Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Die versprochene Geschichte also ist folgende:

Llewellin der Große, Prinz über Wales, hatte
einen Lieblingshund, mit Namen Gellert, ein Schre-
cken der Wölfe, aber die Freude seines Herren. Als
Llewellin sich indeß später mit einer jungen und schö-
nen Gemahlin vermählte, trat der Hund, wie billig,
in den Hintergrund, blieb jedoch, wenn auch weni-
ger geliebt, mit Hundestreue (car les hommes ne
sont pas si betes!
) seinem Herrn stets mit gleicher
Anhänglichkeit ergeben. Llewellin's innigste Wünsche
wurden erhört, und ein holder Knabe krönte sein
eheliches Glück. Ueberall mußte nun dem überseeli-
gen Vater der Säugling folgen, dessen Wiege im-
mer neben seinem eigenen Lager aufgeschlagen stand.
Einst hatte, auf einer Jagdstreiferei im wilden Ge-
bürge, die Fürstin, durch Unpäßlichkeit verhindert,
ihren Gemahl nicht begleiten können, dennoch
durfte sein Sohn, von einer Amme gewartet, ihn
nicht verlassen. Man hatte in einer schlechten Hütte
übernachtet, und früh auf die Jagd ausziehend,
übergab Llewellin den Knaben auf die wenigen
Stunden der Amme und der Wache seines treuen
Gellert, keine Gefahr für ihn, in dem tiefen Frie-
den, der damals im Lande herrschte, besorgend. Die
Amme, von gleicher Sicherheit bethört, benutzte
schnell die Freiheit, ihren nahen Liebhaber zu sehen,
nur der Hund folgte streng gehorsam seiner Pflicht.
Er ward dadurch des Knaben Retter -- denn ein


Die verſprochene Geſchichte alſo iſt folgende:

