Personal besonders vollständig gemacht habe; auch werde er selbst fungiren. In der That hörte ich eine herrliche Vokalmusik (hier sind auch weibliche Sänger gestattet), nur von einzelnen Tönen der mächtigen Orgel begleitet. Es war ein hoher Ge- nuß, dieser Sphärengesang, der mit süßer Wonne die Seele füllte, und auf den Fittigen der Melodie den Sorgen des Alltäglichen enthob, während die ganze Gemeinde andächtig und betend auf den Knieen lag.
Du wirst am Ende glauben, liebe Julie, daß ich im Begriffe bin, es dem Herzog von C. nachzuma- chen, und katholisch zu werden. -- Nun so ganz ohne Grund kann ich die Ansicht, die dazu verleitet, nicht finden. Der Protestantismus, wie ihn gar viele ausüben, ist eben nicht viel vernünftiger, und bei weitem weniger poetisch und schön, sinnlich ge- sprochen. Ich glaube aber immer, ein neuer Luther oder gar ein neuer Christus ist nah, und wird uns dann Allen über die Mauer helfen, -- dann bedarf es kein Rückwärtsblicken mehr; bis dahin jedoch, fin- den Manche vielleicht -- wenigstens mehr Consequenz, im katholischen Kultus! Es ist kein halber, son- dern ein vollständiger Götzendienst, dessen Stufenlei- ter der göttlich gemachten Geschöpfe mit den Heili- gen aufhört, diesen lieben theilnehmenden Heiligen beiderlei Geschlechtes, die uns so nahe stehen, und unsre menschlichen Wünsche, Regungen und Leiden- schaften so gut kennen! . . . . . . . . . . .
Perſonal beſonders vollſtändig gemacht habe; auch werde er ſelbſt fungiren. In der That hörte ich eine herrliche Vokalmuſik (hier ſind auch weibliche Sänger geſtattet), nur von einzelnen Tönen der mächtigen Orgel begleitet. Es war ein hoher Ge- nuß, dieſer Sphärengeſang, der mit ſüßer Wonne die Seele füllte, und auf den Fittigen der Melodie den Sorgen des Alltäglichen enthob, während die ganze Gemeinde andächtig und betend auf den Knieen lag.
Du wirſt am Ende glauben, liebe Julie, daß ich im Begriffe bin, es dem Herzog von C. nachzuma- chen, und katholiſch zu werden. — Nun ſo ganz ohne Grund kann ich die Anſicht, die dazu verleitet, nicht finden. Der Proteſtantismus, wie ihn gar viele ausüben, iſt eben nicht viel vernünftiger, und bei weitem weniger poetiſch und ſchön, ſinnlich ge- ſprochen. Ich glaube aber immer, ein neuer Luther oder gar ein neuer Chriſtus iſt nah, und wird uns dann Allen über die Mauer helfen, — dann bedarf es kein Rückwärtsblicken mehr; bis dahin jedoch, fin- den Manche vielleicht — wenigſtens mehr Conſequenz, im katholiſchen Kultus! Es iſt kein halber, ſon- dern ein vollſtändiger Götzendienſt, deſſen Stufenlei- ter der göttlich gemachten Geſchöpfe mit den Heili- gen aufhört, dieſen lieben theilnehmenden Heiligen beiderlei Geſchlechtes, die uns ſo nahe ſtehen, und unſre menſchlichen Wünſche, Regungen und Leiden- ſchaften ſo gut kennen! . . . . . . . . . . .
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Perſonal beſonders vollſtändig gemacht habe; auch
werde er ſelbſt fungiren. In der That hörte ich
eine herrliche Vokalmuſik (hier ſind auch weibliche
Sänger geſtattet), nur von einzelnen Tönen der
mächtigen Orgel begleitet. Es war ein hoher Ge-
nuß, dieſer Sphärengeſang, der mit ſüßer Wonne
die Seele füllte, und auf den Fittigen der Melodie
den Sorgen des Alltäglichen enthob, während die
ganze Gemeinde andächtig und betend auf den Knieen
lag.
Du wirſt am Ende glauben, liebe Julie, daß ich
im Begriffe bin, es dem Herzog von C. nachzuma-
chen, und katholiſch zu werden. — Nun ſo ganz
ohne Grund kann ich die Anſicht, die dazu verleitet,
nicht finden. Der Proteſtantismus, wie ihn gar
viele ausüben, iſt eben nicht viel vernünftiger, und
bei weitem weniger poetiſch und ſchön, ſinnlich ge-
ſprochen. Ich glaube aber immer, ein neuer Luther
oder gar ein neuer Chriſtus iſt nah, und wird uns
dann Allen über die Mauer helfen, — dann bedarf
es kein Rückwärtsblicken mehr; bis dahin jedoch, fin-
den Manche vielleicht — wenigſtens mehr Conſequenz,
im katholiſchen Kultus! Es iſt kein halber, ſon-
dern ein vollſtändiger Götzendienſt, deſſen Stufenlei-
ter der göttlich gemachten Geſchöpfe mit den Heili-
gen aufhört, dieſen lieben theilnehmenden Heiligen
beiderlei Geſchlechtes, die uns ſo nahe ſtehen, und
unſre menſchlichen Wünſche, Regungen und Leiden-
ſchaften ſo gut kennen! . . . . . . . . . . .
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/192>, abgerufen am 22.11.2024.
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