Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Juan de Posos [i. e. Smeeks, Hendrik]: Beschreibung des Mächtigen Königreichs Krinke Kesmes. Übers. v. [N. N.]. Leipzig, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Curieuse Reise-Beschreibung. V. Cap.
Erziehung durch Gewohnheit, und die in der
Jugend empfangene Ideen werden von uns mit
einer partheyischen Hartnäckigkeit verthei-
diget.

Die meisten Menschen stehen in ihren Vor-
urtheilen, weil sie so erzogen.

Denn sie leben nach ihren Praejudiciis, Nei-
gungen, Affecten und Trieben der Natur.

Es sind Leute, denen die Vorurtheile solche
Einbildungen machen, daß sie einen Autorem,
wegen einer Ursach in einen Punct, dawider
sie anderer Meinung seyn, nicht allein sein gantz
Buch verdammen, sondern auch den Autorem
vor Verdruß zum Narren machen werden.

Wir folgen fast allezeit der Vorschrifft in
unserer Erziehung, weil wir die meisten Mei-
nungen in unsern Jahren unwissend bekom-
men, und wir bleiben fast alle daran bis an
unserm Tode kleben, daher ist es sehr schwer,
ja fast unmöglich, daß wir ohne Vorurtheile
urtheilen können, wie sehr auch einer sich ver-
misset und schweret.

Durch die Erziehung wurtzelt die Gewohn-
heit bey uns so wunderlich ein, daß sie viel
durch Gedancken, den Mund und Feder zu
unzehlbahren Jrrthümern verführet. Es sind
gleichsam künstlich gemachte Flügel, die die El-
tern durch Erziehung, Gewohnheit und Pra-
xin
denen Kindern geben.

De

Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap.
Erziehung durch Gewohnheit, und die in der
Jugend empfangene Ideen werden von uns mit
einer partheyiſchen Hartnaͤckigkeit verthei-
diget.

Die meiſten Menſchen ſtehen in ihren Vor-
urtheilen, weil ſie ſo erzogen.

Denn ſie leben nach ihren Præjudiciis, Nei-
gungen, Affecten und Trieben der Natur.

Es ſind Leute, denen die Vorurtheile ſolche
Einbildungen machen, daß ſie einen Autorem,
wegen einer Urſach in einen Punct, dawider
ſie anderer Meinung ſeyn, nicht allein ſein gantz
Buch verdammen, ſondern auch den Autorem
vor Verdruß zum Narren machen werden.

Wir folgen faſt allezeit der Vorſchrifft in
unſerer Erziehung, weil wir die meiſten Mei-
nungen in unſern Jahren unwiſſend bekom-
men, und wir bleiben faſt alle daran bis an
unſerm Tode kleben, daher iſt es ſehr ſchwer,
ja faſt unmoͤglich, daß wir ohne Vorurtheile
urtheilen koͤnnen, wie ſehr auch einer ſich ver-
miſſet und ſchweret.

Durch die Erziehung wurtzelt die Gewohn-
heit bey uns ſo wunderlich ein, daß ſie viel
durch Gedancken, den Mund und Feder zu
unzehlbahren Jrrthuͤmern verfuͤhret. Es ſind
gleichſam kuͤnſtlich gemachte Fluͤgel, die die El-
tern durch Erziehung, Gewohnheit und Pra-
xin
denen Kindern geben.

