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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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des Ganzen zu wählen, ohne dennoch je dadurch zu
ermüden -- das waren gewiß Aufgaben, die außer
ihr, noch niemand hat lösen können. Sie ist nichts
weniger als romantisch, war auch im Leben nicht
außerordentlich hervorstehend, aber ohne Zweifel das
wohlerzogenste Ideal du ton le plus parfait. Gewiß
besaß sie auch "temper," von der Natur gegeben,
und durch Kunst veredelt und erhöht. Kunst ist we-
nigstens überall sichtbar, und wahrscheinlich waren
auch ihre Briefe, von denen sie wußte: daß Viele sie
mit Begeisterung lasen -- wohl eben so sehr für die
Gesellschaft als für ihre Tochter berechnet, ja gefeilt,
denn die bewunderungswürdige Leichtigkeit ihres
Styls verräth eben weit mehr Sorgfalt als das
epanchement des Augenblickes gestattet. Das, was
am leichtesten aussieht, ist von jeher am schwersten
zu erringen geworden. Die Schilderung damaliger
Sitten thut heut zu Tage das Ihrige für das In-
teresse der Briefe, ich bezweifle aber, daß ähnliche, jetzt
geschrieben, gleichen Succeß haben würden. Man ist
zu ernst und geistig dazu geworden. Les jolis riens
ne suffisent plus.
Das Gemüth auch will erregt,
und heftig erregt seyn. Wo ein Gigant, wie Lord
Byron auftritt, verschwinden die niedlichen Kleinen.

Eben las ich in seinen Werken (denn noch ging ich
nicht aus). Ich stieß auf die Schilderung einer Scene,
wie ich selbst in den letzten Tagen deren so häufig
ähnliche erlebt. Wie erhaben fand ich meine Gefühle
ausgedrückt! Erlaube mir das Bruchstück Dir in

des Ganzen zu wählen, ohne dennoch je dadurch zu
ermüden — das waren gewiß Aufgaben, die außer
ihr, noch niemand hat löſen können. Sie iſt nichts
weniger als romantiſch, war auch im Leben nicht
außerordentlich hervorſtehend, aber ohne Zweifel das
wohlerzogenſte Ideal du ton le plus parfait. Gewiß
beſaß ſie auch „temper,“ von der Natur gegeben,
und durch Kunſt veredelt und erhöht. Kunſt iſt we-
nigſtens überall ſichtbar, und wahrſcheinlich waren
auch ihre Briefe, von denen ſie wußte: daß Viele ſie
mit Begeiſterung laſen — wohl eben ſo ſehr für die
Geſellſchaft als für ihre Tochter berechnet, ja gefeilt,
denn die bewunderungswürdige Leichtigkeit ihres
Styls verräth eben weit mehr Sorgfalt als das
épanchement des Augenblickes geſtattet. Das, was
am leichteſten ausſieht, iſt von jeher am ſchwerſten
zu erringen geworden. Die Schilderung damaliger
Sitten thut heut zu Tage das Ihrige für das In-
tereſſe der Briefe, ich bezweifle aber, daß ähnliche, jetzt
geſchrieben, gleichen Succeß haben würden. Man iſt
zu ernſt und geiſtig dazu geworden. Les jolis riens
ne suffisent plus.
Das Gemüth auch will erregt,
und heftig erregt ſeyn. Wo ein Gigant, wie Lord
Byron auftritt, verſchwinden die niedlichen Kleinen.

Eben las ich in ſeinen Werken (denn noch ging ich
nicht aus). Ich ſtieß auf die Schilderung einer Scene,
wie ich ſelbſt in den letzten Tagen deren ſo häufig
ähnliche erlebt. Wie erhaben fand ich meine Gefühle
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[146/0168] des Ganzen zu wählen, ohne dennoch je dadurch zu ermüden — das waren gewiß Aufgaben, die außer ihr, noch niemand hat löſen können. Sie iſt nichts weniger als romantiſch, war auch im Leben nicht außerordentlich hervorſtehend, aber ohne Zweifel das wohlerzogenſte Ideal du ton le plus parfait. Gewiß beſaß ſie auch „temper,“ von der Natur gegeben, und durch Kunſt veredelt und erhöht. Kunſt iſt we- nigſtens überall ſichtbar, und wahrſcheinlich waren auch ihre Briefe, von denen ſie wußte: daß Viele ſie mit Begeiſterung laſen — wohl eben ſo ſehr für die Geſellſchaft als für ihre Tochter berechnet, ja gefeilt, denn die bewunderungswürdige Leichtigkeit ihres Styls verräth eben weit mehr Sorgfalt als das épanchement des Augenblickes geſtattet. Das, was am leichteſten ausſieht, iſt von jeher am ſchwerſten zu erringen geworden. Die Schilderung damaliger Sitten thut heut zu Tage das Ihrige für das In- tereſſe der Briefe, ich bezweifle aber, daß ähnliche, jetzt geſchrieben, gleichen Succeß haben würden. Man iſt zu ernſt und geiſtig dazu geworden. Les jolis riens ne suffisent plus. Das Gemüth auch will erregt, und heftig erregt ſeyn. Wo ein Gigant, wie Lord Byron auftritt, verſchwinden die niedlichen Kleinen. Eben las ich in ſeinen Werken (denn noch ging ich nicht aus). Ich ſtieß auf die Schilderung einer Scene, wie ich ſelbſt in den letzten Tagen deren ſo häufig ähnliche erlebt. Wie erhaben fand ich meine Gefühle ausgedrückt! Erlaube mir das Bruchſtück Dir in

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/168>, abgerufen am 22.11.2024.