Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein Mensch selbst kann zur Gottheit gelangen.
Aber hierzu wird erfordert, daß er gewisse Prü-
fungen aushalten muß, welche wieder eine große
Menge Ungereimtheiten verrathen.

Außer dem göttlichen Stande, welcher den
höchsten Grad der Vollkommenheit ausmacht,
haben sie auch weniger erhabene, dergleichen
der Stand der Heiligen und der Seligen ist.
Sie unterscheiden gewisse Stufen der Seligkeit
in verschiedenen Arten von Paradiesen. In
den ersten Paradiesen lebt man völlig wie auf
Erden; die Heiligen verheyrathen sich, und
zeugen Kinder; man führt Kriege, ist Obrig-
keiten unterworfen, u. s. f. In den andern
reinigen sich die Seelen, bis sie denjenigen Grad
der Heiligkeit erreicht haben, der ihnen eine
vollkommene Unschuld und die höchste Glückse-
ligkeit zuwegebringt. Diese Glückseligkeit be-
steht aber in einer solchen Ruhe und Gelassen-
heit, die einer Vernichtung ähnlich ist. Diese
glückseligen Unsterblichen, in sich selbst vertieft,
vergessen alles übrige, und bekümmern sich we-
der um die Regierung der Welt, noch um ir-
gend etwas anders.

Obgleich der Nirupan -- dieß ist der
Ort, wo man das seligste Paradies findet --
einem jeden, der sich desselben würdig macht,
offen steht; so wird er doch nur von wenigen
Auserwählten bewohnt. Es ist nicht so leicht
eine Stelle in demselben zu erhalten, sondern
man muß vorher gewisse Wanderungen vorneh-

men,
Y 3

Ein Menſch ſelbſt kann zur Gottheit gelangen.
Aber hierzu wird erfordert, daß er gewiſſe Pruͤ-
fungen aushalten muß, welche wieder eine große
Menge Ungereimtheiten verrathen.

Außer dem goͤttlichen Stande, welcher den
hoͤchſten Grad der Vollkommenheit ausmacht,
haben ſie auch weniger erhabene, dergleichen
der Stand der Heiligen und der Seligen iſt.
Sie unterſcheiden gewiſſe Stufen der Seligkeit
in verſchiedenen Arten von Paradieſen. In
den erſten Paradieſen lebt man voͤllig wie auf
Erden; die Heiligen verheyrathen ſich, und
zeugen Kinder; man fuͤhrt Kriege, iſt Obrig-
keiten unterworfen, u. ſ. f. In den andern
reinigen ſich die Seelen, bis ſie denjenigen Grad
der Heiligkeit erreicht haben, der ihnen eine
vollkommene Unſchuld und die hoͤchſte Gluͤckſe-
ligkeit zuwegebringt. Dieſe Gluͤckſeligkeit be-
ſteht aber in einer ſolchen Ruhe und Gelaſſen-
heit, die einer Vernichtung aͤhnlich iſt. Dieſe
gluͤckſeligen Unſterblichen, in ſich ſelbſt vertieft,
vergeſſen alles uͤbrige, und bekuͤmmern ſich we-
der um die Regierung der Welt, noch um ir-
gend etwas anders.

Obgleich der Nirupan — dieß iſt der
Ort, wo man das ſeligſte Paradies findet —
einem jeden, der ſich deſſelben wuͤrdig macht,
offen ſteht; ſo wird er doch nur von wenigen
Auserwaͤhlten bewohnt. Es iſt nicht ſo leicht
eine Stelle in demſelben zu erhalten, ſondern
man muß vorher gewiſſe Wanderungen vorneh-

