Daß ich O'Connel hier wieder getroffen, vergaß ich Dir zu melden. Ich hörte ihn schon einigemal in der Catholik-Association, dem jetzigen irländischen Na- tionalparliament, welches ich heute zum zweitenmal besuchte. Man empfing mich, als einen gut gesinn- ten Fremden, mit Applaudiren, und H. O'Connel machte mir sogleich Platz, zwischen sich und einem Lord C.... Der Saal ist nicht zu groß, und eben so unreinlich als der des Unterhauses in England. Auch hier behält jeder den Hut auf dem Kopf, aus- genommen wenn er spricht, auch hier giebt es gute und schlechte Redner, aber allerdings zuweilen we- niger anständige Sitte als dort. Die Hitze war stickend, und ich mußte demohngeachtet 5 Stunden aushalten, die Debatten waren aber so interessant, daß ich die Unbequemlichkeit kaum bemerkte. O'Connel sprach, ohne Zweifel, am besten. Obgleich vom größ- ten Theile vergöttert, ward er doch auch von Man- chen sehr hart bedrängt, und vertheidigte sich mit eben so vieler Mäßigung als Gewandtheit, dagegen er ohne alle Schonung, und meines Erachtens nach, mit zu starken Ausdrücken, die Minister und das englische Gouvernement angriff. Daß viel Intrigue und fest verbundene, im Voraus bestimmte, Par- theien, hier so gut wie bei andern Körpern dieser Art herrschen, und daher die Diskussion oft nur Spiegelfechterei bleibt, war leicht zu ersehen; die Führer aber haben wenigstens ihr Handwerk sehr
Den 18ten.
Daß ich O’Connel hier wieder getroffen, vergaß ich Dir zu melden. Ich hörte ihn ſchon einigemal in der Catholik-Aſſociation, dem jetzigen irländiſchen Na- tionalparliament, welches ich heute zum zweitenmal beſuchte. Man empfing mich, als einen gut geſinn- ten Fremden, mit Applaudiren, und H. O’Connel machte mir ſogleich Platz, zwiſchen ſich und einem Lord C.... Der Saal iſt nicht zu groß, und eben ſo unreinlich als der des Unterhauſes in England. Auch hier behält jeder den Hut auf dem Kopf, aus- genommen wenn er ſpricht, auch hier giebt es gute und ſchlechte Redner, aber allerdings zuweilen we- niger anſtändige Sitte als dort. Die Hitze war ſtickend, und ich mußte demohngeachtet 5 Stunden aushalten, die Debatten waren aber ſo intereſſant, daß ich die Unbequemlichkeit kaum bemerkte. O’Connel ſprach, ohne Zweifel, am beſten. Obgleich vom größ- ten Theile vergöttert, ward er doch auch von Man- chen ſehr hart bedrängt, und vertheidigte ſich mit eben ſo vieler Mäßigung als Gewandtheit, dagegen er ohne alle Schonung, und meines Erachtens nach, mit zu ſtarken Ausdrücken, die Miniſter und das engliſche Gouvernement angriff. Daß viel Intrigue und feſt verbundene, im Voraus beſtimmte, Par- theien, hier ſo gut wie bei andern Körpern dieſer Art herrſchen, und daher die Diskuſſion oft nur Spiegelfechterei bleibt, war leicht zu erſehen; die Führer aber haben wenigſtens ihr Handwerk ſehr
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Den 18ten.
Daß ich O’Connel hier wieder getroffen, vergaß
ich Dir zu melden. Ich hörte ihn ſchon einigemal in
der Catholik-Aſſociation, dem jetzigen irländiſchen Na-
tionalparliament, welches ich heute zum zweitenmal
beſuchte. Man empfing mich, als einen gut geſinn-
ten Fremden, mit Applaudiren, und H. O’Connel
machte mir ſogleich Platz, zwiſchen ſich und einem
Lord C.... Der Saal iſt nicht zu groß, und eben
ſo unreinlich als der des Unterhauſes in England.
Auch hier behält jeder den Hut auf dem Kopf, aus-
genommen wenn er ſpricht, auch hier giebt es gute
und ſchlechte Redner, aber allerdings zuweilen we-
niger anſtändige Sitte als dort. Die Hitze war
ſtickend, und ich mußte demohngeachtet 5 Stunden
aushalten, die Debatten waren aber ſo intereſſant, daß
ich die Unbequemlichkeit kaum bemerkte. O’Connel
ſprach, ohne Zweifel, am beſten. Obgleich vom größ-
ten Theile vergöttert, ward er doch auch von Man-
chen ſehr hart bedrängt, und vertheidigte ſich mit
eben ſo vieler Mäßigung als Gewandtheit, dagegen
er ohne alle Schonung, und meines Erachtens nach,
mit zu ſtarken Ausdrücken, die Miniſter und das
engliſche Gouvernement angriff. Daß viel Intrigue
und feſt verbundene, im Voraus beſtimmte, Par-
theien, hier ſo gut wie bei andern Körpern dieſer
Art herrſchen, und daher die Diskuſſion oft nur
Spiegelfechterei bleibt, war leicht zu erſehen; die
Führer aber haben wenigſtens ihr Handwerk ſehr
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/205>, abgerufen am 22.11.2024.
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