diger Zug, und nur daraus kann man es erklä- ren, warum sie einen Abscheu gegen alles Blut- vergießen hegen. Dieß macht sie auch zu Sol- daten ganz und gar ungeschickt, und macht ih- nen den Krieg ganz fürchterlich. Daher kommt es auch, daß sie niemanden mit einer Lebens- strafe belegen, und gegen alle Todesstrafen den lebhaftesten Abscheu äußern.
Ein Baniyan wird also nicht leicht belei- digt, weil er von so sanftem Gemüthscharakter ist. Er erduldet alles; nur das kann er nicht ausstehen, wenn ihm jemand mit der Sohle seines ausgezogenen Pantoffels, wenn er vor- her darauf gespien hat, einen Streich giebt. Für nichts fürchten sie sich auch mehr, als für einer solchen Beleidigung, denn es wird von ihnen für weit schimpflicher angesehen, als wenn man uns mit Koth wirft.
Man giebt den Baniyanen allgemein schuld, daß sie dem Geitz und der Gewinnsucht außer- ordentlich ergeben sind. Für einen sehr gerin- gen Gewinn sollen sie fähig seyn, vieles zu ver- suchen. Und da sie unaufhörlich ihren Sinn auf die Vermehrung der Reichthümer setzen, so haben sie auch alle hinlänglich zu leben, und der Geitz mancher scharrt große Reichthümer zu- sammen. Ihr größester Reichthum besteht blos in Geld und Juwelen, die sie aber so heimlich halten, als es ihnen möglich ist. Diese Furcht, ihre Reichthümer zu verlieren, ist auch die Ur- sach, daß sie keinen großen Aufwand machen,
und
A a 4
diger Zug, und nur daraus kann man es erklaͤ- ren, warum ſie einen Abſcheu gegen alles Blut- vergießen hegen. Dieß macht ſie auch zu Sol- daten ganz und gar ungeſchickt, und macht ih- nen den Krieg ganz fuͤrchterlich. Daher kommt es auch, daß ſie niemanden mit einer Lebens- ſtrafe belegen, und gegen alle Todesſtrafen den lebhafteſten Abſcheu aͤußern.
Ein Baniyan wird alſo nicht leicht belei- digt, weil er von ſo ſanftem Gemuͤthscharakter iſt. Er erduldet alles; nur das kann er nicht ausſtehen, wenn ihm jemand mit der Sohle ſeines ausgezogenen Pantoffels, wenn er vor- her darauf geſpien hat, einen Streich giebt. Fuͤr nichts fuͤrchten ſie ſich auch mehr, als fuͤr einer ſolchen Beleidigung, denn es wird von ihnen fuͤr weit ſchimpflicher angeſehen, als wenn man uns mit Koth wirft.
Man giebt den Baniyanen allgemein ſchuld, daß ſie dem Geitz und der Gewinnſucht außer- ordentlich ergeben ſind. Fuͤr einen ſehr gerin- gen Gewinn ſollen ſie faͤhig ſeyn, vieles zu ver- ſuchen. Und da ſie unaufhoͤrlich ihren Sinn auf die Vermehrung der Reichthuͤmer ſetzen, ſo haben ſie auch alle hinlaͤnglich zu leben, und der Geitz mancher ſcharrt große Reichthuͤmer zu- ſammen. Ihr groͤßeſter Reichthum beſteht blos in Geld und Juwelen, die ſie aber ſo heimlich halten, als es ihnen moͤglich iſt. Dieſe Furcht, ihre Reichthuͤmer zu verlieren, iſt auch die Ur- ſach, daß ſie keinen großen Aufwand machen,
und
A a 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0401"n="375"/>
diger Zug, und nur daraus kann man es erklaͤ-<lb/>
ren, warum ſie einen Abſcheu gegen alles Blut-<lb/>
vergießen hegen. Dieß macht ſie auch zu Sol-<lb/>
