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Juan de Posos [i. e. Smeeks, Hendrik]: Beschreibung des Mächtigen Königreichs Krinke Kesmes. Übers. v. [N. N.]. Leipzig, 1721.

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Curieuse Reise-Beschreibung. VI. Cap.
wol 4. Trachten nach meiner Festung. Was
naß war, trocknete ich wieder. Jch kan meine
Freude nicht beschreiben, und es kans auch nie-
mand sich einbilden, als der in solcher äussersten
Armuth gewesen. Jn einigen Kisten war kein
oder sehr wenig Wasser hineinkommen, aus sol-
chen zog ich so gleich ein Hembde und leinen Zeug
an, und meinte darinn so reich zu seyn als ein
grosser König. Jch fand auch einige Zwieback,
diese tunckte ich in Spanischen Wein, und er-
frischte mich vortrefflich. Wie ich nach den
Strand gieng, und mehr holen wolte, sahe ich,
daß ein gantz Hinter-Theil vom Schiffe ankam,
und so hertrieb, nebst noch vielen Tonnen, Ki-
sten, Fässern, Stockfischen und Brettern etc.
Nun ward ich voll Freuden, und hoffte, daß
darinn noch ein lebendiger Mensch seyn solte zu
meiner Gesellschafft. Selbiges trieb so lange
ans Ufer, bis daß es feste zu sitzen kam. Der
Wind legte sich, und das Wasser ward stille,
das halbe Schiff stund so hoch und weit, daß ich
nicht hinein kommen konte, ich lieff aber rings
herum, rieff und heulte, ob etwa Volck drinn
wäre: Es antwortete mir aber niemand.

Jch besahe es rings umher mit besonderm
Fleiß, und sahe, daß das gantze Steuer-Bord
in Stücken war, der Besaans-Mast lag queer
übers Schiff, und das Seegel davon lag über
das Hinter-Theil hinaus, da das gantze Stück
vom Schiff hinhieng. Jch hielte mich an einem
Strick, und kletterte gegen das zerbrochne Schiff
in die Höhe; da fand ich niemanden, ich suchte

unten

Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap.
wol 4. Trachten nach meiner Feſtung. Was
naß war, trocknete ich wieder. Jch kan meine
Freude nicht beſchreiben, und es kans auch nie-
mand ſich einbilden, als der in ſolcher aͤuſſerſten
Armuth geweſen. Jn einigen Kiſten war kein
oder ſehr wenig Waſſer hineinkommen, aus ſol-
chen zog ich ſo gleich ein Hembde und leinen Zeug
an, und meinte darinn ſo reich zu ſeyn als ein
groſſer Koͤnig. Jch fand auch einige Zwieback,
dieſe tunckte ich in Spaniſchen Wein, und er-
friſchte mich vortrefflich. Wie ich nach den
Strand gieng, und mehr holen wolte, ſahe ich,
daß ein gantz Hinter-Theil vom Schiffe ankam,
und ſo hertrieb, nebſt noch vielen Tonnen, Ki-
ſten, Faͤſſern, Stockfiſchen und Brettern ꝛc.
Nun ward ich voll Freuden, und hoffte, daß
darinn noch ein lebendiger Menſch ſeyn ſolte zu
meiner Geſellſchafft. Selbiges trieb ſo lange
ans Ufer, bis daß es feſte zu ſitzen kam. Der
Wind legte ſich, und das Waſſer ward ſtille,
das halbe Schiff ſtund ſo hoch und weit, daß ich
nicht hinein kommen konte, ich lieff aber rings
herum, rieff und heulte, ob etwa Volck drinn
waͤre: Es antwortete mir aber niemand.

Jch beſahe es rings umher mit beſonderm
Fleiß, und ſahe, daß das gantze Steuer-Bord
in Stuͤcken war, der Beſaans-Maſt lag queer
uͤbers Schiff, und das Seegel davon lag uͤber
das Hinter-Theil hinaus, da das gantze Stuͤck
vom Schiff hinhieng. Jch hielte mich an einem
Strick, und kletterte gegen das zerbrochne Schiff
in die Hoͤhe; da fand ich niemanden, ich ſuchte

unten
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[138/0168] Curieuſe Reiſe-Beſchreibung. VI. Cap. wol 4. Trachten nach meiner Feſtung. Was naß war, trocknete ich wieder. Jch kan meine Freude nicht beſchreiben, und es kans auch nie- mand ſich einbilden, als der in ſolcher aͤuſſerſten Armuth geweſen. Jn einigen Kiſten war kein oder ſehr wenig Waſſer hineinkommen, aus ſol- chen zog ich ſo gleich ein Hembde und leinen Zeug an, und meinte darinn ſo reich zu ſeyn als ein groſſer Koͤnig. Jch fand auch einige Zwieback, dieſe tunckte ich in Spaniſchen Wein, und er- friſchte mich vortrefflich. Wie ich nach den Strand gieng, und mehr holen wolte, ſahe ich, daß ein gantz Hinter-Theil vom Schiffe ankam, und ſo hertrieb, nebſt noch vielen Tonnen, Ki- ſten, Faͤſſern, Stockfiſchen und Brettern ꝛc. Nun ward ich voll Freuden, und hoffte, daß darinn noch ein lebendiger Menſch ſeyn ſolte zu meiner Geſellſchafft. Selbiges trieb ſo lange ans Ufer, bis daß es feſte zu ſitzen kam. Der Wind legte ſich, und das Waſſer ward ſtille, das halbe Schiff ſtund ſo hoch und weit, daß ich nicht hinein kommen konte, ich lieff aber rings herum, rieff und heulte, ob etwa Volck drinn waͤre: Es antwortete mir aber niemand. Jch beſahe es rings umher mit beſonderm Fleiß, und ſahe, daß das gantze Steuer-Bord in Stuͤcken war, der Beſaans-Maſt lag queer uͤbers Schiff, und das Seegel davon lag uͤber das Hinter-Theil hinaus, da das gantze Stuͤck vom Schiff hinhieng. Jch hielte mich an einem Strick, und kletterte gegen das zerbrochne Schiff in die Hoͤhe; da fand ich niemanden, ich ſuchte unten

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Zitationshilfe: Juan de Posos [i. e. Smeeks, Hendrik]: Beschreibung des Mächtigen Königreichs Krinke Kesmes. Übers. v. [N. N.]. Leipzig, 1721, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/posos_krinkekesmes_1721/168>, abgerufen am 28.11.2024.