ihre strenge Lebensart verdoppeln. Sie essen alsdann des Tages nur einmal, und solches geschieht zu Mittage Um weniger zerstreut zu seyn, verbergen sie sich in die Wälder, wo sie kleine Hütten aufbauen. Das Volk sieht es als ein Wunderwerk an, daß sie daselbst nicht von den wilden Thieren zerrissen werden; ja es bildet sich ein, die Elephanten, Rhinoceros und Tyger, anstatt sie anzufallen und zu mißhan- deln, kämen viemehr und leckten ihnen im Schla- fe Hände und Füße.
Ordentlicher weise ist die Lebensart dieser Mönche sehr abgemessen. Sie stehen noch vor Tage auf; doch muß es schon so helle seyn, daß sie die Adern an ihren Händen erkennen können. Früher aufzustehen, ist ihnen verboten, weil sie im Dunkeln etwa einen Wurm zertreten könn- ten, wodurch einer der Hauptpunkte ihrer Or- densregeln übertreten würde. Ungeachtet sie also noch vor Tage durch eine Klocke geweckt werden; so stehen sie doch nicht eher auf. Ihre erste Verrichtung ist, daß sie zwey Stunden im Tempel zubringen. Sie verrichten daselbst ihr Gebet, sitzend auf Matten, mit kreuzweis ge- legten Beinen, und singen auf zwey Chören. Dieß Gebet enthält eine kurze Lebensgeschichte ihres Stifters, mit einigen Andachtsübungen untermischt. Wenn das geendigt ist; so fan- gen sie an, den Tempel zu kehren, die Altäre zu schmücken, und andere dergleichen Verrich-
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ihre ſtrenge Lebensart verdoppeln. Sie eſſen alsdann des Tages nur einmal, und ſolches geſchieht zu Mittage Um weniger zerſtreut zu ſeyn, verbergen ſie ſich in die Waͤlder, wo ſie kleine Huͤtten aufbauen. Das Volk ſieht es als ein Wunderwerk an, daß ſie daſelbſt nicht von den wilden Thieren zerriſſen werden; ja es bildet ſich ein, die Elephanten, Rhinoceros und Tyger, anſtatt ſie anzufallen und zu mißhan- deln, kaͤmen viemehr und leckten ihnen im Schla- fe Haͤnde und Fuͤße.
Ordentlicher weiſe iſt die Lebensart dieſer Moͤnche ſehr abgemeſſen. Sie ſtehen noch vor Tage auf; doch muß es ſchon ſo helle ſeyn, daß ſie die Adern an ihren Haͤnden erkennen koͤnnen. Fruͤher aufzuſtehen, iſt ihnen verboten, weil ſie im Dunkeln etwa einen Wurm zertreten koͤnn- ten, wodurch einer der Hauptpunkte ihrer Or- densregeln uͤbertreten wuͤrde. Ungeachtet ſie alſo noch vor Tage durch eine Klocke geweckt werden; ſo ſtehen ſie doch nicht eher auf. Ihre erſte Verrichtung iſt, daß ſie zwey Stunden im Tempel zubringen. Sie verrichten daſelbſt ihr Gebet, ſitzend auf Matten, mit kreuzweis ge- legten Beinen, und ſingen auf zwey Choͤren. Dieß Gebet enthaͤlt eine kurze Lebensgeſchichte ihres Stifters, mit einigen Andachtsuͤbungen untermiſcht. Wenn das geendigt iſt; ſo fan- gen ſie an, den Tempel zu kehren, die Altaͤre zu ſchmuͤcken, und andere dergleichen Verrich-
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ihre ſtrenge Lebensart verdoppeln. Sie eſſen
alsdann des Tages nur einmal, und ſolches
geſchieht zu Mittage Um weniger zerſtreut zu
ſeyn, verbergen ſie ſich in die Waͤlder, wo ſie
kleine Huͤtten aufbauen. Das Volk ſieht es
als ein Wunderwerk an, daß ſie daſelbſt nicht
von den wilden Thieren zerriſſen werden; ja es
bildet ſich ein, die Elephanten, Rhinoceros und
Tyger, anſtatt ſie anzufallen und zu mißhan-
deln, kaͤmen viemehr und leckten ihnen im Schla-
fe Haͤnde und Fuͤße.
Ordentlicher weiſe iſt die Lebensart dieſer
Moͤnche ſehr abgemeſſen. Sie ſtehen noch vor
Tage auf; doch muß es ſchon ſo helle ſeyn, daß
ſie die Adern an ihren Haͤnden erkennen koͤnnen.
Fruͤher aufzuſtehen, iſt ihnen verboten, weil ſie
im Dunkeln etwa einen Wurm zertreten koͤnn-
ten, wodurch einer der Hauptpunkte ihrer Or-
densregeln uͤbertreten wuͤrde. Ungeachtet ſie
alſo noch vor Tage durch eine Klocke geweckt
werden; ſo ſtehen ſie doch nicht eher auf. Ihre
erſte Verrichtung iſt, daß ſie zwey Stunden im
Tempel zubringen. Sie verrichten daſelbſt ihr
Gebet, ſitzend auf Matten, mit kreuzweis ge-
legten Beinen, und ſingen auf zwey Choͤren.
Dieß Gebet enthaͤlt eine kurze Lebensgeſchichte
ihres Stifters, mit einigen Andachtsuͤbungen
untermiſcht. Wenn das geendigt iſt; ſo fan-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/385>, abgerufen am 22.11.2024.
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