Ein Mensch selbst kann zur Gottheit gelangen. Aber hierzu wird erfordert, daß er gewisse Prü- fungen aushalten muß, welche wieder eine große Menge Ungereimtheiten verrathen.
Außer dem göttlichen Stande, welcher den höchsten Grad der Vollkommenheit ausmacht, haben sie auch weniger erhabene, dergleichen der Stand der Heiligen und der Seligen ist. Sie unterscheiden gewisse Stufen der Seligkeit in verschiedenen Arten von Paradiesen. In den ersten Paradiesen lebt man völlig wie auf Erden; die Heiligen verheyrathen sich, und zeugen Kinder; man führt Kriege, ist Obrig- keiten unterworfen, u. s. f. In den andern reinigen sich die Seelen, bis sie denjenigen Grad der Heiligkeit erreicht haben, der ihnen eine vollkommene Unschuld und die höchste Glückse- ligkeit zuwegebringt. Diese Glückseligkeit be- steht aber in einer solchen Ruhe und Gelassen- heit, die einer Vernichtung ähnlich ist. Diese glückseligen Unsterblichen, in sich selbst vertieft, vergessen alles übrige, und bekümmern sich we- der um die Regierung der Welt, noch um ir- gend etwas anders.
Obgleich der Nirupan -- dieß ist der Ort, wo man das seligste Paradies findet -- einem jeden, der sich desselben würdig macht, offen steht; so wird er doch nur von wenigen Auserwählten bewohnt. Es ist nicht so leicht eine Stelle in demselben zu erhalten, sondern man muß vorher gewisse Wanderungen vorneh-
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Ein Menſch ſelbſt kann zur Gottheit gelangen. Aber hierzu wird erfordert, daß er gewiſſe Pruͤ- fungen aushalten muß, welche wieder eine große Menge Ungereimtheiten verrathen.
Außer dem goͤttlichen Stande, welcher den hoͤchſten Grad der Vollkommenheit ausmacht, haben ſie auch weniger erhabene, dergleichen der Stand der Heiligen und der Seligen iſt. Sie unterſcheiden gewiſſe Stufen der Seligkeit in verſchiedenen Arten von Paradieſen. In den erſten Paradieſen lebt man voͤllig wie auf Erden; die Heiligen verheyrathen ſich, und zeugen Kinder; man fuͤhrt Kriege, iſt Obrig- keiten unterworfen, u. ſ. f. In den andern reinigen ſich die Seelen, bis ſie denjenigen Grad der Heiligkeit erreicht haben, der ihnen eine vollkommene Unſchuld und die hoͤchſte Gluͤckſe- ligkeit zuwegebringt. Dieſe Gluͤckſeligkeit be- ſteht aber in einer ſolchen Ruhe und Gelaſſen- heit, die einer Vernichtung aͤhnlich iſt. Dieſe gluͤckſeligen Unſterblichen, in ſich ſelbſt vertieft, vergeſſen alles uͤbrige, und bekuͤmmern ſich we- der um die Regierung der Welt, noch um ir- gend etwas anders.
Obgleich der Nirupan — dieß iſt der Ort, wo man das ſeligſte Paradies findet — einem jeden, der ſich deſſelben wuͤrdig macht, offen ſteht; ſo wird er doch nur von wenigen Auserwaͤhlten bewohnt. Es iſt nicht ſo leicht eine Stelle in demſelben zu erhalten, ſondern man muß vorher gewiſſe Wanderungen vorneh-
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Ein Menſch ſelbſt kann zur Gottheit gelangen.
Aber hierzu wird erfordert, daß er gewiſſe Pruͤ-
fungen aushalten muß, welche wieder eine große
Menge Ungereimtheiten verrathen.
Außer dem goͤttlichen Stande, welcher den
hoͤchſten Grad der Vollkommenheit ausmacht,
haben ſie auch weniger erhabene, dergleichen
der Stand der Heiligen und der Seligen iſt.
Sie unterſcheiden gewiſſe Stufen der Seligkeit
in verſchiedenen Arten von Paradieſen. In
den erſten Paradieſen lebt man voͤllig wie auf
Erden; die Heiligen verheyrathen ſich, und
zeugen Kinder; man fuͤhrt Kriege, iſt Obrig-
keiten unterworfen, u. ſ. f. In den andern
reinigen ſich die Seelen, bis ſie denjenigen Grad
der Heiligkeit erreicht haben, der ihnen eine
vollkommene Unſchuld und die hoͤchſte Gluͤckſe-
ligkeit zuwegebringt. Dieſe Gluͤckſeligkeit be-
ſteht aber in einer ſolchen Ruhe und Gelaſſen-
heit, die einer Vernichtung aͤhnlich iſt. Dieſe
gluͤckſeligen Unſterblichen, in ſich ſelbſt vertieft,
vergeſſen alles uͤbrige, und bekuͤmmern ſich we-
der um die Regierung der Welt, noch um ir-
gend etwas anders.
Obgleich der Nirupan — dieß iſt der
Ort, wo man das ſeligſte Paradies findet —
einem jeden, der ſich deſſelben wuͤrdig macht,
offen ſteht; ſo wird er doch nur von wenigen
Auserwaͤhlten bewohnt. Es iſt nicht ſo leicht
eine Stelle in demſelben zu erhalten, ſondern
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/367>, abgerufen am 22.11.2024.
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