ziehen den Vistnou vor, und die Malabaren erheben den Ruddiren oder Ischuren.
In die erste Klasse gehört der Götze Bra- ma. Diesem Brama legen die Braminen, (ohngeachtet ihre heiligen Bücher versichern, daß er auf göttlichen Befehl aus der Erde ent- standen sey) einen verschiedenen Ursprung bey, wobey wir uns aber hier nicht aufhalten kön- nen. Man kann hieraus soviel abstrahiren, daß da die Braminen vom ausdrücklichen Buch- staben ihrer heiligen Bücher, ganz offenbar ab- gehen, sie dadurch an den Tag legen, daß sie selbige nicht für göttlich halten.
Nachdem also Brama erschaffen, so legte ihm Gott die Macht bey, die ganze Welt, und alles was darinnen ist, zu erschaffen, wiewohl ihm diese Macht, wie die Baniyanen und Ma- labaren sagen, vom Vistnou sey beygelegt worden. Auf der andern Seite legen ihm die Braminen die Erhaltung der Thiere bey, die doch nach dem Berichte des Shaster, ein Ge- schäfte des Vistnou ist. Hieraus zeigt sichs deut- lich, daß die Sekten ihre heiligen Bücher nach Be- lieben verändern. Die Braminen schreiben dem Brama die Erschaffung und Regierung aller Dinge zu, denn sie sagen, Gott bekümmere sich darum gar nicht. Brama, sagen sie wei- ter, bestimme das Schicksal der Menschen, und besorge alles in der Welt. Dieß Geschäft des Brama ist nun freylich groß, daher ordnen ihm die Bramitzen eine hinlängliche Anzahl zur
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ziehen den Viſtnou vor, und die Malabaren erheben den Ruddiren oder Iſchuren.
In die erſte Klaſſe gehoͤrt der Goͤtze Bra- ma. Dieſem Brama legen die Braminen, (ohngeachtet ihre heiligen Buͤcher verſichern, daß er auf goͤttlichen Befehl aus der Erde ent- ſtanden ſey) einen verſchiedenen Urſprung bey, wobey wir uns aber hier nicht aufhalten koͤn- nen. Man kann hieraus ſoviel abſtrahiren, daß da die Braminen vom ausdruͤcklichen Buch- ſtaben ihrer heiligen Buͤcher, ganz offenbar ab- gehen, ſie dadurch an den Tag legen, daß ſie ſelbige nicht fuͤr goͤttlich halten.
Nachdem alſo Brama erſchaffen, ſo legte ihm Gott die Macht bey, die ganze Welt, und alles was darinnen iſt, zu erſchaffen, wiewohl ihm dieſe Macht, wie die Baniyanen und Ma- labaren ſagen, vom Viſtnou ſey beygelegt worden. Auf der andern Seite legen ihm die Braminen die Erhaltung der Thiere bey, die doch nach dem Berichte des Shaſter, ein Ge- ſchaͤfte des Viſtnou iſt. Hieraus zeigt ſichs deut- lich, daß die Sekten ihre heiligen Buͤcher nach Be- lieben veraͤndern. Die Braminen ſchreiben dem Brama die Erſchaffung und Regierung aller Dinge zu, denn ſie ſagen, Gott bekuͤmmere ſich darum gar nicht. Brama, ſagen ſie wei- ter, beſtimme das Schickſal der Menſchen, und beſorge alles in der Welt. Dieß Geſchaͤft des Brama iſt nun freylich groß, daher ordnen ihm die Bramitzen eine hinlaͤngliche Anzahl zur
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ziehen den Viſtnou vor, und die Malabaren
erheben den Ruddiren oder Iſchuren.
In die erſte Klaſſe gehoͤrt der Goͤtze Bra-
ma. Dieſem Brama legen die Braminen,
(ohngeachtet ihre heiligen Buͤcher verſichern,
daß er auf goͤttlichen Befehl aus der Erde ent-
ſtanden ſey) einen verſchiedenen Urſprung bey,
wobey wir uns aber hier nicht aufhalten koͤn-
nen. Man kann hieraus ſoviel abſtrahiren,
daß da die Braminen vom ausdruͤcklichen Buch-
ſtaben ihrer heiligen Buͤcher, ganz offenbar ab-
gehen, ſie dadurch an den Tag legen, daß ſie
ſelbige nicht fuͤr goͤttlich halten.
Nachdem alſo Brama erſchaffen, ſo legte
ihm Gott die Macht bey, die ganze Welt, und
alles was darinnen iſt, zu erſchaffen, wiewohl
ihm dieſe Macht, wie die Baniyanen und Ma-
labaren ſagen, vom Viſtnou ſey beygelegt
worden. Auf der andern Seite legen ihm die
Braminen die Erhaltung der Thiere bey, die
doch nach dem Berichte des Shaſter, ein Ge-
ſchaͤfte des Viſtnou iſt. Hieraus zeigt ſichs deut-
lich, daß die Sekten ihre heiligen Buͤcher nach Be-
lieben veraͤndern. Die Braminen ſchreiben dem
Brama die Erſchaffung und Regierung aller
Dinge zu, denn ſie ſagen, Gott bekuͤmmere
ſich darum gar nicht. Brama, ſagen ſie wei-
ter, beſtimme das Schickſal der Menſchen, und
beſorge alles in der Welt. Dieß Geſchaͤft des
Brama iſt nun freylich groß, daher ordnen
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/486>, abgerufen am 22.11.2024.
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