Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.sich auch um eine Anstellung bewerben dürfe. Ebenso entgegenkommend äußerte sich bei seiner Rückkehr der Polizeiminister v. Kamptz und er erhielt sogar - allerdings nach manchen Weiterungen - ein kleines Stipendium. Er widmete sich jetzt mathematischen Studien. Aber in jener traurigen Zeit schien die Polizei und ihre Schergen mächtiger als der Schutz eines Ministers und des Königs selbst. Derjenige, dessen Namen einmal im schwarzen Buche stand, blieb den dunklen Mächten rettungslos verfallen. Bald nach seiner Rückkehr ward Lieber durch allerlei Chikanen gewahr, daß die Polizei ein unvermindertes Interesse an seinem bescheidenen Selbst nehme. Er beschloß daher, seine Vaterstadt abermals zu verlassen, und erhielt endlich auch die polizeiliche Erlaubniß, seine Studien in Halle fortzusetzen. Im März 1824 siedelte er dorthin über. Aber auch hier war er nicht geborgen. Es ist der Fluch der Tyrannei, daß sie zittern muß nicht nur vor dem Haß, den sie wirklich erregt, sondern mehr noch vor eingebildeten Gefahren. So witterte in jener Zeit die Tyrannenangst der Demagogenriecher all' überall Complott und Verschwörungen. Im Sommer 1824 glaubte die preußische Polizei einer großen Verschwörung deutscher und französischer Demokraten auf der Spur zu sein, und hielt den Moment für günstig, wieder einmal eine große Staatsrettung im Geiste der Karlsbader Beschlüsse in Scene zu setzen. Dazu bedurfte sie aber vor Allem der willfährigen Zeugen, deren Aussagen die Wahngebilde der Berliner Großinquisitoren als schauderhafte Wirklichkeit bestätigen und erhärten sollten. Und zu solchem niedrig gemeinen Schergendienst hatte man unter andern auch den unglücklichen Lieber ausersehen. Er schien dazu nach seiner Vergangenheit und Gegenwart vorzüglich geeignet. Er war ja ein Freund Jahn's und selbst höchst anrüchig gewesen. Er mußte also in burschenschaftlichen und sich auch um eine Anstellung bewerben dürfe. Ebenso entgegenkommend äußerte sich bei seiner Rückkehr der Polizeiminister v. Kamptz und er erhielt sogar – allerdings nach manchen Weiterungen – ein kleines Stipendium. Er widmete sich jetzt mathematischen Studien. Aber in jener traurigen Zeit schien die Polizei und ihre Schergen mächtiger als der Schutz eines Ministers und des Königs selbst. Derjenige, dessen Namen einmal im schwarzen Buche stand, blieb den dunklen Mächten rettungslos verfallen. Bald nach seiner Rückkehr ward Lieber durch allerlei Chikanen gewahr, daß die Polizei ein unvermindertes Interesse an seinem bescheidenen Selbst nehme. Er beschloß daher, seine Vaterstadt abermals zu verlassen, und erhielt endlich auch die polizeiliche Erlaubniß, seine Studien in Halle fortzusetzen. Im März 1824 siedelte er dorthin über. Aber auch hier war er nicht geborgen. Es ist der Fluch der Tyrannei, daß sie zittern muß nicht nur vor dem Haß, den sie wirklich erregt, sondern mehr noch vor eingebildeten Gefahren. So witterte in jener Zeit die Tyrannenangst der Demagogenriecher all’ überall Complott und Verschwörungen. Im Sommer 1824 glaubte die preußische Polizei einer großen Verschwörung deutscher und französischer Demokraten auf der Spur zu sein, und hielt den Moment für günstig, wieder einmal eine große Staatsrettung im Geiste der Karlsbader Beschlüsse in Scene zu setzen. Dazu bedurfte sie aber vor Allem der willfährigen Zeugen, deren Aussagen die Wahngebilde der Berliner Großinquisitoren als schauderhafte Wirklichkeit bestätigen und erhärten sollten. Und zu solchem niedrig gemeinen Schergendienst hatte man unter andern auch den unglücklichen Lieber ausersehen. Er schien dazu nach seiner Vergangenheit und Gegenwart vorzüglich geeignet. Er war ja ein Freund Jahn’s und selbst höchst anrüchig gewesen. Er mußte also in burschenschaftlichen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="19"/> sich auch um eine Anstellung bewerben