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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Ohren klapperte. Dieser überall verständliche Klang
erweckte ihn besser als mein Rufen, er sprang auf,
holte sich noch einen Gefährten, und zurück ging's
zu meiner Didone abbandonata. Die Irländer wuß-
ten sich zu helfen -- sie trugen eine verloren aufge-
schlagene Brücke in der Nähe ab, legten sie über
den Graben, und so fand ich mich endlich mit dem
befreiten Pferde wieder auf festem Wege, kam aber
so spät und in einem solchen Zustande zu Hause an,
daß ich, der Ruhe bedürftig, es gar nicht ungern
hörte, wie Lady M . . . ., die mich abzuholen gekom-
men, schon seit einer Stunde verdrüßlich wieder ab-
gefahren sey. Am andern Morgen trug ich ihr
meine Entschuldigungen vor, wo sie mir auch gnä-
dig verzieh, aber versicherte, daß ich viel verloren,
da Alles was noch Vornehmes und Fashionables in
der Stadt sey, jener Soirce beigewohnt habe. Ich
versicherte mit Aufrichtigkeit, daß ich nur die Ent-
behrung ihrer Gesellschaft bedauren könne, dafür
aber durch ihre Güte entschädigt zu werden hoffte,
sobald ich nur die "sentimental Journey" nach der
Grafschaft Wickkow gemacht, nach der meine deutsche,
romantische Seele inbrünstig verlange, und die ich
morgen früh zu Pferde anzutreten gedenke. Die
Unterhaltung fing nachher an sehr heiter zu wer-
den -- denn sie liebt das -- und endigte zuletzt so
läppisch, daß sie mir zurief: finessez! wenn sie zu-
rückkommen, werde ich mich Ihrer blos wie eine
ältere Schwester annehmen, und ich ihr lachend ant-
wortete: Das kann ich nicht annehmen -- je crain-

Ohren klapperte. Dieſer überall verſtändliche Klang
erweckte ihn beſſer als mein Rufen, er ſprang auf,
holte ſich noch einen Gefährten, und zurück ging’s
zu meiner Didone abbandonata. Die Irländer wuß-
ten ſich zu helfen — ſie trugen eine verloren aufge-
ſchlagene Brücke in der Nähe ab, legten ſie über
den Graben, und ſo fand ich mich endlich mit dem
befreiten Pferde wieder auf feſtem Wege, kam aber
ſo ſpät und in einem ſolchen Zuſtande zu Hauſe an,
daß ich, der Ruhe bedürftig, es gar nicht ungern
hörte, wie Lady M . . . ., die mich abzuholen gekom-
men, ſchon ſeit einer Stunde verdrüßlich wieder ab-
gefahren ſey. Am andern Morgen trug ich ihr
meine Entſchuldigungen vor, wo ſie mir auch gnä-
dig verzieh, aber verſicherte, daß ich viel verloren,
da Alles was noch Vornehmes und Faſhionables in
der Stadt ſey, jener Soirće beigewohnt habe. Ich
verſicherte mit Aufrichtigkeit, daß ich nur die Ent-
behrung ihrer Geſellſchaft bedauren könne, dafür
aber durch ihre Güte entſchädigt zu werden hoffte,
ſobald ich nur die „ſentimental Journey“ nach der
Grafſchaft Wickkow gemacht, nach der meine deutſche,
romantiſche Seele inbrünſtig verlange, und die ich
morgen früh zu Pferde anzutreten gedenke. Die
Unterhaltung fing nachher an ſehr heiter zu wer-
den — denn ſie liebt das — und endigte zuletzt ſo
läppiſch, daß ſie mir zurief: finessez! wenn ſie zu-
rückkommen, werde ich mich Ihrer blos wie eine
ältere Schweſter annehmen, und ich ihr lachend ant-
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[175/0199] Ohren klapperte. Dieſer überall verſtändliche Klang erweckte ihn beſſer als mein Rufen, er ſprang auf, holte ſich noch einen Gefährten, und zurück ging’s zu meiner Didone abbandonata. Die Irländer wuß- ten ſich zu helfen — ſie trugen eine verloren aufge- ſchlagene Brücke in der Nähe ab, legten ſie über den Graben, und ſo fand ich mich endlich mit dem befreiten Pferde wieder auf feſtem Wege, kam aber ſo ſpät und in einem ſolchen Zuſtande zu Hauſe an, daß ich, der Ruhe bedürftig, es gar nicht ungern hörte, wie Lady M . . . ., die mich abzuholen gekom- men, ſchon ſeit einer Stunde verdrüßlich wieder ab- gefahren ſey. Am andern Morgen trug ich ihr meine Entſchuldigungen vor, wo ſie mir auch gnä- dig verzieh, aber verſicherte, daß ich viel verloren, da Alles was noch Vornehmes und Faſhionables in der Stadt ſey, jener Soirće beigewohnt habe. Ich verſicherte mit Aufrichtigkeit, daß ich nur die Ent- behrung ihrer Geſellſchaft bedauren könne, dafür aber durch ihre Güte entſchädigt zu werden hoffte, ſobald ich nur die „ſentimental Journey“ nach der Grafſchaft Wickkow gemacht, nach der meine deutſche, romantiſche Seele inbrünſtig verlange, und die ich morgen früh zu Pferde anzutreten gedenke. Die Unterhaltung fing nachher an ſehr heiter zu wer- den — denn ſie liebt das — und endigte zuletzt ſo läppiſch, daß ſie mir zurief: finessez! wenn ſie zu- rückkommen, werde ich mich Ihrer blos wie eine ältere Schweſter annehmen, und ich ihr lachend ant- wortete: Das kann ich nicht annehmen — je crain-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/199>, abgerufen am 21.11.2024.