selbe Schicksal zu Theil, das einige Minuten früher ihre Schwester betroffen. Beide hielten nun zwar reinen Mund, beide aber zwang einige Zeit nachher die Natur zum Geständniß, denn beide wurden schwanger, und gebaren einen Knaben und ein Mäd- chen. Die Eltern machten die Sache anhängig, sie war klar -- das jüngste der Mädchen überdies erst 13 Jahr alt, und man hielt Hrn. R ...... für verloren. Wider alles Vermuthen erklärte ihn indeß die mitleidige Jury (que tant de valeur sans doute avait desarme) für not guilty (nicht schuldig) weil, auf eingefordertes Gutachten, der Stadtarzt gefällig erklärt hätte: daß der Fall unmöglich sey. Voila une belle occasion de disputer pour les Juriscon- sultes et les medecins. Die mauvais plaisans be- haupteten, daß vor diesem Prozeß Mr. R ...... den Weibern gefährlich gewesen, nachher aber unwi- derstehlich geworden sey.
Nun zur zweiten Erzählung:
Vor ohngefähr zehn Jahren gab Lord L ....., der damals fast für unüberwindlich vis a vis einer Batterie Whiskey-Punsch-Gläser gehalten wurde, ein großes dine, dessen Hauptzweck effrenirtes Trinken war, eine Mode, die jetzt, im Verhältniß wenig- stens, immer mehr abgenommen hat. Es war da- mals etwas ganz Gewöhnliches, sich mit einem Fasse Wein und einer lustigen Gesellschaft einzuschließen, und das Gemach nicht eher zu verlassen, bis der letzte Tropfen geleert war. Burrington spricht in sei-
ſelbe Schickſal zu Theil, das einige Minuten früher ihre Schweſter betroffen. Beide hielten nun zwar reinen Mund, beide aber zwang einige Zeit nachher die Natur zum Geſtändniß, denn beide wurden ſchwanger, und gebaren einen Knaben und ein Mäd- chen. Die Eltern machten die Sache anhängig, ſie war klar — das jüngſte der Mädchen überdies erſt 13 Jahr alt, und man hielt Hrn. R ...... für verloren. Wider alles Vermuthen erklärte ihn indeß die mitleidige Jury (que tant de valeur sans doute avait désarmé) für not guilty (nicht ſchuldig) weil, auf eingefordertes Gutachten, der Stadtarzt gefällig erklärt hätte: daß der Fall unmöglich ſey. Voilà une belle occasion de disputer pour les Juriscon- sultes et les mêdecins. Die mauvais plaisans be- haupteten, daß vor dieſem Prozeß Mr. R ...... den Weibern gefährlich geweſen, nachher aber unwi- derſtehlich geworden ſey.
Nun zur zweiten Erzählung:
Vor ohngefähr zehn Jahren gab Lord L ....., der damals faſt für unüberwindlich vis à vis einer Batterie Whiskey-Punſch-Gläſer gehalten wurde, ein großes diné, deſſen Hauptzweck effrenirtes Trinken war, eine Mode, die jetzt, im Verhältniß wenig- ſtens, immer mehr abgenommen hat. Es war da- mals etwas ganz Gewöhnliches, ſich mit einem Faſſe Wein und einer luſtigen Geſellſchaft einzuſchließen, und das Gemach nicht eher zu verlaſſen, bis der letzte Tropfen geleert war. Burrington ſpricht in ſei-
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ſelbe Schickſal zu Theil, das einige Minuten früher
ihre Schweſter betroffen. Beide hielten nun zwar
reinen Mund, beide aber zwang einige Zeit nachher
die Natur zum Geſtändniß, denn beide wurden
ſchwanger, und gebaren einen Knaben und ein Mäd-
chen. Die Eltern machten die Sache anhängig, ſie
war klar — das jüngſte der Mädchen überdies erſt
13 Jahr alt, und man hielt Hrn. R ...... für
verloren. Wider alles Vermuthen erklärte ihn indeß
die mitleidige Jury (que tant de valeur sans doute
avait désarmé) für not guilty (nicht ſchuldig) weil,
auf eingefordertes Gutachten, der Stadtarzt gefällig
erklärt hätte: daß der Fall unmöglich ſey. Voilà
une belle occasion de disputer pour les Juriscon-
sultes et les mêdecins. Die mauvais plaisans be-
haupteten, daß vor dieſem Prozeß Mr. R ......
den Weibern gefährlich geweſen, nachher aber unwi-
derſtehlich geworden ſey.
Nun zur zweiten Erzählung:
Vor ohngefähr zehn Jahren gab Lord L .....,
der damals faſt für unüberwindlich vis à vis einer
Batterie Whiskey-Punſch-Gläſer gehalten wurde, ein
großes diné, deſſen Hauptzweck effrenirtes Trinken
war, eine Mode, die jetzt, im Verhältniß wenig-
ſtens, immer mehr abgenommen hat. Es war da-
mals etwas ganz Gewöhnliches, ſich mit einem Faſſe
Wein und einer luſtigen Geſellſchaft einzuſchließen,
und das Gemach nicht eher zu verlaſſen, bis der
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/160>, abgerufen am 22.11.2024.
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