dürfe. Ebenso entgegenkommend äußerte sich bei seiner Rückkehr der Polizeiminister <hi rendition="#g">v. Kamptz</hi> und er erhielt sogar – allerdings nach manchen Weiterungen – ein kleines Stipendium. Er widmete sich jetzt mathematischen Studien. Aber in jener traurigen Zeit schien die Polizei und ihre Schergen mächtiger als der Schutz eines Ministers und des Königs selbst. Derjenige, dessen Namen einmal im schwarzen Buche stand, blieb den dunklen Mächten rettungslos verfallen. Bald nach seiner Rückkehr ward <hi rendition="#g">Lieber</hi> durch allerlei Chikanen gewahr, daß die Polizei ein unvermindertes Interesse an seinem bescheidenen Selbst nehme. Er beschloß daher, seine Vaterstadt abermals zu verlassen, und erhielt endlich auch die polizeiliche Erlaubniß, seine Studien in Halle fortzusetzen. Im März 1824 siedelte er dorthin über. Aber auch hier war er nicht geborgen. Es ist der Fluch der Tyrannei, daß sie zittern muß nicht nur vor dem Haß, den sie wirklich erregt, sondern mehr noch vor eingebildeten Gefahren. So witterte in jener Zeit die Tyrannenangst der Demagogenriecher all’ überall Complott und Verschwörungen. Im Sommer 1824 glaubte die preußische Polizei einer großen Verschwörung deutscher und französischer Demokraten auf der Spur zu sein, und hielt den Moment für günstig, wieder einmal eine große Staatsrettung im Geiste der Karlsbader Beschlüsse in Scene zu setzen. Dazu bedurfte sie aber vor Allem der willfährigen Zeugen, deren Aussagen die Wahngebilde der Berliner Großinquisitoren als schauderhafte Wirklichkeit bestätigen und erhärten sollten. Und zu solchem niedrig gemeinen Schergendienst hatte man unter andern auch den unglücklichen <hi rendition="#g">Lieber</hi> ausersehen. Er schien dazu nach seiner Vergangenheit und Gegenwart vorzüglich geeignet. Er war ja ein Freund Jahn’s und selbst höchst anrüchig gewesen. Er mußte also in burschenschaftlichen und </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
sich auch um eine Anstellung bewerben dürfe. Ebenso entgegenkommend äußerte sich bei seiner Rückkehr der Polizeiminister v. Kamptz und er erhielt sogar – allerdings nach manchen Weiterungen – ein kleines Stipendium. Er widmete sich jetzt mathematischen Studien. Aber in jener traurigen Zeit schien die Polizei und ihre Schergen mächtiger als der Schutz eines Ministers und des Königs selbst. Derjenige, dessen Namen einmal im schwarzen Buche stand, blieb den dunklen Mächten rettungslos verfallen. Bald nach seiner Rückkehr ward Lieber durch allerlei Chikanen gewahr, daß die Polizei ein unvermindertes Interesse an seinem bescheidenen Selbst nehme. Er beschloß daher, seine Vaterstadt abermals zu verlassen, und erhielt endlich auch die polizeiliche Erlaubniß, seine Studien in Halle fortzusetzen. Im März 1824 siedelte er dorthin über. Aber auch hier war er nicht geborgen. Es ist der Fluch der Tyrannei, daß sie zittern muß nicht nur vor dem Haß, den sie wirklich erregt, sondern mehr noch vor eingebildeten Gefahren. So witterte in jener Zeit die Tyrannenangst der Demagogenriecher all’ überall Complott und Verschwörungen. Im Sommer 1824 glaubte die preußische Polizei einer großen Verschwörung deutscher und französischer Demokraten auf der Spur zu sein, und hielt den Moment für günstig, wieder einmal eine große Staatsrettung im Geiste der Karlsbader Beschlüsse in Scene zu setzen. Dazu bedurfte sie aber vor Allem der willfährigen Zeugen, deren Aussagen die Wahngebilde der Berliner Großinquisitoren als schauderhafte Wirklichkeit bestätigen und erhärten sollten. Und zu solchem niedrig gemeinen Schergendienst hatte man unter andern auch den unglücklichen Lieber ausersehen. Er schien dazu nach seiner Vergangenheit und Gegenwart vorzüglich geeignet. Er war ja ein Freund Jahn’s und selbst höchst anrüchig gewesen. Er mußte also in burschenschaftlichen und
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