men,
Y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0367" n="341"/>
Ein Men&#x017F;ch &#x017F;elb&#x017F;t kann zur Gottheit gelangen.<lb/>
Aber hierzu wird erfordert, daß er gewi&#x017F;&#x017F;e Pru&#x0364;-<lb/>
fungen aushalten muß, welche wieder eine große<lb/>
Menge Ungereimtheiten verrathen.</p><lb/>
          <p>Außer dem go&#x0364;ttlichen Stande, welcher den<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad der Vollkommenheit ausmacht,<lb/>
haben &#x017F;ie auch weniger erhabene, dergleichen<lb/>
der Stand der Heiligen und der Seligen i&#x017F;t.<lb/>
Sie unter&#x017F;cheiden gewi&#x017F;&#x017F;e Stufen der Seligkeit<lb/>
in ver&#x017F;chiedenen Arten von Paradie&#x017F;en. In<lb/>
den er&#x017F;ten Paradie&#x017F;en lebt man vo&#x0364;llig wie auf<lb/>
Erden; die Heiligen verheyrathen &#x017F;ich, und<lb/>
zeugen Kinder; man fu&#x0364;hrt Kriege, i&#x017F;t Obrig-<lb/>
keiten unterworfen, u. &#x017F;. f. In den andern<lb/>
reinigen &#x017F;ich die Seelen, bis &#x017F;ie denjenigen Grad<lb/>
der Heiligkeit erreicht haben, der ihnen eine<lb/>
vollkommene Un&#x017F;chuld und die ho&#x0364;ch&#x017F;te Glu&#x0364;ck&#x017F;e-<lb/>
ligkeit zuwegebringt. Die&#x017F;e Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit be-<lb/>
&#x017F;teht aber in einer &#x017F;olchen Ruhe und Gela&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit, die einer Vernichtung a&#x0364;hnlich i&#x017F;t. Die&#x017F;e<lb/>
glu&#x0364;ck&#x017F;eligen Un&#x017F;terblichen, in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vertieft,<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en alles u&#x0364;brige, und beku&#x0364;mmern &#x017F;ich we-<lb/>
der um die Regierung der Welt, noch um ir-<lb/>
gend etwas anders.</p><lb/>
          <p>Obgleich der <hi rendition="#fr">Nirupan</hi> &#x2014; dieß i&#x017F;t der<lb/>
Ort, wo man das &#x017F;elig&#x017F;te Paradies findet &#x2014;<lb/>
einem jeden, der &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben wu&#x0364;rdig macht,<lb/>
offen &#x017F;teht; &#x017F;o wird er doch nur von wenigen<lb/>
Auserwa&#x0364;hlten bewohnt. Es i&#x017F;t nicht &#x017F;o leicht<lb/>
eine Stelle in dem&#x017F;elben zu erhalten, &#x017F;ondern<lb/>
man muß vorher gewi&#x017F;&#x017F;e Wanderungen vorneh-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">men,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0367] Ein Menſch ſelbſt kann zur Gottheit gelangen. Aber hierzu wird erfordert, daß er gewiſſe Pruͤ- fungen aushalten muß, welche wieder eine große Menge Ungereimtheiten verrathen. Außer dem goͤttlichen Stande, welcher den hoͤchſten Grad der Vollkommenheit ausmacht, haben ſie auch weniger erhabene, dergleichen der Stand der Heiligen und der Seligen iſt. Sie unterſcheiden gewiſſe Stufen der Seligkeit in verſchiedenen Arten von Paradieſen. In den erſten Paradieſen lebt man voͤllig wie auf Erden; die Heiligen verheyrathen ſich, und zeugen Kinder; man fuͤhrt Kriege, iſt Obrig- keiten unterworfen, u. ſ. f. In den andern reinigen ſich die Seelen, bis ſie denjenigen Grad der Heiligkeit erreicht haben, der ihnen eine vollkommene Unſchuld und die hoͤchſte Gluͤckſe- ligkeit zuwegebringt. Dieſe Gluͤckſeligkeit be- ſteht aber in einer ſolchen Ruhe und Gelaſſen- heit, die einer Vernichtung aͤhnlich iſt. Dieſe gluͤckſeligen Unſterblichen, in ſich ſelbſt vertieft, vergeſſen alles uͤbrige, und bekuͤmmern ſich we- der um die Regierung der Welt, noch um ir- gend etwas anders. Obgleich der Nirupan — dieß iſt der Ort, wo man das ſeligſte Paradies findet — einem jeden, der ſich deſſelben wuͤrdig macht, offen ſteht; ſo wird er doch nur von wenigen Auserwaͤhlten bewohnt. Es iſt nicht ſo leicht eine Stelle in demſelben zu erhalten, ſondern man muß vorher gewiſſe Wanderungen vorneh- men, Y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/367
Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/367>, abgerufen am 22.11.2024.