daten ganz und gar ungeſchickt, und macht ih-<lb/>
nen den Krieg ganz fuͤrchterlich. Daher kommt<lb/>
es auch, daß ſie niemanden mit einer Lebens-<lb/>ſtrafe belegen, und gegen alle Todesſtrafen den<lb/>
lebhafteſten Abſcheu aͤußern.</p><lb/><p>Ein Baniyan wird alſo nicht leicht belei-<lb/>
digt, weil er von ſo ſanftem Gemuͤthscharakter<lb/>
iſt. Er erduldet alles; nur das kann er nicht<lb/>
ausſtehen, wenn ihm jemand mit der Sohle<lb/>ſeines ausgezogenen Pantoffels, wenn er vor-<lb/>
her darauf geſpien hat, einen Streich giebt.<lb/>
Fuͤr nichts fuͤrchten ſie ſich auch mehr, als fuͤr<lb/>
einer ſolchen Beleidigung, denn es wird von ihnen<lb/>
fuͤr weit ſchimpflicher angeſehen, als wenn man<lb/>
uns mit Koth wirft.</p><lb/><p>Man giebt den Baniyanen allgemein ſchuld,<lb/>
daß ſie dem Geitz und der Gewinnſucht außer-<lb/>
ordentlich ergeben ſind. Fuͤr einen ſehr gerin-<lb/>
gen Gewinn ſollen ſie faͤhig ſeyn, vieles zu ver-<lb/>ſuchen. Und da ſie unaufhoͤrlich ihren Sinn<lb/>
auf die Vermehrung der Reichthuͤmer ſetzen, ſo<lb/>
haben ſie auch alle hinlaͤnglich zu leben, und der<lb/>
Geitz mancher ſcharrt große Reichthuͤmer zu-<lb/>ſammen. Ihr groͤßeſter Reichthum beſteht blos<lb/>
in Geld und Juwelen, die ſie aber ſo heimlich<lb/>
halten, als es ihnen moͤglich iſt. Dieſe Furcht,<lb/>
ihre Reichthuͤmer zu verlieren, iſt auch die Ur-<lb/>ſach, daß ſie keinen großen Aufwand machen,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[375/0401]
diger Zug, und nur daraus kann man es erklaͤ-
ren, warum ſie einen Abſcheu gegen alles Blut-
vergießen hegen. Dieß macht ſie auch zu Sol-
daten ganz und gar ungeſchickt, und macht ih-
nen den Krieg ganz fuͤrchterlich. Daher kommt
es auch, daß ſie niemanden mit einer Lebens-
ſtrafe belegen, und gegen alle Todesſtrafen den
lebhafteſten Abſcheu aͤußern.
Ein Baniyan wird alſo nicht leicht belei-
digt, weil er von ſo ſanftem Gemuͤthscharakter
iſt. Er erduldet alles; nur das kann er nicht
ausſtehen, wenn ihm jemand mit der Sohle
ſeines ausgezogenen Pantoffels, wenn er vor-
her darauf geſpien hat, einen Streich giebt.
Fuͤr nichts fuͤrchten ſie ſich auch mehr, als fuͤr
einer ſolchen Beleidigung, denn es wird von ihnen
fuͤr weit ſchimpflicher angeſehen, als wenn man
uns mit Koth wirft.
Man giebt den Baniyanen allgemein ſchuld,
daß ſie dem Geitz und der Gewinnſucht außer-
ordentlich ergeben ſind. Fuͤr einen ſehr gerin-
gen Gewinn ſollen ſie faͤhig ſeyn, vieles zu ver-
ſuchen. Und da ſie unaufhoͤrlich ihren Sinn
auf die Vermehrung der Reichthuͤmer ſetzen, ſo
haben ſie auch alle hinlaͤnglich zu leben, und der
Geitz mancher ſcharrt große Reichthuͤmer zu-
ſammen. Ihr groͤßeſter Reichthum beſteht blos
in Geld und Juwelen, die ſie aber ſo heimlich
halten, als es ihnen moͤglich iſt. Dieſe Furcht,
ihre Reichthuͤmer zu verlieren, iſt auch die Ur-
ſach, daß ſie keinen großen Aufwand machen,
und
A a 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/401>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.