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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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überirdisch magnetisirte Boden behält daher noch im-
mer einen Theil seiner wunderbaren Kräfte. Die er-
wähnte Ruine hat abermals einen jener räthselhaften,
schmalen, runden Thürme ohne Oeffnung, die von
fern einem, von allen Neunen allein stehen gebliebe-
nen, ungeheuren Königskegel gleichen. Bei einigen
wenigen, sieht man zwar die Oeffnung einer Thüre,
aber nicht unten, sondern in der Mitte. Kein ro-
mantischeres Schilderhaus hätte für die Wache des
Feenhügels gewählt werden können. Das Wetter
war außerordentlich mild und schön, und der Voll-
mond so lichtstrahlend, daß ich bequem in meinem
Wagen lesen konnte. Demohngeachtet verschliefen wir
einen guten Theil der Nacht.

In Dublin fand ich einen Brief von Dir vor.
Tausend Dank für alles Liebe und Gute, das er für
mich enthält. Aengstige Dich aber nicht zu sehr über
die Lage Deiner Freundin. Sage ihr, sie solle han-
deln wie es die Noth erfordere, abwenden was mög-
lich sey, unvermeidliches Uebel aufschieben, so lange
sie könne, aber immer ruhig tragen was da sey.
Das wenigstens ist meine Philosophie. Deine Ci-
tation aus der Sevigne hat mich sehr amüsirt. Ge-
wiß, diese Briefe sind merkwürdig! durch viele Bände
immer das Nämliche, und an sich ziemlich Leere, mit
stets neuen Wendungen unterhaltend, ja oft bezau-
bernd zu sagen; Hof, Stadt und Land mit gleicher
Grazie zu schildern, und eine etwas affectirte Liebe
gegen die insignifikanteste Person zum Hauptthema

Briefe eines Verstorbenen. II. 10

überirdiſch magnetiſirte Boden behält daher noch im-
mer einen Theil ſeiner wunderbaren Kräfte. Die er-
wähnte Ruine hat abermals einen jener räthſelhaften,
ſchmalen, runden Thürme ohne Oeffnung, die von
fern einem, von allen Neunen allein ſtehen gebliebe-
nen, ungeheuren Königskegel gleichen. Bei einigen
wenigen, ſieht man zwar die Oeffnung einer Thüre,
aber nicht unten, ſondern in der Mitte. Kein ro-
mantiſcheres Schilderhaus hätte für die Wache des
Feenhügels gewählt werden können. Das Wetter
war außerordentlich mild und ſchön, und der Voll-
mond ſo lichtſtrahlend, daß ich bequem in meinem
Wagen leſen konnte. Demohngeachtet verſchliefen wir
einen guten Theil der Nacht.

In Dublin fand ich einen Brief von Dir vor.
Tauſend Dank für alles Liebe und Gute, das er für
mich enthält. Aengſtige Dich aber nicht zu ſehr über
die Lage Deiner Freundin. Sage ihr, ſie ſolle han-
deln wie es die Noth erfordere, abwenden was mög-
lich ſey, unvermeidliches Uebel aufſchieben, ſo lange
ſie könne, aber immer ruhig tragen was da ſey.
Das wenigſtens iſt meine Philoſophie. Deine Ci-
tation aus der Sevigné hat mich ſehr amüſirt. Ge-
wiß, dieſe Briefe ſind merkwürdig! durch viele Bände
immer das Nämliche, und an ſich ziemlich Leere, mit
ſtets neuen Wendungen unterhaltend, ja oft bezau-
bernd zu ſagen; Hof, Stadt und Land mit gleicher
Grazie zu ſchildern, und eine etwas affectirte Liebe
gegen die inſignifikanteſte Perſon zum Hauptthema

Briefe eines Verſtorbenen. II. 10
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[145/0167] überirdiſch magnetiſirte Boden behält daher noch im- mer einen Theil ſeiner wunderbaren Kräfte. Die er- wähnte Ruine hat abermals einen jener räthſelhaften, ſchmalen, runden Thürme ohne Oeffnung, die von fern einem, von allen Neunen allein ſtehen gebliebe- nen, ungeheuren Königskegel gleichen. Bei einigen wenigen, ſieht man zwar die Oeffnung einer Thüre, aber nicht unten, ſondern in der Mitte. Kein ro- mantiſcheres Schilderhaus hätte für die Wache des Feenhügels gewählt werden können. Das Wetter war außerordentlich mild und ſchön, und der Voll- mond ſo lichtſtrahlend, daß ich bequem in meinem Wagen leſen konnte. Demohngeachtet verſchliefen wir einen guten Theil der Nacht. In Dublin fand ich einen Brief von Dir vor. Tauſend Dank für alles Liebe und Gute, das er für mich enthält. Aengſtige Dich aber nicht zu ſehr über die Lage Deiner Freundin. Sage ihr, ſie ſolle han- deln wie es die Noth erfordere, abwenden was mög- lich ſey, unvermeidliches Uebel aufſchieben, ſo lange ſie könne, aber immer ruhig tragen was da ſey. Das wenigſtens iſt meine Philoſophie. Deine Ci- tation aus der Sevigné hat mich ſehr amüſirt. Ge- wiß, dieſe Briefe ſind merkwürdig! durch viele Bände immer das Nämliche, und an ſich ziemlich Leere, mit ſtets neuen Wendungen unterhaltend, ja oft bezau- bernd zu ſagen; Hof, Stadt und Land mit gleicher Grazie zu ſchildern, und eine etwas affectirte Liebe gegen die inſignifikanteſte Perſon zum Hauptthema Briefe eines Verſtorbenen. II. 10

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/167>, abgerufen am 22.11.2024.