Llewellin der Große, Prinz über Wales, hatte
einen Lieblingshund, mit Namen Gellert, ein Schre-
cken der Wölfe, aber die Freude ſeines Herren. Als
Llewellin ſich indeß ſpäter mit einer jungen und ſchö-
nen Gemahlin vermählte, trat der Hund, wie billig,
in den Hintergrund, blieb jedoch, wenn auch weni-
ger geliebt, mit Hundestreue (car les hommes ne
sont pas si bêtes!
) ſeinem Herrn ſtets mit gleicher
Anhänglichkeit ergeben. Llewellin’s innigſte Wünſche
wurden erhört, und ein holder Knabe krönte ſein
eheliches Glück. Ueberall mußte nun dem überſeeli-
gen Vater der Säugling folgen, deſſen Wiege im-
mer neben ſeinem eigenen Lager aufgeſchlagen ſtand.
Einſt hatte, auf einer Jagdſtreiferei im wilden Ge-
bürge, die Fürſtin, durch Unpäßlichkeit verhindert,
ihren Gemahl nicht begleiten können, dennoch
durfte ſein Sohn, von einer Amme gewartet, ihn
nicht verlaſſen. Man hatte in einer ſchlechten Hütte
übernachtet, und früh auf die Jagd ausziehend,
übergab Llewellin den Knaben auf die wenigen
Stunden der Amme und der Wache ſeines treuen
Gellert, keine Gefahr für ihn, in dem tiefen Frie-
den, der damals im Lande herrſchte, beſorgend. Die
Amme, von gleicher Sicherheit bethört, benutzte
ſchnell die Freiheit, ihren nahen Liebhaber zu ſehen,
nur der Hund folgte ſtreng gehorſam ſeiner Pflicht.
Er ward dadurch des Knaben Retter — denn ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0144" n="120"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">Après diné.</hi> </hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Die ver&#x017F;prochene Ge&#x017F;chichte al&#x017F;o i&#x017F;t folgende:</p><lb/>
          <p>Llewellin der Große, Prinz über Wales, hatte<lb/>
einen Lieblingshund, mit Namen Gellert, ein Schre-<lb/>
cken der Wölfe, aber die Freude &#x017F;eines Herren. Als<lb/>
Llewellin &#x017F;ich indeß &#x017F;päter mit einer jungen und &#x017F;chö-<lb/>
nen Gemahlin <choice><sic>verma&#x0307;hlte</sic><corr>vermählte</corr></choice>, trat der Hund, wie billig,<lb/>
in den Hintergrund, blieb jedoch, wenn auch weni-<lb/>
ger geliebt, mit <hi rendition="#g">Hundest</hi>reue (<hi rendition="#aq">car les hommes ne<lb/>
sont pas si bêtes!</hi>) &#x017F;einem Herrn &#x017F;tets mit gleicher<lb/>
Anhänglichkeit ergeben. Llewellin&#x2019;s innig&#x017F;te Wün&#x017F;che<lb/>
wurden erhört, und ein holder Knabe <choice><sic>kro&#x0307;nte</sic><corr>krönte</corr></choice> &#x017F;ein<lb/>
eheliches Glück. Ueberall mußte nun dem über&#x017F;eeli-<lb/>
gen Vater der Säugling folgen, de&#x017F;&#x017F;en Wiege im-<lb/>
mer neben &#x017F;einem eigenen Lager aufge&#x017F;chlagen &#x017F;tand.<lb/>
Ein&#x017F;t hatte, auf einer Jagd&#x017F;treiferei im wilden Ge-<lb/>
bürge, die Für&#x017F;tin, durch Unpäßlichkeit verhindert,<lb/>
ihren Gemahl nicht begleiten können, dennoch<lb/>
durfte &#x017F;ein Sohn, von einer Amme gewartet, ihn<lb/>
nicht verla&#x017F;&#x017F;en. Man hatte in einer &#x017F;chlechten Hütte<lb/>
übernachtet, und früh auf die Jagd ausziehend,<lb/>
übergab Llewellin den Knaben auf die wenigen<lb/>
Stunden der Amme und der Wache &#x017F;eines treuen<lb/>
Gellert, keine Gefahr für ihn, in dem tiefen Frie-<lb/>
den, der damals im Lande herr&#x017F;chte, be&#x017F;orgend. Die<lb/>
Amme, von gleicher Sicherheit bethört, benutzte<lb/>
&#x017F;chnell die Freiheit, ihren nahen Liebhaber zu &#x017F;ehen,<lb/>
nur der Hund folgte &#x017F;treng gehor&#x017F;am &#x017F;einer Pflicht.<lb/>
Er ward dadurch des Knaben Retter &#x2014; denn ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0144] Après diné. Die verſprochene Geſchichte alſo iſt folgende: Llewellin der Große, Prinz über Wales, hatte einen Lieblingshund, mit Namen Gellert, ein Schre- cken der Wölfe, aber die Freude ſeines Herren. Als Llewellin ſich indeß ſpäter mit einer jungen und ſchö- nen Gemahlin vermählte, trat der Hund, wie billig, in den Hintergrund, blieb jedoch, wenn auch weni- ger geliebt, mit Hundestreue (car les hommes ne sont pas si bêtes!) ſeinem Herrn ſtets mit gleicher Anhänglichkeit ergeben. Llewellin’s innigſte Wünſche wurden erhört, und ein holder Knabe krönte ſein eheliches Glück. Ueberall mußte nun dem überſeeli- gen Vater der Säugling folgen, deſſen Wiege im- mer neben ſeinem eigenen Lager aufgeſchlagen ſtand. Einſt hatte, auf einer Jagdſtreiferei im wilden Ge- bürge, die Fürſtin, durch Unpäßlichkeit verhindert, ihren Gemahl nicht begleiten können, dennoch durfte ſein Sohn, von einer Amme gewartet, ihn nicht verlaſſen. Man hatte in einer ſchlechten Hütte übernachtet, und früh auf die Jagd ausziehend, übergab Llewellin den Knaben auf die wenigen Stunden der Amme und der Wache ſeines treuen Gellert, keine Gefahr für ihn, in dem tiefen Frie- den, der damals im Lande herrſchte, beſorgend. Die Amme, von gleicher Sicherheit bethört, benutzte ſchnell die Freiheit, ihren nahen Liebhaber zu ſehen, nur der Hund folgte ſtreng gehorſam ſeiner Pflicht. Er ward dadurch des Knaben Retter — denn ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/144
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/144>, abgerufen am 21.11.2024.