De
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0128" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Curieu&#x017F;e</hi> Rei&#x017F;e-Be&#x017F;chreibung. <hi rendition="#aq">V. Cap.</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Erziehung</hi> durch Gewohnheit, und die in der<lb/>
Jugend empfangene <hi rendition="#aq">Ideen</hi> werden von uns mit<lb/>
einer <hi rendition="#fr">partheyi&#x017F;chen Hartna&#x0364;ckigkeit</hi> verthei-<lb/>
diget.</p><lb/>
            <p>Die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen &#x017F;tehen in ihren Vor-<lb/>
urtheilen, weil &#x017F;ie &#x017F;o <hi rendition="#fr">erzogen.</hi></p><lb/>
            <p>Denn &#x017F;ie leben nach ihren <hi rendition="#aq">Præjudiciis,</hi> Nei-<lb/>
gungen, <hi rendition="#aq">Affect</hi>en und Trieben der Natur.</p><lb/>
            <p>Es &#x017F;ind Leute, denen die Vorurtheile &#x017F;olche<lb/>
Einbildungen machen, daß &#x017F;ie einen <hi rendition="#aq">Autorem,</hi><lb/>
wegen einer Ur&#x017F;ach in einen <hi rendition="#aq">Punct,</hi> dawider<lb/>
&#x017F;ie anderer Meinung &#x017F;eyn, nicht allein &#x017F;ein gantz<lb/>
Buch verdammen, &#x017F;ondern auch den <hi rendition="#aq">Autorem</hi><lb/>
vor Verdruß zum Narren machen werden.</p><lb/>
            <p>Wir folgen fa&#x017F;t allezeit der Vor&#x017F;chrifft in<lb/>
un&#x017F;erer <hi rendition="#fr">Erziehung,</hi> weil wir die mei&#x017F;ten Mei-<lb/>
nungen in un&#x017F;ern Jahren unwi&#x017F;&#x017F;end bekom-<lb/>
men, und wir bleiben fa&#x017F;t alle daran bis an<lb/>
un&#x017F;erm Tode kleben, daher i&#x017F;t es &#x017F;ehr &#x017F;chwer,<lb/>
ja fa&#x017F;t unmo&#x0364;glich, daß wir ohne Vorurtheile<lb/>
urtheilen ko&#x0364;nnen, wie &#x017F;ehr auch einer &#x017F;ich ver-<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;et und &#x017F;chweret.</p><lb/>
            <p>Durch die <hi rendition="#fr">Erziehung</hi> wurtzelt die Gewohn-<lb/>
heit bey uns &#x017F;o wunderlich ein, daß &#x017F;ie viel<lb/>
durch Gedancken, den Mund und Feder zu<lb/>
unzehlbahren Jrrthu&#x0364;mern verfu&#x0364;hret. Es &#x017F;ind<lb/>
gleich&#x017F;am ku&#x0364;n&#x017F;tlich gemachte Flu&#x0364;gel, die die El-<lb/>
tern durch <hi rendition="#fr">Erziehung,</hi> Gewohnheit und <hi rendition="#aq">Pra-<lb/>
xin</hi> denen Kindern geben.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">De</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0128] Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. V. Cap. Erziehung durch Gewohnheit, und die in der Jugend empfangene Ideen werden von uns mit einer partheyiſchen Hartnaͤckigkeit verthei- diget. Die meiſten Menſchen ſtehen in ihren Vor- urtheilen, weil ſie ſo erzogen. Denn ſie leben nach ihren Præjudiciis, Nei- gungen, Affecten und Trieben der Natur. Es ſind Leute, denen die Vorurtheile ſolche Einbildungen machen, daß ſie einen Autorem, wegen einer Urſach in einen Punct, dawider ſie anderer Meinung ſeyn, nicht allein ſein gantz Buch verdammen, ſondern auch den Autorem vor Verdruß zum Narren machen werden. Wir folgen faſt allezeit der Vorſchrifft in unſerer Erziehung, weil wir die meiſten Mei- nungen in unſern Jahren unwiſſend bekom- men, und wir bleiben faſt alle daran bis an unſerm Tode kleben, daher iſt es ſehr ſchwer, ja faſt unmoͤglich, daß wir ohne Vorurtheile urtheilen koͤnnen, wie ſehr auch einer ſich ver- miſſet und ſchweret. Durch die Erziehung wurtzelt die Gewohn- heit bey uns ſo wunderlich ein, daß ſie viel durch Gedancken, den Mund und Feder zu unzehlbahren Jrrthuͤmern verfuͤhret. Es ſind gleichſam kuͤnſtlich gemachte Fluͤgel, die die El- tern durch Erziehung, Gewohnheit und Pra- xin denen Kindern geben. De

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/posos_krinkekesmes_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/posos_krinkekesmes_1721/128
Zitationshilfe: Juan de Posos [i. e. Smeeks, Hendrik]: Beschreibung des Mächtigen Königreichs Krinke Kesmes. Übers. v. [N. N.]. Leipzig, 1721, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/posos_krinkekesmes_1721/128>, abgerufen am 23.11.2024.