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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Wolf, die Einsamkeit des Hauses bemerkend, hatte
sich herangeschlichen und mochte schon das schlafende
Kind als sichere Beute ansehen, als Gellert hervor-
sprang, und nach langem Kampf, selbst schwer ver-
wundet, den Feind bezwang und tödtete. Im Blute
schwimmend, legte er sich zu der Wiege Füßen, ab-
wechselnd des Knaben zarte Händchen und seine eig-
nen Wunden leckend. In diesem Augenblicke kehrt
Llewellin, noch mit dem Jagdspieß in der Hand zu-
rück, tritt in das Zimmer nnd sieht mit Entsetzen
die Stube, seinen Sohn mit Blut bedeckt, und den
Hund über die Wiege gebeut. Von Schreck und
Zorn bethört, glaubt er, dieser habe sein Kind ge-
mordet, und wüthend stößt er ihm den wiederge-
hackten Spies in die treue Brust. Die Augen kla-
gend auf seinen Herren gerichtet, und in letzter Un-
terwürfigkeit noch einmal liebkosend mit dem Schweife
wedelnd, verschied mit einem herzzerreißenden Schmer-
zensschrei das arme Thier -- und kaum war sein
letzter Seufzer verhallt, als Llewellin den getödteten
Wolf, ausgestreckt am Boden, und seinen Sohn,
sanft lächelnd, in der Wiege erblickte. Der Sage
nach, verfolgte seitdem des treuen Gellert's Schmer-
zenslaut den betrübten Fürsten bei Tag und Nacht,
so daß er zu seinem Andenken ein Monument er-
baute, auf dessen Platz noch jetzt eine alte gothische
Kirche steht, und wo er lange strenge Bußübungen
verrichtete. Später wollte er sogar seine neue Burg
auf dem nahen Merlin's Felsen aufführen lassen,
aber nimmer konnte er sie zu Stande bringen. Was

Wolf, die Einſamkeit des Hauſes bemerkend, hatte
ſich herangeſchlichen und mochte ſchon das ſchlafende
Kind als ſichere Beute anſehen, als Gellert hervor-
ſprang, und nach langem Kampf, ſelbſt ſchwer ver-
wundet, den Feind bezwang und tödtete. Im Blute
ſchwimmend, legte er ſich zu der Wiege Füßen, ab-
wechſelnd des Knaben zarte Händchen und ſeine eig-
nen Wunden leckend. In dieſem Augenblicke kehrt
Llewellin, noch mit dem Jagdſpieß in der Hand zu-
rück, tritt in das Zimmer nnd ſieht mit Entſetzen
die Stube, ſeinen Sohn mit Blut bedeckt, und den
Hund über die Wiege gebeut. Von Schreck und
Zorn bethört, glaubt er, dieſer habe ſein Kind ge-
mordet, und wüthend ſtößt er ihm den wiederge-
hackten Spies in die treue Bruſt. Die Augen kla-
gend auf ſeinen Herren gerichtet, und in letzter Un-
terwürfigkeit noch einmal liebkoſend mit dem Schweife
wedelnd, verſchied mit einem herzzerreißenden Schmer-
zensſchrei das arme Thier — und kaum war ſein
letzter Seufzer verhallt, als Llewellin den getödteten
Wolf, ausgeſtreckt am Boden, und ſeinen Sohn,
ſanft lächelnd, in der Wiege erblickte. Der Sage
nach, verfolgte ſeitdem des treuen Gellert’s Schmer-
zenslaut den betrübten Fürſten bei Tag und Nacht,
ſo daß er zu ſeinem Andenken ein Monument er-
baute, auf deſſen Platz noch jetzt eine alte gothiſche
Kirche ſteht, und wo er lange ſtrenge Bußübungen
verrichtete. Später wollte er ſogar ſeine neue Burg
auf dem nahen Merlin’s Felſen aufführen laſſen,
aber nimmer konnte er ſie zu Stande bringen. Was

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[121/0145] Wolf, die Einſamkeit des Hauſes bemerkend, hatte ſich herangeſchlichen und mochte ſchon das ſchlafende Kind als ſichere Beute anſehen, als Gellert hervor- ſprang, und nach langem Kampf, ſelbſt ſchwer ver- wundet, den Feind bezwang und tödtete. Im Blute ſchwimmend, legte er ſich zu der Wiege Füßen, ab- wechſelnd des Knaben zarte Händchen und ſeine eig- nen Wunden leckend. In dieſem Augenblicke kehrt Llewellin, noch mit dem Jagdſpieß in der Hand zu- rück, tritt in das Zimmer nnd ſieht mit Entſetzen die Stube, ſeinen Sohn mit Blut bedeckt, und den Hund über die Wiege gebeut. Von Schreck und Zorn bethört, glaubt er, dieſer habe ſein Kind ge- mordet, und wüthend ſtößt er ihm den wiederge- hackten Spies in die treue Bruſt. Die Augen kla- gend auf ſeinen Herren gerichtet, und in letzter Un- terwürfigkeit noch einmal liebkoſend mit dem Schweife wedelnd, verſchied mit einem herzzerreißenden Schmer- zensſchrei das arme Thier — und kaum war ſein letzter Seufzer verhallt, als Llewellin den getödteten Wolf, ausgeſtreckt am Boden, und ſeinen Sohn, ſanft lächelnd, in der Wiege erblickte. Der Sage nach, verfolgte ſeitdem des treuen Gellert’s Schmer- zenslaut den betrübten Fürſten bei Tag und Nacht, ſo daß er zu ſeinem Andenken ein Monument er- baute, auf deſſen Platz noch jetzt eine alte gothiſche Kirche ſteht, und wo er lange ſtrenge Bußübungen verrichtete. Später wollte er ſogar ſeine neue Burg auf dem nahen Merlin’s Felſen aufführen laſſen, aber nimmer konnte er ſie zu Stande bringen. Was

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/145>, abgerufen am 24.11.2024.