Llewellin der Große, Prinz über Wales, hatte einen Lieblingshund, mit Namen Gellert, ein Schre- cken der Wölfe, aber die Freude seines Herren. Als Llewellin sich indeß später mit einer jungen und schö- nen Gemahlin vermählte, trat der Hund, wie billig, in den Hintergrund, blieb jedoch, wenn auch weni- ger geliebt, mit Hundestreue (car les hommes ne sont pas si betes!) seinem Herrn stets mit gleicher Anhänglichkeit ergeben. Llewellin's innigste Wünsche wurden erhört, und ein holder Knabe krönte sein eheliches Glück. Ueberall mußte nun dem überseeli- gen Vater der Säugling folgen, dessen Wiege im- mer neben seinem eigenen Lager aufgeschlagen stand. Einst hatte, auf einer Jagdstreiferei im wilden Ge- bürge, die Fürstin, durch Unpäßlichkeit verhindert, ihren Gemahl nicht begleiten können, dennoch durfte sein Sohn, von einer Amme gewartet, ihn nicht verlassen. Man hatte in einer schlechten Hütte übernachtet, und früh auf die Jagd ausziehend, übergab Llewellin den Knaben auf die wenigen Stunden der Amme und der Wache seines treuen Gellert, keine Gefahr für ihn, in dem tiefen Frie- den, der damals im Lande herrschte, besorgend. Die Amme, von gleicher Sicherheit bethört, benutzte schnell die Freiheit, ihren nahen Liebhaber zu sehen, nur der Hund folgte streng gehorsam seiner Pflicht. Er ward dadurch des Knaben Retter -- denn ein
Après diné.
Die verſprochene Geſchichte alſo iſt folgende:
Llewellin der Große, Prinz über Wales, hatte einen Lieblingshund, mit Namen Gellert, ein Schre- cken der Wölfe, aber die Freude ſeines Herren. Als Llewellin ſich indeß ſpäter mit einer jungen und ſchö- nen Gemahlin vermählte, trat der Hund, wie billig, in den Hintergrund, blieb jedoch, wenn auch weni- ger geliebt, mit Hundestreue (car les hommes ne sont pas si bêtes!) ſeinem Herrn ſtets mit gleicher Anhänglichkeit ergeben. Llewellin’s innigſte Wünſche wurden erhört, und ein holder Knabe krönte ſein eheliches Glück. Ueberall mußte nun dem überſeeli- gen Vater der Säugling folgen, deſſen Wiege im- mer neben ſeinem eigenen Lager aufgeſchlagen ſtand. Einſt hatte, auf einer Jagdſtreiferei im wilden Ge- bürge, die Fürſtin, durch Unpäßlichkeit verhindert, ihren Gemahl nicht begleiten können, dennoch durfte ſein Sohn, von einer Amme gewartet, ihn nicht verlaſſen. Man hatte in einer ſchlechten Hütte übernachtet, und früh auf die Jagd ausziehend, übergab Llewellin den Knaben auf die wenigen Stunden der Amme und der Wache ſeines treuen Gellert, keine Gefahr für ihn, in dem tiefen Frie- den, der damals im Lande herrſchte, beſorgend. Die Amme, von gleicher Sicherheit bethört, benutzte ſchnell die Freiheit, ihren nahen Liebhaber zu ſehen, nur der Hund folgte ſtreng gehorſam ſeiner Pflicht. Er ward dadurch des Knaben Retter — denn ein
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Après diné.
Die verſprochene Geſchichte alſo iſt folgende:
Llewellin der Große, Prinz über Wales, hatte
einen Lieblingshund, mit Namen Gellert, ein Schre-
cken der Wölfe, aber die Freude ſeines Herren. Als
Llewellin ſich indeß ſpäter mit einer jungen und ſchö-
nen Gemahlin vermählte, trat der Hund, wie billig,
in den Hintergrund, blieb jedoch, wenn auch weni-
ger geliebt, mit Hundestreue (car les hommes ne
sont pas si bêtes!) ſeinem Herrn ſtets mit gleicher
Anhänglichkeit ergeben. Llewellin’s innigſte Wünſche
wurden erhört, und ein holder Knabe krönte ſein
eheliches Glück. Ueberall mußte nun dem überſeeli-
gen Vater der Säugling folgen, deſſen Wiege im-
mer neben ſeinem eigenen Lager aufgeſchlagen ſtand.
Einſt hatte, auf einer Jagdſtreiferei im wilden Ge-
bürge, die Fürſtin, durch Unpäßlichkeit verhindert,
ihren Gemahl nicht begleiten können, dennoch
durfte ſein Sohn, von einer Amme gewartet, ihn
nicht verlaſſen. Man hatte in einer ſchlechten Hütte
übernachtet, und früh auf die Jagd ausziehend,
übergab Llewellin den Knaben auf die wenigen
Stunden der Amme und der Wache ſeines treuen
Gellert, keine Gefahr für ihn, in dem tiefen Frie-
den, der damals im Lande herrſchte, beſorgend. Die
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ſchnell die Freiheit, ihren nahen Liebhaber zu ſehen,
nur der Hund folgte ſtreng gehorſam ſeiner Pflicht.
Er ward dadurch des Knaben Retter — denn ein
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/144>, abgerufen am 21.11.2024.
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