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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777.

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verschiedene in jedem Lande der Hindistaner an-
getroffen werden, giebt es auch einige allgemei-
ne; dahin gehört z. E. Kasi, am Ganges;
Matura, unweit Agra. Das Wallfahrten
wird für eine sehr verdienstliche Handlung an-
gesehen, und für ein Mittel gehalten, die Sün-
de auszusöhnen. Zu dem Ende haben sie auch
verschiedene Bußübungen. Einige sitzen oder
stehen in eben derselben Stellung des Leibes gan-
ze Jahre hintereinander. Einige tragen große
Lasten, andere aber schleppen sich mit schweren
Ketten herum. Einige stellen sich in die bren-
nenden Sonnenstrahlen u. s. w. Kurz, die
Handlungen dieser Art, die sie vornehmen, sind
ganz erstaunlich und unglaublich. Alle Reise-
beschreiber stimmen hierinn auch völlig überein.
Durch diese an ihrem Körper verübte Strenge
hoffen die Hindistaner Vergebung ihrer Sün-
den zu erlangen, und sich der Seligkeit zu ver-
sichern.

Sie glauben nicht, daß ihre Sünden durch
einen andern Menschen, und selbst nicht einmal
durch Gottes Sohn, könnten versöhnt werden.
Allein sie denken, daß ihre Sünden durch Her-
sagung einiger Gebete leicht könnten vergeben
werden.

Die Hindistaner glauben einen zukünftigen
Zustand, darinn Belohnungen und Strafen

seyn

verſchiedene in jedem Lande der Hindiſtaner an-
getroffen werden, giebt es auch einige allgemei-
ne; dahin gehoͤrt z. E. Kaſi, am Ganges;
Matura, unweit Agra. Das Wallfahrten
wird fuͤr eine ſehr verdienſtliche Handlung an-
geſehen, und fuͤr ein Mittel gehalten, die Suͤn-
de auszuſoͤhnen. Zu dem Ende haben ſie auch
verſchiedene Bußuͤbungen. Einige ſitzen oder
ſtehen in eben derſelben Stellung des Leibes gan-
ze Jahre hintereinander. Einige tragen große
Laſten, andere aber ſchleppen ſich mit ſchweren
Ketten herum. Einige ſtellen ſich in die bren-
nenden Sonnenſtrahlen u. ſ. w. Kurz, die
Handlungen dieſer Art, die ſie vornehmen, ſind
ganz erſtaunlich und unglaublich. Alle Reiſe-
beſchreiber ſtimmen hierinn auch voͤllig uͤberein.
Durch dieſe an ihrem Koͤrper veruͤbte Strenge
hoffen die Hindiſtaner Vergebung ihrer Suͤn-
den zu erlangen, und ſich der Seligkeit zu ver-
ſichern.

Sie glauben nicht, daß ihre Suͤnden durch
einen andern Menſchen, und ſelbſt nicht einmal
durch Gottes Sohn, koͤnnten verſoͤhnt werden.
Allein ſie denken, daß ihre Suͤnden durch Her-
ſagung einiger Gebete leicht koͤnnten vergeben
werden.

Die Hindiſtaner glauben einen zukuͤnftigen
Zuſtand, darinn Belohnungen und Strafen

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[478/0504] verſchiedene in jedem Lande der Hindiſtaner an- getroffen werden, giebt es auch einige allgemei- ne; dahin gehoͤrt z. E. Kaſi, am Ganges; Matura, unweit Agra. Das Wallfahrten wird fuͤr eine ſehr verdienſtliche Handlung an- geſehen, und fuͤr ein Mittel gehalten, die Suͤn- de auszuſoͤhnen. Zu dem Ende haben ſie auch verſchiedene Bußuͤbungen. Einige ſitzen oder ſtehen in eben derſelben Stellung des Leibes gan- ze Jahre hintereinander. Einige tragen große Laſten, andere aber ſchleppen ſich mit ſchweren Ketten herum. Einige ſtellen ſich in die bren- nenden Sonnenſtrahlen u. ſ. w. Kurz, die Handlungen dieſer Art, die ſie vornehmen, ſind ganz erſtaunlich und unglaublich. Alle Reiſe- beſchreiber ſtimmen hierinn auch voͤllig uͤberein. Durch dieſe an ihrem Koͤrper veruͤbte Strenge hoffen die Hindiſtaner Vergebung ihrer Suͤn- den zu erlangen, und ſich der Seligkeit zu ver- ſichern. Sie glauben nicht, daß ihre Suͤnden durch einen andern Menſchen, und ſelbſt nicht einmal durch Gottes Sohn, koͤnnten verſoͤhnt werden. Allein ſie denken, daß ihre Suͤnden durch Her- ſagung einiger Gebete leicht koͤnnten vergeben werden. Die Hindiſtaner glauben einen zukuͤnftigen Zuſtand, darinn Belohnungen und Strafen ſeyn

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Zitationshilfe: [Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/504>, abgerufen am 23.11.2024.