaffenheit wuͤrklich etwas ſeltenes ſind.

Das Verfahren vor Gerichte geſchieht ſchrif-
lich, und ein jeder muß, ehe er klagt, Buͤrgſchaft
ſtellen. Weil das Volk unter gewiſſe Rotten
gehoͤrt, die vornehmſten Nais aber im Landge-
richte ſitzen, ſo uͤberreicht der Klaͤger ſeine Bitt-
ſchrift zufoͤrderſt dem Nai von ſeinem Dorfe:
dieſer uͤbergiebt ſie dem Nai im Landgerichte,
und dieſer dem Statthalter. Der Tſchau-Me-
nang ſollte ſie von Rechtswegen gleich anfangs

wohl
haͤlt; denn weil es ſchwer faͤllt, eine große An-
zahl an einem Orte zu fuͤttern und zu ſtallen, ſo
zertheilt man ſie hin und her.
Oc-Cun-Nai-rong, iſt der Elephanten-
meiſter.
Bey einem jedweden Landgerichte ſind auch
einige Beamte, welche keine andere Dienſte
thun, als daß ſie nach des Tſchau-Menangs
Tode ſeine Stelle verſehen, bis der Koͤnig ein
anders befiehlt. Ferner iſt einer da, welcher
dem Statthalter die Tara, d. i. die koͤniglichen
Befehle vorlieſt. — Dieſe Beſchreibung ha-
ben wir aus dem La Loubere entlehnt, wohin
derjenige Theil unſrer Leſer, der hiervon etwas
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[330/0356] Die Siamer verfahren bey Gerichte einmal wie das andere. Sie wiſſen nichts von einer Eintheilung in Civil- und Criminal-Proceſſe, entweder weil derjenige, welcher einen Civil- proceß verliehrt, allemal einige Strafe leiden muß, oder weil Zwiſtigkeiten von dergleichen Beſchaffenheit wuͤrklich etwas ſeltenes ſind. Das Verfahren vor Gerichte geſchieht ſchrif- lich, und ein jeder muß, ehe er klagt, Buͤrgſchaft ſtellen. Weil das Volk unter gewiſſe Rotten gehoͤrt, die vornehmſten Nais aber im Landge- richte ſitzen, ſo uͤberreicht der Klaͤger ſeine Bitt- ſchrift zufoͤrderſt dem Nai von ſeinem Dorfe: dieſer uͤbergiebt ſie dem Nai im Landgerichte, und dieſer dem Statthalter. Der Tſchau-Me- nang ſollte ſie von Rechtswegen gleich anfangs wohl *) *) haͤlt; denn weil es ſchwer faͤllt, eine große An- zahl an einem Orte zu fuͤttern und zu ſtallen, ſo zertheilt man ſie hin und her. Oc-Cun-Nai-rong, iſt der Elephanten- meiſter. Bey einem jedweden Landgerichte ſind auch einige Beamte, welche keine andere Dienſte thun, als daß ſie nach des Tſchau-Menangs Tode ſeine Stelle verſehen, bis der Koͤnig ein anders befiehlt. Ferner iſt einer da, welcher dem Statthalter die Tara, d. i. die koͤniglichen Befehle vorlieſt. — Dieſe Beſchreibung ha- ben wir aus dem La Loubere entlehnt, wohin derjenige Theil unſrer Leſer, der hiervon etwas mehrers zu leſen wuͤnſcht, verwieſen wird.

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/356>, abgerufen am 22.11.2024.