den gewöhnlichen Aufenthalt allerlei Spuck's, von dem mich jedoch nur einige einsame Irrlichter, vor- beigleitend, mit ihrer Gegenwart beehrten.
Als ich im Dorfe ankam, waren beide Gasthöfe schon von Touristen besetzt, und ich erhielt nur mit großer Mühe, ein kleines Vorzimmer eingeräumt, wo ich auf Stroh schlafen werde. Thee, Butter, Toast und Eier sind aber vortrefflich, und der Hunger würzt überdem das Mahl. Ich kann Dir nicht sagen, wie angenehm mir dieses Leben ist! Mit allen Entbeh- rungen fühle ich mich doch wahrlich hundert mal mehr a mon aise, als encombrirt und belästigt von tausend unnöthigen Bequemlichkeiten. Ich bin frei wie der Vogel in der Luft, und das ist ein hoher Genuß. Uebrigens Ehre dem Ehre gebührt. Wenig Menschen würden nach solchen Fatiguen sich mit re- ligiöser Ordnung alle Abend hinsetzen, um Dir so langen Rapport von den Tagesbegebenheiten abzu- statten. Erfreut es Dich nur, so bin ich hundertfach belohnt. --
Bray, den 24sten.
Gall behauptete, wie Du Dich erinnern wirst, als er in Paris meinen Schädel untersuchte, daß ich ein sehr hervorstehendes Organ der Theosophie habe. Demohngeachtet halten mich Viele für einen argen Ketzer -- aber Gott hat Recht -- wenn anders Re-
den gewöhnlichen Aufenthalt allerlei Spuck’s, von dem mich jedoch nur einige einſame Irrlichter, vor- beigleitend, mit ihrer Gegenwart beehrten.
Als ich im Dorfe ankam, waren beide Gaſthöfe ſchon von Touriſten beſetzt, und ich erhielt nur mit großer Mühe, ein kleines Vorzimmer eingeräumt, wo ich auf Stroh ſchlafen werde. Thee, Butter, Toaſt und Eier ſind aber vortrefflich, und der Hunger würzt überdem das Mahl. Ich kann Dir nicht ſagen, wie angenehm mir dieſes Leben iſt! Mit allen Entbeh- rungen fühle ich mich doch wahrlich hundert mal mehr à mon aise, als encombrirt und beläſtigt von tauſend unnöthigen Bequemlichkeiten. Ich bin frei wie der Vogel in der Luft, und das iſt ein hoher Genuß. Uebrigens Ehre dem Ehre gebührt. Wenig Menſchen würden nach ſolchen Fatiguen ſich mit re- ligiöſer Ordnung alle Abend hinſetzen, um Dir ſo langen Rapport von den Tagesbegebenheiten abzu- ſtatten. Erfreut es Dich nur, ſo bin ich hundertfach belohnt. —
Bray, den 24ſten.
Gall behauptete, wie Du Dich erinnern wirſt, als er in Paris meinen Schädel unterſuchte, daß ich ein ſehr hervorſtehendes Organ der Theoſophie habe. Demohngeachtet halten mich Viele für einen argen Ketzer — aber Gott hat Recht — wenn anders Re-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0216"n="192"/>
den gewöhnlichen Aufenthalt allerlei Spuck’s, von<lb/>
dem mich jedoch nur einige einſame Irrlichter, vor-<lb/>
beigleitend, mit ihrer Gegenwart beehrten.</p><lb/><p>Als ich im Dorfe ankam, waren beide Gaſthöfe<lb/>ſchon von Touriſten beſetzt, und ich erhielt nur mit<lb/>
großer Mühe, ein kleines Vorzimmer eingeräumt, wo<lb/>
ich auf Stroh ſchlafen werde. Thee, Butter, Toaſt<lb/>
und Eier ſind aber vortrefflich, und der Hunger würzt<lb/>
überdem das Mahl. Ich kann Dir nicht ſagen, wie<lb/>
angenehm mir dieſes Leben iſt! Mit allen Entbeh-<lb/>
rungen fühle ich mich doch wahrlich hundert mal<lb/>
mehr <hirendition="#aq">à mon aise,</hi> als encombrirt und beläſtigt von<lb/>
tauſend unnöthigen Bequemlichkeiten. Ich bin frei<lb/>
wie der Vogel in der Luft, und das iſt ein hoher<lb/>
Genuß. Uebrigens Ehre dem Ehre gebührt. Wenig<lb/>
Menſchen würden nach ſolchen Fatiguen ſich mit re-<lb/>
ligiöſer Ordnung alle Abend hinſetzen, um Dir ſo<lb/>
langen Rapport von den Tagesbegebenheiten abzu-<lb/>ſtatten. Erfreut es Dich nur, ſo bin ich hundertfach<lb/>
belohnt. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Bray, den 24<hirendition="#sup">ſten.</hi></hi></dateline></opener><lb/><p>Gall behauptete, wie Du Dich erinnern wirſt, als<lb/>
er in Paris meinen Schädel unterſuchte, daß ich ein<lb/>ſehr hervorſtehendes Organ der Theoſophie habe.<lb/>
Demohngeachtet halten mich Viele für einen argen<lb/>
Ketzer — aber Gott hat Recht — wenn anders Re-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[192/0216]
den gewöhnlichen Aufenthalt allerlei Spuck’s, von
dem mich jedoch nur einige einſame Irrlichter, vor-
beigleitend, mit ihrer Gegenwart beehrten.
Als ich im Dorfe ankam, waren beide Gaſthöfe
ſchon von Touriſten beſetzt, und ich erhielt nur mit
großer Mühe, ein kleines Vorzimmer eingeräumt, wo
ich auf Stroh ſchlafen werde. Thee, Butter, Toaſt
und Eier ſind aber vortrefflich, und der Hunger würzt
überdem das Mahl. Ich kann Dir nicht ſagen, wie
angenehm mir dieſes Leben iſt! Mit allen Entbeh-
rungen fühle ich mich doch wahrlich hundert mal
mehr à mon aise, als encombrirt und beläſtigt von
tauſend unnöthigen Bequemlichkeiten. Ich bin frei
wie der Vogel in der Luft, und das iſt ein hoher
Genuß. Uebrigens Ehre dem Ehre gebührt. Wenig
Menſchen würden nach ſolchen Fatiguen ſich mit re-
ligiöſer Ordnung alle Abend hinſetzen, um Dir ſo
langen Rapport von den Tagesbegebenheiten abzu-
ſtatten. Erfreut es Dich nur, ſo bin ich hundertfach
belohnt. —
Bray, den 24ſten.
Gall behauptete, wie Du Dich erinnern wirſt, als
er in Paris meinen Schädel unterſuchte, daß ich ein
ſehr hervorſtehendes Organ der Theoſophie habe.
Demohngeachtet halten mich Viele für einen argen
Ketzer — aber Gott hat Recht — wenn anders Re-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/216>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.