ist dieser Titel ohne Verwaltung und die Würde ohne Geschäfte. Der Kayser erwählt oftmals einen Menschen ohne alle Erfahrung, zum Groß- vizir und läßet ihm nur die Besoldung seines Amtes. Bald ist es ein Prinz vom mogolschen Geblüt, der sich so gut aufgeführt hat, daß man ihn bis in sein Alter will leben lassen; bald der Vater einer Königinn, die bey dem Kayser in besonderer Gunst stehet, der oft aus dem ge- meinsten Pöbel ist; alsdann fällt alle Last auf die beyden Staatssekretaire. Einer sammlet die Schätze des Reichs; der andre theilt sie aus. Dieser bezahlt die Bedienten der Krone, die Soldaten und die Landleute; jener nimmt die Einkünfte der herrschaftlichen Güter ein, fodert die Abgaben und Zinsen. Ein dritter Finanz- bedienter, der aber nicht in so vielem Ansehen steht, als die Staatssekretaire, muß die Erb- schaften derjenigen, die in Diensten des Kaysers sterben, sammeln. Diese Bedienung ist ein- träglich, aber verhaßt. Uebrigens gelangt man zu dieser erhabenen Stelle nur durch die Waffen. Denn aus den Befehlshabern der Kriegesheere, werden allezeit die Staatsbedienten und Feld- herrn gewählt. Hat man ihres Vorspruchs bey dem Kayser nöthig; so kommt man nie oh- ne Geschenke zu ihnen. Doch kommt dieser Gebrauch nicht so sehr von dem Geize der Om- rahs, als der Ehrfurcht der Clienten her. Auf den Werth des Geschenks wird wenig gesehen. Das Hauptwerk ist, daß man sich vor den Be-
dienten
iſt dieſer Titel ohne Verwaltung und die Wuͤrde ohne Geſchaͤfte. Der Kayſer erwaͤhlt oftmals einen Menſchen ohne alle Erfahrung, zum Groß- vizir und laͤßet ihm nur die Beſoldung ſeines Amtes. Bald iſt es ein Prinz vom mogolſchen Gebluͤt, der ſich ſo gut aufgefuͤhrt hat, daß man ihn bis in ſein Alter will leben laſſen; bald der Vater einer Koͤniginn, die bey dem Kayſer in beſonderer Gunſt ſtehet, der oft aus dem ge- meinſten Poͤbel iſt; alsdann faͤllt alle Laſt auf die beyden Staatsſekretaire. Einer ſammlet die Schaͤtze des Reichs; der andre theilt ſie aus. Dieſer bezahlt die Bedienten der Krone, die Soldaten und die Landleute; jener nimmt die Einkuͤnfte der herrſchaftlichen Guͤter ein, fodert die Abgaben und Zinſen. Ein dritter Finanz- bedienter, der aber nicht in ſo vielem Anſehen ſteht, als die Staatsſekretaire, muß die Erb- ſchaften derjenigen, die in Dienſten des Kayſers ſterben, ſammeln. Dieſe Bedienung iſt ein- traͤglich, aber verhaßt. Uebrigens gelangt man zu dieſer erhabenen Stelle nur durch die Waffen. Denn aus den Befehlshabern der Kriegesheere, werden allezeit die Staatsbedienten und Feld- herrn gewaͤhlt. Hat man ihres Vorſpruchs bey dem Kayſer noͤthig; ſo kommt man nie oh- ne Geſchenke zu ihnen. Doch kommt dieſer Gebrauch nicht ſo ſehr von dem Geize der Om- rahs, als der Ehrfurcht der Clienten her. Auf den Werth des Geſchenks wird wenig geſehen. Das Hauptwerk iſt, daß man ſich vor den Be-
dienten
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iſt dieſer Titel ohne Verwaltung und die Wuͤrde
ohne Geſchaͤfte. Der Kayſer erwaͤhlt oftmals
einen Menſchen ohne alle Erfahrung, zum Groß-
vizir und laͤßet ihm nur die Beſoldung ſeines
Amtes. Bald iſt es ein Prinz vom mogolſchen
Gebluͤt, der ſich ſo gut aufgefuͤhrt hat, daß
man ihn bis in ſein Alter will leben laſſen; bald
der Vater einer Koͤniginn, die bey dem Kayſer
in beſonderer Gunſt ſtehet, der oft aus dem ge-
meinſten Poͤbel iſt; alsdann faͤllt alle Laſt auf
die beyden Staatsſekretaire. Einer ſammlet
die Schaͤtze des Reichs; der andre theilt ſie aus.
Dieſer bezahlt die Bedienten der Krone, die
Soldaten und die Landleute; jener nimmt die
Einkuͤnfte der herrſchaftlichen Guͤter ein, fodert
die Abgaben und Zinſen. Ein dritter Finanz-
bedienter, der aber nicht in ſo vielem Anſehen
ſteht, als die Staatsſekretaire, muß die Erb-
ſchaften derjenigen, die in Dienſten des Kayſers
ſterben, ſammeln. Dieſe Bedienung iſt ein-
traͤglich, aber verhaßt. Uebrigens gelangt man
zu dieſer erhabenen Stelle nur durch die Waffen.
Denn aus den Befehlshabern der Kriegesheere,
werden allezeit die Staatsbedienten und Feld-
herrn gewaͤhlt. Hat man ihres Vorſpruchs
bey dem Kayſer noͤthig; ſo kommt man nie oh-
ne Geſchenke zu ihnen. Doch kommt dieſer
Gebrauch nicht ſo ſehr von dem Geize der Om-
rahs, als der Ehrfurcht der Clienten her. Auf
den Werth des Geſchenks wird wenig geſehen.
Das Hauptwerk iſt, daß man ſich vor den Be-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/457>, abgerufen am 22.11.2024.
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