verschiedene in jedem Lande der Hindistaner an- getroffen werden, giebt es auch einige allgemei- ne; dahin gehört z. E. Kasi, am Ganges; Matura, unweit Agra. Das Wallfahrten wird für eine sehr verdienstliche Handlung an- gesehen, und für ein Mittel gehalten, die Sün- de auszusöhnen. Zu dem Ende haben sie auch verschiedene Bußübungen. Einige sitzen oder stehen in eben derselben Stellung des Leibes gan- ze Jahre hintereinander. Einige tragen große Lasten, andere aber schleppen sich mit schweren Ketten herum. Einige stellen sich in die bren- nenden Sonnenstrahlen u. s. w. Kurz, die Handlungen dieser Art, die sie vornehmen, sind ganz erstaunlich und unglaublich. Alle Reise- beschreiber stimmen hierinn auch völlig überein. Durch diese an ihrem Körper verübte Strenge hoffen die Hindistaner Vergebung ihrer Sün- den zu erlangen, und sich der Seligkeit zu ver- sichern.
Sie glauben nicht, daß ihre Sünden durch einen andern Menschen, und selbst nicht einmal durch Gottes Sohn, könnten versöhnt werden. Allein sie denken, daß ihre Sünden durch Her- sagung einiger Gebete leicht könnten vergeben werden.
Die Hindistaner glauben einen zukünftigen Zustand, darinn Belohnungen und Strafen
seyn
verſchiedene in jedem Lande der Hindiſtaner an- getroffen werden, giebt es auch einige allgemei- ne; dahin gehoͤrt z. E. Kaſi, am Ganges; Matura, unweit Agra. Das Wallfahrten wird fuͤr eine ſehr verdienſtliche Handlung an- geſehen, und fuͤr ein Mittel gehalten, die Suͤn- de auszuſoͤhnen. Zu dem Ende haben ſie auch verſchiedene Bußuͤbungen. Einige ſitzen oder ſtehen in eben derſelben Stellung des Leibes gan- ze Jahre hintereinander. Einige tragen große Laſten, andere aber ſchleppen ſich mit ſchweren Ketten herum. Einige ſtellen ſich in die bren- nenden Sonnenſtrahlen u. ſ. w. Kurz, die Handlungen dieſer Art, die ſie vornehmen, ſind ganz erſtaunlich und unglaublich. Alle Reiſe- beſchreiber ſtimmen hierinn auch voͤllig uͤberein. Durch dieſe an ihrem Koͤrper veruͤbte Strenge hoffen die Hindiſtaner Vergebung ihrer Suͤn- den zu erlangen, und ſich der Seligkeit zu ver- ſichern.
Sie glauben nicht, daß ihre Suͤnden durch einen andern Menſchen, und ſelbſt nicht einmal durch Gottes Sohn, koͤnnten verſoͤhnt werden. Allein ſie denken, daß ihre Suͤnden durch Her- ſagung einiger Gebete leicht koͤnnten vergeben werden.
Die Hindiſtaner glauben einen zukuͤnftigen Zuſtand, darinn Belohnungen und Strafen
ſeyn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0504"n="478"/>
verſchiedene in jedem Lande der Hindiſtaner an-<lb/>
getroffen werden, giebt es auch einige allgemei-<lb/>
ne; dahin gehoͤrt z. E. <hirendition="#fr">Kaſi,</hi> am Ganges;<lb/><hirendition="#fr">Matura,</hi> unweit Agra. Das Wallfahrten<lb/>
wird fuͤr eine ſehr verdienſtliche Handlung an-<lb/>
geſehen, und fuͤr ein Mittel gehalten, die Suͤn-<lb/>
de auszuſoͤhnen. Zu dem Ende haben ſie auch<lb/>
verſchiedene Bußuͤbungen. Einige ſitzen oder<lb/>ſtehen in eben derſelben Stellung des Leibes gan-<lb/>
ze Jahre hintereinander. Einige tragen große<lb/>
Laſten, andere aber ſchleppen ſich mit ſchweren<lb/>
Ketten herum. Einige ſtellen ſich in die bren-<lb/>
nenden Sonnenſtrahlen u. ſ. w. Kurz, die<lb/>
Handlungen dieſer Art, die ſie vornehmen, ſind<lb/>
ganz erſtaunlich und unglaublich. Alle Reiſe-<lb/>
beſchreiber ſtimmen hierinn auch voͤllig uͤberein.<lb/>
Durch dieſe an ihrem Koͤrper veruͤbte Strenge<lb/>
hoffen die Hindiſtaner Vergebung ihrer Suͤn-<lb/>
den zu erlangen, und ſich der Seligkeit zu ver-<lb/>ſichern.</p><lb/><p>Sie glauben nicht, daß ihre Suͤnden durch<lb/>
einen andern Menſchen, und ſelbſt nicht einmal<lb/>
durch Gottes Sohn, koͤnnten verſoͤhnt werden.<lb/>
Allein ſie denken, daß ihre Suͤnden durch Her-<lb/>ſagung einiger Gebete leicht koͤnnten vergeben<lb/>
werden.</p><lb/><p>Die Hindiſtaner glauben einen zukuͤnftigen<lb/>
Zuſtand, darinn Belohnungen und Strafen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſeyn</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[478/0504]
verſchiedene in jedem Lande der Hindiſtaner an-
getroffen werden, giebt es auch einige allgemei-
ne; dahin gehoͤrt z. E. Kaſi, am Ganges;
Matura, unweit Agra. Das Wallfahrten
wird fuͤr eine ſehr verdienſtliche Handlung an-
geſehen, und fuͤr ein Mittel gehalten, die Suͤn-
de auszuſoͤhnen. Zu dem Ende haben ſie auch
verſchiedene Bußuͤbungen. Einige ſitzen oder
ſtehen in eben derſelben Stellung des Leibes gan-
ze Jahre hintereinander. Einige tragen große
Laſten, andere aber ſchleppen ſich mit ſchweren
Ketten herum. Einige ſtellen ſich in die bren-
nenden Sonnenſtrahlen u. ſ. w. Kurz, die
Handlungen dieſer Art, die ſie vornehmen, ſind
ganz erſtaunlich und unglaublich. Alle Reiſe-
beſchreiber ſtimmen hierinn auch voͤllig uͤberein.
Durch dieſe an ihrem Koͤrper veruͤbte Strenge
hoffen die Hindiſtaner Vergebung ihrer Suͤn-
den zu erlangen, und ſich der Seligkeit zu ver-
ſichern.
Sie glauben nicht, daß ihre Suͤnden durch
einen andern Menſchen, und ſelbſt nicht einmal
durch Gottes Sohn, koͤnnten verſoͤhnt werden.
Allein ſie denken, daß ihre Suͤnden durch Her-
ſagung einiger Gebete leicht koͤnnten vergeben
werden.
Die Hindiſtaner glauben einen zukuͤnftigen
Zuſtand, darinn Belohnungen und Strafen
ſeyn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/504>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.